Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
Jch erhohle mich aus einem Strome dahinreißender wonniglichen Gefühle, und erinnere dich wieder, mein Lieber! an unser Sp... Mein Lehrer war ein Hectikus, jähzornig, und in der Strafe wußte er, wie es meistens geschieht, keine Mäßigung, keine Zweckmäßigkeit zu beobachten. Er hatte eine hämisch-lächelnde Miene an sich; mit diesem hämischen Wesen, das mir Leidenschaft, Befriedigung eines gallsüchtigen Herzens verrieth, konnte er Hände und Rücken der armen Jungen blutig schlagen. Seine Schule schien mehr einem Zuchthause ähnlich, die junge Leute unempfindlich und abgehärtet zu machen, als in sie ein gutes Herz und gemeinnützige Kenntnisse zu pflanzen; von der Lehrart und von der Auswahl der Lehrgegenstände will ich gar nichts melden; denn da herrschte noch der alte Schlendrian, der jetzt noch in den meisten katholischen Schulen über die junge Köpfe forttirannisirt. Da begegnete mir in der Schule manches, das ich als ungerecht ansahe, mit dem sich gleich mein natürliches Gefühl des Unrechtleidens verband, und mir manchen Thränenguß verursachte, manchen
Jch erhohle mich aus einem Strome dahinreißender wonniglichen Gefuͤhle, und erinnere dich wieder, mein Lieber! an unser Sp... Mein Lehrer war ein Hectikus, jaͤhzornig, und in der Strafe wußte er, wie es meistens geschieht, keine Maͤßigung, keine Zweckmaͤßigkeit zu beobachten. Er hatte eine haͤmisch-laͤchelnde Miene an sich; mit diesem haͤmischen Wesen, das mir Leidenschaft, Befriedigung eines gallsuͤchtigen Herzens verrieth, konnte er Haͤnde und Ruͤcken der armen Jungen blutig schlagen. Seine Schule schien mehr einem Zuchthause aͤhnlich, die junge Leute unempfindlich und abgehaͤrtet zu machen, als in sie ein gutes Herz und gemeinnuͤtzige Kenntnisse zu pflanzen; von der Lehrart und von der Auswahl der Lehrgegenstaͤnde will ich gar nichts melden; denn da herrschte noch der alte Schlendrian, der jetzt noch in den meisten katholischen Schulen uͤber die junge Koͤpfe forttirannisirt. Da begegnete mir in der Schule manches, das ich als ungerecht ansahe, mit dem sich gleich mein natuͤrliches Gefuͤhl des Unrechtleidens verband, und mir manchen Thraͤnenguß verursachte, manchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0114" n="114"/><lb/> finden, hast du nur wenige Edle inne. Laß uns, Bruder, laß uns immer diese allbegluͤckende Goͤttinn unsere Freundin seyn, so bist du mein Bruder, und Bruder aller Menschen, aller Wesen.</p> <p>Jch erhohle mich aus einem Strome dahinreißender wonniglichen Gefuͤhle, und erinnere dich wieder, mein Lieber! an unser Sp... Mein Lehrer war ein Hectikus, jaͤhzornig, und in der Strafe wußte er, wie es meistens geschieht, keine Maͤßigung, keine Zweckmaͤßigkeit zu beobachten. Er hatte eine haͤmisch-laͤchelnde Miene an sich; mit diesem haͤmischen Wesen, das mir Leidenschaft, Befriedigung eines gallsuͤchtigen Herzens verrieth, konnte er Haͤnde und Ruͤcken der armen Jungen blutig schlagen. Seine Schule schien mehr einem Zuchthause aͤhnlich, die junge Leute unempfindlich und abgehaͤrtet zu machen, als in sie ein gutes Herz und gemeinnuͤtzige Kenntnisse zu pflanzen; von der Lehrart und von der Auswahl der Lehrgegenstaͤnde will ich gar nichts melden; denn da herrschte noch der alte Schlendrian, der jetzt noch in den meisten katholischen Schulen uͤber die junge Koͤpfe forttirannisirt.</p> <p>Da begegnete mir in der Schule manches, das ich als ungerecht ansahe, mit dem sich gleich mein natuͤrliches Gefuͤhl des Unrechtleidens verband, und mir manchen Thraͤnenguß verursachte, manchen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0114]
finden, hast du nur wenige Edle inne. Laß uns, Bruder, laß uns immer diese allbegluͤckende Goͤttinn unsere Freundin seyn, so bist du mein Bruder, und Bruder aller Menschen, aller Wesen.
Jch erhohle mich aus einem Strome dahinreißender wonniglichen Gefuͤhle, und erinnere dich wieder, mein Lieber! an unser Sp... Mein Lehrer war ein Hectikus, jaͤhzornig, und in der Strafe wußte er, wie es meistens geschieht, keine Maͤßigung, keine Zweckmaͤßigkeit zu beobachten. Er hatte eine haͤmisch-laͤchelnde Miene an sich; mit diesem haͤmischen Wesen, das mir Leidenschaft, Befriedigung eines gallsuͤchtigen Herzens verrieth, konnte er Haͤnde und Ruͤcken der armen Jungen blutig schlagen. Seine Schule schien mehr einem Zuchthause aͤhnlich, die junge Leute unempfindlich und abgehaͤrtet zu machen, als in sie ein gutes Herz und gemeinnuͤtzige Kenntnisse zu pflanzen; von der Lehrart und von der Auswahl der Lehrgegenstaͤnde will ich gar nichts melden; denn da herrschte noch der alte Schlendrian, der jetzt noch in den meisten katholischen Schulen uͤber die junge Koͤpfe forttirannisirt.
Da begegnete mir in der Schule manches, das ich als ungerecht ansahe, mit dem sich gleich mein natuͤrliches Gefuͤhl des Unrechtleidens verband, und mir manchen Thraͤnenguß verursachte, manchen
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/114>, abgerufen am 22.07.2024. |