Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
"Gegen Abend überfiel mich ungewöhnliche Angst wegen des Zukünftigen, und wie es seyn würde, wenn ich wieder würde predigen müssen. Jch sann nach, und stellte mir lebendig vor, was das für eine Schande seyn würde, daferne mir auf der Kanzel dasjenige widerführe, dem ich diesesmahl noch mit Noth und Kummer entgangen. Dies stürmte in meinem Gemüthe, daß mir brühheiß im Kopfe wurde. Wollte ich mich in der Verläugnung üben, und Ehre und Gnade vor nichts halten und alles Gott anheim stellen, es möchte mir gehen, wie es wollte; so wollte das hitzige verbrandte und melancholische Geblüte nichts davon annehmen. Und in solcher furchtsamen Einbildung wurde ich noch mehr gestärkt, da ich in folgenden Tagen, so oft ich unter die Leute ging, von neuem mit der Begierde, Urin zu lassen, geplagt wurde. Jch ging zu einer Leiche, und ich war mit derselben kaum bis zum Paulino gekommen, so mußte ich Ausreiß geben, anstatt, daß ich bis vor das Thor hätte mitgehen sollen". -- -- --
»Gegen Abend uͤberfiel mich ungewoͤhnliche Angst wegen des Zukuͤnftigen, und wie es seyn wuͤrde, wenn ich wieder wuͤrde predigen muͤssen. Jch sann nach, und stellte mir lebendig vor, was das fuͤr eine Schande seyn wuͤrde, daferne mir auf der Kanzel dasjenige widerfuͤhre, dem ich diesesmahl noch mit Noth und Kummer entgangen. Dies stuͤrmte in meinem Gemuͤthe, daß mir bruͤhheiß im Kopfe wurde. Wollte ich mich in der Verlaͤugnung uͤben, und Ehre und Gnade vor nichts halten und alles Gott anheim stellen, es moͤchte mir gehen, wie es wollte; so wollte das hitzige verbrandte und melancholische Gebluͤte nichts davon annehmen. Und in solcher furchtsamen Einbildung wurde ich noch mehr gestaͤrkt, da ich in folgenden Tagen, so oft ich unter die Leute ging, von neuem mit der Begierde, Urin zu lassen, geplagt wurde. Jch ging zu einer Leiche, und ich war mit derselben kaum bis zum Paulino gekommen, so mußte ich Ausreiß geben, anstatt, daß ich bis vor das Thor haͤtte mitgehen sollen«. — — — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0025" n="25"/><lb/> nen, was mich oben auf der Kanzel und unter der Predigt geplagt haͤtte. Ein beherzter Prediger wuͤrde sich aus einem solchen seltsamen Zufalle nichts gemacht haben, aber bei mir armen furchtsamen Thiere, der dazumahl ohnedem in lauter Nacht und Finsterniß, ohne Trost und Empfindung der Gnade Gottes hinging, war es ein Grund zu erschrecklichen Gemuͤthsplagen, so darauf folgten«.</p> <p>»Gegen Abend uͤberfiel mich ungewoͤhnliche Angst wegen des <hi rendition="#b">Zukuͤnftigen,</hi> und wie es seyn wuͤrde, wenn ich wieder wuͤrde predigen muͤssen. Jch sann nach, und stellte mir lebendig vor, was das fuͤr eine Schande seyn wuͤrde, daferne mir auf der Kanzel dasjenige widerfuͤhre, dem ich diesesmahl noch mit Noth und Kummer entgangen. Dies stuͤrmte in meinem Gemuͤthe, daß mir bruͤhheiß im Kopfe wurde. Wollte ich mich in der Verlaͤugnung uͤben, und Ehre und Gnade vor nichts halten und alles Gott anheim stellen, es moͤchte mir gehen, wie es wollte; so wollte das hitzige verbrandte und melancholische Gebluͤte nichts davon annehmen. Und in solcher furchtsamen Einbildung wurde ich noch mehr gestaͤrkt, da ich in folgenden Tagen, so oft ich unter die Leute ging, von neuem mit der Begierde, Urin zu lassen, geplagt wurde. Jch ging zu einer Leiche, und ich war mit derselben kaum bis zum Paulino gekommen, so mußte ich Ausreiß geben, anstatt, daß ich bis vor das Thor haͤtte mitgehen sollen«. — — — </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0025]
nen, was mich oben auf der Kanzel und unter der Predigt geplagt haͤtte. Ein beherzter Prediger wuͤrde sich aus einem solchen seltsamen Zufalle nichts gemacht haben, aber bei mir armen furchtsamen Thiere, der dazumahl ohnedem in lauter Nacht und Finsterniß, ohne Trost und Empfindung der Gnade Gottes hinging, war es ein Grund zu erschrecklichen Gemuͤthsplagen, so darauf folgten«.
»Gegen Abend uͤberfiel mich ungewoͤhnliche Angst wegen des Zukuͤnftigen, und wie es seyn wuͤrde, wenn ich wieder wuͤrde predigen muͤssen. Jch sann nach, und stellte mir lebendig vor, was das fuͤr eine Schande seyn wuͤrde, daferne mir auf der Kanzel dasjenige widerfuͤhre, dem ich diesesmahl noch mit Noth und Kummer entgangen. Dies stuͤrmte in meinem Gemuͤthe, daß mir bruͤhheiß im Kopfe wurde. Wollte ich mich in der Verlaͤugnung uͤben, und Ehre und Gnade vor nichts halten und alles Gott anheim stellen, es moͤchte mir gehen, wie es wollte; so wollte das hitzige verbrandte und melancholische Gebluͤte nichts davon annehmen. Und in solcher furchtsamen Einbildung wurde ich noch mehr gestaͤrkt, da ich in folgenden Tagen, so oft ich unter die Leute ging, von neuem mit der Begierde, Urin zu lassen, geplagt wurde. Jch ging zu einer Leiche, und ich war mit derselben kaum bis zum Paulino gekommen, so mußte ich Ausreiß geben, anstatt, daß ich bis vor das Thor haͤtte mitgehen sollen«. — — —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |