Bekannten würde mich leicht ins größte Verderben gestürzt haben, wenn sie schlechte Menschen gewesen wären. Den meisten Gefahren, verführt zu werden, bin ich durch den Umgang mit vornehmen und gesitteten Frauenzimmern entgangen, die größtentheils älter als ich waren, und eine Art Autorität über mein Herz hatten. Eben dieses Gefühl von Autorität hielt mich zurück, mich verschiedenemahl nicht zu vergessen, als einige meiner Freundinnen mir gewisse Schwächen verriethen, wogegen unser Geschlecht nicht weniger als gleichgültig zu seyn scheint, zumahl wenn die Eindrücke der Liebe durch die Einsamkeit des Orts, durch die völlige Sicherheit, und durch die Lage des weiblichen verführerischen Körpers begünstigt werden. Jch dachte mir immer noch zu lebhaft die Verlegenheit, in welche ich kommen würde, wenn ein Frauenzimmer meine zärtlichen Anträge zurückwiese, und mir vielleicht auf ewig ihren Umgang untersagte; ich schämte mich schon vor den Gedanken einer zu weit getriebenen Berührung des weiblichen Körpers, - und dennoch habe ich nie meine Neugierde unterdrücken können, schlafende Frauenzimmer wenigstens in der Ferne zu beobachten. Jch habe mich dadurch oft in die augenscheinlichsten Gefahren gestürzt, aber ich habe mich lieber den größten Ausschweifungen meiner Phantasie überlassen, als auf eine leichtsinnige Art meine Hochachtung gegen das andere Geschlecht abzulegen, - selbst da bin ich standhaft geblieben,
Bekannten wuͤrde mich leicht ins groͤßte Verderben gestuͤrzt haben, wenn sie schlechte Menschen gewesen waͤren. Den meisten Gefahren, verfuͤhrt zu werden, bin ich durch den Umgang mit vornehmen und gesitteten Frauenzimmern entgangen, die groͤßtentheils aͤlter als ich waren, und eine Art Autoritaͤt uͤber mein Herz hatten. Eben dieses Gefuͤhl von Autoritaͤt hielt mich zuruͤck, mich verschiedenemahl nicht zu vergessen, als einige meiner Freundinnen mir gewisse Schwaͤchen verriethen, wogegen unser Geschlecht nicht weniger als gleichguͤltig zu seyn scheint, zumahl wenn die Eindruͤcke der Liebe durch die Einsamkeit des Orts, durch die voͤllige Sicherheit, und durch die Lage des weiblichen verfuͤhrerischen Koͤrpers beguͤnstigt werden. Jch dachte mir immer noch zu lebhaft die Verlegenheit, in welche ich kommen wuͤrde, wenn ein Frauenzimmer meine zaͤrtlichen Antraͤge zuruͤckwiese, und mir vielleicht auf ewig ihren Umgang untersagte; ich schaͤmte mich schon vor den Gedanken einer zu weit getriebenen Beruͤhrung des weiblichen Koͤrpers, – und dennoch habe ich nie meine Neugierde unterdruͤcken koͤnnen, schlafende Frauenzimmer wenigstens in der Ferne zu beobachten. Jch habe mich dadurch oft in die augenscheinlichsten Gefahren gestuͤrzt, aber ich habe mich lieber den groͤßten Ausschweifungen meiner Phantasie uͤberlassen, als auf eine leichtsinnige Art meine Hochachtung gegen das andere Geschlecht abzulegen, – selbst da bin ich standhaft geblieben,
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Bekannten wuͤrde mich leicht ins groͤßte Verderben gestuͤrzt haben, wenn sie schlechte Menschen gewesen waͤren. Den meisten Gefahren, verfuͤhrt zu werden, bin ich durch den Umgang mit vornehmen und gesitteten Frauenzimmern entgangen, die groͤßtentheils aͤlter als ich waren, und eine Art Autoritaͤt uͤber mein Herz hatten. Eben dieses Gefuͤhl von Autoritaͤt hielt mich zuruͤck, mich verschiedenemahl nicht zu vergessen, als einige meiner Freundinnen mir gewisse Schwaͤchen verriethen, wogegen unser Geschlecht nicht weniger als gleichguͤltig zu seyn scheint, zumahl wenn die Eindruͤcke der Liebe durch die Einsamkeit des Orts, durch die voͤllige Sicherheit, und durch die Lage des weiblichen verfuͤhrerischen Koͤrpers beguͤnstigt werden. Jch dachte mir immer noch zu lebhaft die Verlegenheit, in welche ich kommen wuͤrde, wenn ein Frauenzimmer meine zaͤrtlichen Antraͤge zuruͤckwiese, und mir vielleicht auf ewig ihren Umgang untersagte; ich schaͤmte mich schon vor den Gedanken einer zu weit getriebenen Beruͤhrung des weiblichen Koͤrpers, – und dennoch habe ich nie meine Neugierde unterdruͤcken koͤnnen, schlafende Frauenzimmer wenigstens in der Ferne zu beobachten. Jch habe mich dadurch oft in die augenscheinlichsten Gefahren gestuͤrzt, aber ich habe mich lieber den groͤßten Ausschweifungen meiner Phantasie uͤberlassen, als auf eine leichtsinnige Art meine Hochachtung gegen das andere Geschlecht <choice><corr>abzulegen,</corr><sic>zabeulgen [zu beleidigen lt. Druckfehlerverz. MzE 5.3]</sic></choice>– selbst da bin ich standhaft geblieben,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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Bekannten wuͤrde mich leicht ins groͤßte Verderben gestuͤrzt haben, wenn sie schlechte Menschen gewesen waͤren. Den meisten Gefahren, verfuͤhrt zu werden, bin ich durch den Umgang mit vornehmen und gesitteten Frauenzimmern entgangen, die groͤßtentheils aͤlter als ich waren, und eine Art Autoritaͤt uͤber mein Herz hatten. Eben dieses Gefuͤhl von Autoritaͤt hielt mich zuruͤck, mich verschiedenemahl nicht zu vergessen, als einige meiner Freundinnen mir gewisse Schwaͤchen verriethen, wogegen unser Geschlecht nicht weniger als gleichguͤltig zu seyn scheint, zumahl wenn die Eindruͤcke der Liebe durch die Einsamkeit des Orts, durch die voͤllige Sicherheit, und durch die Lage des weiblichen verfuͤhrerischen Koͤrpers beguͤnstigt werden. Jch dachte mir immer noch zu lebhaft die Verlegenheit, in welche ich kommen wuͤrde, wenn ein Frauenzimmer meine zaͤrtlichen Antraͤge zuruͤckwiese, und mir vielleicht auf ewig ihren Umgang untersagte; ich schaͤmte mich schon vor den Gedanken einer zu weit getriebenen Beruͤhrung des weiblichen Koͤrpers, – und dennoch habe ich nie meine Neugierde unterdruͤcken koͤnnen, schlafende Frauenzimmer wenigstens in der Ferne zu beobachten. Jch habe mich dadurch oft in die augenscheinlichsten Gefahren gestuͤrzt, aber ich habe mich lieber den groͤßten Ausschweifungen meiner Phantasie uͤberlassen, als auf eine leichtsinnige Art meine Hochachtung gegen das andere Geschlecht abzulegen, – selbst da bin ich standhaft geblieben,
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/98>, abgerufen am 16.02.2025.
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