Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0113" n="113"/><lb/> Streben nach Guͤtern dieser Erde, als ein thaͤtiges Mitgefuͤhl; ja, daß Geitz, so wie an Abscheulichkeit, auch an Allgemeinheit alle Laster uͤbertreffen. Wir fuͤhlten unsere Noth und wir konnten am besten Beobachtungen uͤber Menschenliebe und uͤber das entgegengesetzte Laster anstellen; wir machten sie, und fanden, wie selten man die alles versuͤßende Wuͤrkungen der erstern, und hingegen wie herrschend die alles verbitternde Wuͤrkungen der letztern antreffe; wie wenige die Seelenwonne genießen, die eine zaͤrtliche, innige Theilnehmung an dem Leiden des Bruders gewaͤhrt; wie viele gefuͤhllos auf den Elenden herabblicken und dabei die stolze Prunke der verhaͤltnismaͤßigen Groͤße ihrer Gluͤcksumstaͤnde empfinden, ohne zu denken, daß eben so zufaͤllig ihr Verhaͤltniß auch Jenes seyn koͤnne, und daß ganz ohne Hinsicht auf Verdienste das Weltgluͤck ausgetheilet sei; ohne zu denken, daß Reichthum, Ansehen, aller aͤußerlicher Prunk nicht das wahre Gluͤck des Menschen ausmachen, sondern nur Befoͤrderungsmittel desselben seyn koͤnnen; Guͤter sinds, und wahre Guͤter, wenn sie in der Sphaͤre dieser Bestimmung wuͤrken; sobald der Mensch ihre Subordination vergißt, so verfehlt er den Zweck seines Daseyns, anstatt gluͤcklich wird er ungluͤcklich. Nur du, Liebe! bist wahres einziges Mittel zum allgemeinen Schoͤpfungszweck, aber mißkennt von vielen, zu fremd, als daß du unter ihren kontrastirenden, Gift-kochenden Leidenschaften koͤnntest Aufnahme<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0113]
Streben nach Guͤtern dieser Erde, als ein thaͤtiges Mitgefuͤhl; ja, daß Geitz, so wie an Abscheulichkeit, auch an Allgemeinheit alle Laster uͤbertreffen. Wir fuͤhlten unsere Noth und wir konnten am besten Beobachtungen uͤber Menschenliebe und uͤber das entgegengesetzte Laster anstellen; wir machten sie, und fanden, wie selten man die alles versuͤßende Wuͤrkungen der erstern, und hingegen wie herrschend die alles verbitternde Wuͤrkungen der letztern antreffe; wie wenige die Seelenwonne genießen, die eine zaͤrtliche, innige Theilnehmung an dem Leiden des Bruders gewaͤhrt; wie viele gefuͤhllos auf den Elenden herabblicken und dabei die stolze Prunke der verhaͤltnismaͤßigen Groͤße ihrer Gluͤcksumstaͤnde empfinden, ohne zu denken, daß eben so zufaͤllig ihr Verhaͤltniß auch Jenes seyn koͤnne, und daß ganz ohne Hinsicht auf Verdienste das Weltgluͤck ausgetheilet sei; ohne zu denken, daß Reichthum, Ansehen, aller aͤußerlicher Prunk nicht das wahre Gluͤck des Menschen ausmachen, sondern nur Befoͤrderungsmittel desselben seyn koͤnnen; Guͤter sinds, und wahre Guͤter, wenn sie in der Sphaͤre dieser Bestimmung wuͤrken; sobald der Mensch ihre Subordination vergißt, so verfehlt er den Zweck seines Daseyns, anstatt gluͤcklich wird er ungluͤcklich. Nur du, Liebe! bist wahres einziges Mittel zum allgemeinen Schoͤpfungszweck, aber mißkennt von vielen, zu fremd, als daß du unter ihren kontrastirenden, Gift-kochenden Leidenschaften koͤnntest Aufnahme
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