Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Eine meiner Hauptleidenschaften, mit der ich zu kämpfen habe; - aber nicht gerne kämpfe, die mich oft unendlich glücklich, noch öfter aber unbeschreiblich unglücklich macht, - ist Ehrgeitz, Sucht nach Beifall, Eitelkeit. Jch fühle in dem Augenblick ein unnennbar süßes Vergnügen, wenn man mich vorzieht, wenn ein angesehener Mann mit mir in Gesellschaft spricht, wenn man mich mit Aufmerksamkeit anhört, wenn ein Zweiter, Dritter, Vierter meinen Behauptungen, (denen ich oft den Anstrich des Paradoxen zu geben suche,) nachgiebt, nichts mehr darauf zu antworten weiß; wenn ich einem Andern einen Sieg der Vernunft über den Glauben abgewinnen kann; - ein inneres Gefühl von Denkkraft
Eine meiner Hauptleidenschaften, mit der ich zu kaͤmpfen habe; – aber nicht gerne kaͤmpfe, die mich oft unendlich gluͤcklich, noch oͤfter aber unbeschreiblich ungluͤcklich macht, – ist Ehrgeitz, Sucht nach Beifall, Eitelkeit. Jch fuͤhle in dem Augenblick ein unnennbar suͤßes Vergnuͤgen, wenn man mich vorzieht, wenn ein angesehener Mann mit mir in Gesellschaft spricht, wenn man mich mit Aufmerksamkeit anhoͤrt, wenn ein Zweiter, Dritter, Vierter meinen Behauptungen, (denen ich oft den Anstrich des Paradoxen zu geben suche,) nachgiebt, nichts mehr darauf zu antworten weiß; wenn ich einem Andern einen Sieg der Vernunft uͤber den Glauben abgewinnen kann; – ein inneres Gefuͤhl von Denkkraft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0079" n="77"/><lb/> Zusammenhang</hi> dieser und jener staͤtigen oder unterbrochenen <hi rendition="#b">Jdeenreiche</hi> eines Wahnsinnigen oder andern Seelenkranken war, woraus gewisse neue oder noch nicht genug ins Licht gestellte psychologische Wahrheiten erlernt werden konnten; kurz, wenn sie nicht mit dem philosophischen Geiste geschrieben waren, mit <choice><corr>welchem</corr><sic>welchen</sic></choice> uns der Herr Hofrath Marcus Herz seine sonderbare Krankheitsgeschichte im zweiten Stuͤck des ersten Bandes der Erfahrungsseelenkunde, Seite 44 u.s.w. geschildert hat; so konnten sie wohl fuͤr die Wissenschaft nicht von großem Nutzen seyn. – – – Doch hier sind die Bekenntnisse.</p> <p rendition="#right"> <hi rendition="#b"> <persName ref="#ref0002"><note type="editorial">Pockels, Carl Friedrich</note>P.</persName> </hi> </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Eine meiner Hauptleidenschaften, mit der ich zu kaͤmpfen habe; – aber nicht gerne kaͤmpfe, die mich oft unendlich gluͤcklich, noch oͤfter aber unbeschreiblich ungluͤcklich macht, – ist <hi rendition="#b">Ehrgeitz, Sucht</hi> nach Beifall, <hi rendition="#b">Eitelkeit.</hi></p> <p>Jch fuͤhle in dem Augenblick ein unnennbar suͤßes Vergnuͤgen, wenn man mich <hi rendition="#b">vorzieht,</hi> wenn ein angesehener Mann mit mir in Gesellschaft spricht, wenn man mich mit Aufmerksamkeit anhoͤrt, wenn ein Zweiter, Dritter, Vierter meinen Behauptungen, (denen ich oft den Anstrich des Paradoxen zu geben suche,) nachgiebt, nichts mehr darauf zu antworten weiß; wenn ich einem Andern einen Sieg <choice><corr>der</corr><sic>den</sic></choice> <hi rendition="#b">Vernunft</hi> uͤber den <hi rendition="#b">Glauben</hi> abgewinnen kann; – ein inneres Gefuͤhl von Denkkraft<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0079]
Zusammenhang dieser und jener staͤtigen oder unterbrochenen Jdeenreiche eines Wahnsinnigen oder andern Seelenkranken war, woraus gewisse neue oder noch nicht genug ins Licht gestellte psychologische Wahrheiten erlernt werden konnten; kurz, wenn sie nicht mit dem philosophischen Geiste geschrieben waren, mit welchem uns der Herr Hofrath Marcus Herz seine sonderbare Krankheitsgeschichte im zweiten Stuͤck des ersten Bandes der Erfahrungsseelenkunde, Seite 44 u.s.w. geschildert hat; so konnten sie wohl fuͤr die Wissenschaft nicht von großem Nutzen seyn. – – – Doch hier sind die Bekenntnisse.
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Eine meiner Hauptleidenschaften, mit der ich zu kaͤmpfen habe; – aber nicht gerne kaͤmpfe, die mich oft unendlich gluͤcklich, noch oͤfter aber unbeschreiblich ungluͤcklich macht, – ist Ehrgeitz, Sucht nach Beifall, Eitelkeit.
Jch fuͤhle in dem Augenblick ein unnennbar suͤßes Vergnuͤgen, wenn man mich vorzieht, wenn ein angesehener Mann mit mir in Gesellschaft spricht, wenn man mich mit Aufmerksamkeit anhoͤrt, wenn ein Zweiter, Dritter, Vierter meinen Behauptungen, (denen ich oft den Anstrich des Paradoxen zu geben suche,) nachgiebt, nichts mehr darauf zu antworten weiß; wenn ich einem Andern einen Sieg der Vernunft uͤber den Glauben abgewinnen kann; – ein inneres Gefuͤhl von Denkkraft
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/79>, abgerufen am 16.02.2025. |