wie anno 1704, und die Furcht nahm zusehends zu. Jch hatte mit Kummer und Noth kaum eine Sciagraphie statt der Predigt verfertigen können, in welcher ich die Vernunft zur Quelle des gottlosen Lebens gemacht. Nach derselben sollte ich nun predigen, und konnte sie vor Angst nicht memoriter durchgehen. Sonnabends Abends war die Noth am höchsten, ehe ich schlafen ging. Jch wollte nach Tische das Licht putzen, ich putzte es aus Versehen aus; über eine Weile wollte ich das andere putzen, es ging mir aber eben so. Aus dergleichen Dingen, so natürliche Ursachen sie auch haben, machen melancholische Leute zur Stunde der Versuchung lauter Omina und Vorbedeutungen. Die erschrecklichsten Gedanken kamen Heerweise und schlugen und stürmten im Gemüthe. Es schien schon, als ob die Fenster vom starken Winde (des ankommenden bösen Feindes) anfingen zu beben, so daß ich nicht länger aufbleiben, sondern zu Bette gehen und Gotte auf Gnade und Ungnade mich ergeben, und wie jener denken mußte: komm ich um, so komm ich um! Esth. 4, v. 6."
"Weil diese Anfechtung der ersten anno 1704 ganz ähnlich war, so war noch der Charfreitag vor der Thüre, vor welchem Tage mir noch bänger war, als vor dem Palmsonntage. Jch that Montags nach Palmarum einen neuen Spazirgang nach Wahren (einem Dorfe bei Leipzig auf dem Wege nach Halle.) um zu sehen, ob derselbige glücklicher seyn würde, als der vor acht Tagen, und um der
wie anno 1704, und die Furcht nahm zusehends zu. Jch hatte mit Kummer und Noth kaum eine Sciagraphie statt der Predigt verfertigen koͤnnen, in welcher ich die Vernunft zur Quelle des gottlosen Lebens gemacht. Nach derselben sollte ich nun predigen, und konnte sie vor Angst nicht memoriter durchgehen. Sonnabends Abends war die Noth am hoͤchsten, ehe ich schlafen ging. Jch wollte nach Tische das Licht putzen, ich putzte es aus Versehen aus; uͤber eine Weile wollte ich das andere putzen, es ging mir aber eben so. Aus dergleichen Dingen, so natuͤrliche Ursachen sie auch haben, machen melancholische Leute zur Stunde der Versuchung lauter Omina und Vorbedeutungen. Die erschrecklichsten Gedanken kamen Heerweise und schlugen und stuͤrmten im Gemuͤthe. Es schien schon, als ob die Fenster vom starken Winde (des ankommenden boͤsen Feindes) anfingen zu beben, so daß ich nicht laͤnger aufbleiben, sondern zu Bette gehen und Gotte auf Gnade und Ungnade mich ergeben, und wie jener denken mußte: komm ich um, so komm ich um! Esth. 4, v. 6.«
»Weil diese Anfechtung der ersten anno 1704 ganz aͤhnlich war, so war noch der Charfreitag vor der Thuͤre, vor welchem Tage mir noch baͤnger war, als vor dem Palmsonntage. Jch that Montags nach Palmarum einen neuen Spazirgang nach Wahren (einem Dorfe bei Leipzig auf dem Wege nach Halle.) um zu sehen, ob derselbige gluͤcklicher seyn wuͤrde, als der vor acht Tagen, und um der
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wie anno 1704, und die Furcht nahm zusehends zu. Jch hatte mit Kummer und Noth kaum eine Sciagraphie statt der Predigt verfertigen koͤnnen, in welcher ich die Vernunft zur Quelle des gottlosen Lebens gemacht. Nach derselben sollte ich nun predigen, und konnte sie vor Angst nicht memoriter durchgehen. Sonnabends Abends war die Noth am hoͤchsten, ehe ich schlafen ging. Jch wollte nach Tische das Licht putzen, ich putzte es aus Versehen aus; uͤber eine Weile wollte ich das andere putzen, es ging mir aber eben so. Aus dergleichen Dingen, so natuͤrliche Ursachen sie auch haben, machen melancholische Leute zur Stunde der Versuchung lauter Omina und Vorbedeutungen. Die erschrecklichsten Gedanken kamen Heerweise und schlugen und stuͤrmten im Gemuͤthe. Es schien schon, als ob die Fenster vom starken Winde (des ankommenden boͤsen Feindes) anfingen zu beben, so daß ich nicht laͤnger aufbleiben, sondern zu Bette gehen und Gotte auf Gnade und Ungnade mich ergeben, und wie jener denken mußte: komm ich um, so komm ich um! Esth. 4, v. 6.«
»Weil diese Anfechtung der ersten anno 1704 ganz aͤhnlich war, so war noch der Charfreitag vor der Thuͤre, vor welchem Tage mir noch baͤnger war, als vor dem Palmsonntage. Jch that Montags nach Palmarum einen neuen Spazirgang nach Wahren (einem Dorfe bei Leipzig auf dem Wege nach Halle.) um zu sehen, ob derselbige gluͤcklicher seyn wuͤrde, als der vor acht Tagen, und um der
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/28>, abgerufen am 03.07.2024.
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