Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
Dieses vielleicht wäre nun freilich eine sehr leichte undbequeme Art, den Ahndungen einen gewissen Credit zu verschaffen, -- wenn es nur auch schon ausgemacht wäre: ob unsere Seele einen einzigen Begriff ohne symbolische Erkenntniß oder Selbstdenken, und ein Vorgefühl von einer durchaus zufälligen Sache durch ein anderes geistiges Wesen außer ihr haben könnte. Zwei Hindernisse, die jener Erklärungsart der Ahndungen vornehmlich im Wege liegen. Wir mögen nehmlich denken, was wir wollen, das denken wir uns in Verbindung mit einem gewissen, entweder durch den Gebrauch schon bestimmten, oder auch willkürlichen symbolischen Zeichen, in Verbindung mit einem gewissen Worte, oder wie die Taub- undStummgebornen, unter einer gewißen Gesichtsmiene, einer körperlichen Bewegung. Ohne diese Einrichtung unserer Natur, (das Reden mag nun entweder, wie Einige geglaubt haben, schon für den einzelnen Menschen Bedürfniß, oder Convention, Bedürfniß des gesellschaftlichen Lebens seyn,) würde es uns erstaunlich schwer fallen, deutliche Begriffe zu bekommen, am langsamsten würden sich aber vollends abstracte Jdeen in uns entwickeln können. Wir stellen uns bei dem erstaunlich schnellen Wechsel unserer sinnlichen und abstracten Vorstel-
Dieses vielleicht waͤre nun freilich eine sehr leichte undbequeme Art, den Ahndungen einen gewissen Credit zu verschaffen, — wenn es nur auch schon ausgemacht waͤre: ob unsere Seele einen einzigen Begriff ohne symbolische Erkenntniß oder Selbstdenken, und ein Vorgefuͤhl von einer durchaus zufaͤlligen Sache durch ein anderes geistiges Wesen außer ihr haben koͤnnte. Zwei Hindernisse, die jener Erklaͤrungsart der Ahndungen vornehmlich im Wege liegen. Wir moͤgen nehmlich denken, was wir wollen, das denken wir uns in Verbindung mit einem gewissen, entweder durch den Gebrauch schon bestimmten, oder auch willkuͤrlichen symbolischen Zeichen, in Verbindung mit einem gewissen Worte, oder wie die Taub- undStummgebornen, unter einer gewißen Gesichtsmiene, einer koͤrperlichen Bewegung. Ohne diese Einrichtung unserer Natur, (das Reden mag nun entweder, wie Einige geglaubt haben, schon fuͤr den einzelnen Menschen Beduͤrfniß, oder Convention, Beduͤrfniß des gesellschaftlichen Lebens seyn,) wuͤrde es uns erstaunlich schwer fallen, deutliche Begriffe zu bekommen, am langsamsten wuͤrden sich aber vollends abstracte Jdeen in uns entwickeln koͤnnen. Wir stellen uns bei dem erstaunlich schnellen Wechsel unserer sinnlichen und abstracten Vorstel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0003" n="3"/><lb/> gen, die in dem vorhergehenden Seelenzustande keinen Grund hatten? — —</p> <p><hi rendition="#b">Dieses vielleicht</hi> waͤre nun freilich eine sehr leichte undbequeme Art, den Ahndungen einen gewissen Credit zu verschaffen, — wenn es nur auch schon ausgemacht waͤre: <hi rendition="#b">ob unsere Seele einen einzigen Begriff ohne symbolische Erkenntniß oder Selbstdenken, und ein Vorgefuͤhl von einer durchaus zufaͤlligen Sache durch ein anderes geistiges Wesen außer ihr haben koͤnnte.</hi> Zwei Hindernisse, die jener Erklaͤrungsart der Ahndungen vornehmlich im Wege liegen.</p> <p>Wir moͤgen nehmlich denken, was wir wollen, das denken wir uns in Verbindung mit einem gewissen, entweder durch den Gebrauch schon <hi rendition="#b">bestimmten,</hi> oder auch <hi rendition="#b">willkuͤrlichen</hi> symbolischen Zeichen, in Verbindung mit einem gewissen Worte, oder wie die Taub- undStummgebornen, unter einer gewißen <hi rendition="#b">Gesichtsmiene,</hi> einer <hi rendition="#b">koͤrperlichen</hi> Bewegung. Ohne diese Einrichtung unserer Natur, (das Reden mag nun entweder, wie Einige geglaubt haben, schon fuͤr den einzelnen Menschen Beduͤrfniß, oder Convention, Beduͤrfniß des gesellschaftlichen Lebens seyn,) wuͤrde es uns erstaunlich schwer fallen, deutliche Begriffe zu bekommen, am langsamsten wuͤrden sich aber vollends abstracte Jdeen in uns entwickeln koͤnnen.</p> <p>Wir stellen uns bei dem erstaunlich schnellen <hi rendition="#b">Wechsel</hi> unserer sinnlichen und abstracten Vorstel-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
gen, die in dem vorhergehenden Seelenzustande keinen Grund hatten? — —
Dieses vielleicht waͤre nun freilich eine sehr leichte undbequeme Art, den Ahndungen einen gewissen Credit zu verschaffen, — wenn es nur auch schon ausgemacht waͤre: ob unsere Seele einen einzigen Begriff ohne symbolische Erkenntniß oder Selbstdenken, und ein Vorgefuͤhl von einer durchaus zufaͤlligen Sache durch ein anderes geistiges Wesen außer ihr haben koͤnnte. Zwei Hindernisse, die jener Erklaͤrungsart der Ahndungen vornehmlich im Wege liegen.
Wir moͤgen nehmlich denken, was wir wollen, das denken wir uns in Verbindung mit einem gewissen, entweder durch den Gebrauch schon bestimmten, oder auch willkuͤrlichen symbolischen Zeichen, in Verbindung mit einem gewissen Worte, oder wie die Taub- undStummgebornen, unter einer gewißen Gesichtsmiene, einer koͤrperlichen Bewegung. Ohne diese Einrichtung unserer Natur, (das Reden mag nun entweder, wie Einige geglaubt haben, schon fuͤr den einzelnen Menschen Beduͤrfniß, oder Convention, Beduͤrfniß des gesellschaftlichen Lebens seyn,) wuͤrde es uns erstaunlich schwer fallen, deutliche Begriffe zu bekommen, am langsamsten wuͤrden sich aber vollends abstracte Jdeen in uns entwickeln koͤnnen.
Wir stellen uns bei dem erstaunlich schnellen Wechsel unserer sinnlichen und abstracten Vorstel-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/3>, abgerufen am 22.07.2024. |