Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Es giebt wenige Menschen, - das delikate weibliche Geschlecht nicht ausgenommen, wenn es gleich oft eine äußere Schamhaftigkeit affektirt, - welche nicht an verschiedenen schmutzigen Ausdrücken einen, - wenigstens heimlichen Gefallen haben sollten. Der Witz der Kinder fängt sich hieran gemeiniglich zu üben an, und ich habe manchen hochgelahrten Mann gekannt, welcher darin Meister war; sonderlich wenn die Tafel - zu Ende ging. Aber woher jene geheime Neigung des Menschen zu schmutzigen Ausdrücken? Man muß mehrere physische und moralische, - oder besser, unmoralische Ursachen zusammennehmen. Oft kann uns schon die lächerliche Aufmerksamkeit Anderer, die gleich aufhorchen, sobald etwas Schmutziges gesagt werden soll, dazu anreitzen; noch öfter aber liegt der Grund der Anreitzung in dem Lächerlichen, welches ein schmutziges Wort, ein schmutziger Gedanke in sich schließt, obgleich der Grund des Lächerlichen nicht immer nach psychologischen Regeln angegeben werden kann. Manchmahl kann uns auch das lästige Gefühl eines Verbots, wovon wir uns so gern befreien, zu jenen Ausdrücken leicht verführen.
Es giebt wenige Menschen, – das delikate weibliche Geschlecht nicht ausgenommen, wenn es gleich oft eine aͤußere Schamhaftigkeit affektirt, – welche nicht an verschiedenen schmutzigen Ausdruͤcken einen, – wenigstens heimlichen Gefallen haben sollten. Der Witz der Kinder faͤngt sich hieran gemeiniglich zu uͤben an, und ich habe manchen hochgelahrten Mann gekannt, welcher darin Meister war; sonderlich wenn die Tafel – zu Ende ging. Aber woher jene geheime Neigung des Menschen zu schmutzigen Ausdruͤcken? Man muß mehrere physische und moralische, – oder besser, unmoralische Ursachen zusammennehmen. Oft kann uns schon die laͤcherliche Aufmerksamkeit Anderer, die gleich aufhorchen, sobald etwas Schmutziges gesagt werden soll, dazu anreitzen; noch oͤfter aber liegt der Grund der Anreitzung in dem Laͤcherlichen, welches ein schmutziges Wort, ein schmutziger Gedanke in sich schließt, obgleich der Grund des Laͤcherlichen nicht immer nach psychologischen Regeln angegeben werden kann. Manchmahl kann uns auch das laͤstige Gefuͤhl eines Verbots, wovon wir uns so gern befreien, zu jenen Ausdruͤcken leicht verfuͤhren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0073" n="71"/><lb/> zu jener Lebhaftigkeit beitragen; allein, ich erklaͤre sie mir mehr aus einer <hi rendition="#b">versteckten</hi> Neigung gefallen und unterhalten zu wollen.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Es giebt wenige Menschen, – das delikate weibliche Geschlecht nicht ausgenommen, wenn es gleich oft eine aͤußere Schamhaftigkeit affektirt, – welche nicht an verschiedenen schmutzigen Ausdruͤcken einen, – wenigstens heimlichen Gefallen haben sollten. Der Witz der Kinder faͤngt sich hieran gemeiniglich zu uͤben an, und ich habe manchen hochgelahrten Mann gekannt, welcher darin Meister war; sonderlich wenn die Tafel – zu Ende ging. Aber woher jene geheime Neigung des Menschen zu schmutzigen Ausdruͤcken? Man muß mehrere physische und moralische, – oder besser, unmoralische Ursachen zusammennehmen. Oft kann uns schon die <hi rendition="#b">laͤcherliche</hi> Aufmerksamkeit Anderer, die gleich aufhorchen, sobald etwas Schmutziges gesagt werden soll, dazu anreitzen; noch oͤfter aber liegt der Grund der Anreitzung in dem <hi rendition="#b">Laͤcherlichen,</hi> welches ein schmutziges Wort, ein schmutziger Gedanke in sich schließt, obgleich der Grund des Laͤcherlichen nicht immer nach psychologischen Regeln angegeben werden kann. Manchmahl kann uns auch das laͤstige Gefuͤhl eines Verbots, wovon wir uns so gern befreien, zu jenen Ausdruͤcken leicht verfuͤhren.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0073]
zu jener Lebhaftigkeit beitragen; allein, ich erklaͤre sie mir mehr aus einer versteckten Neigung gefallen und unterhalten zu wollen.
Es giebt wenige Menschen, – das delikate weibliche Geschlecht nicht ausgenommen, wenn es gleich oft eine aͤußere Schamhaftigkeit affektirt, – welche nicht an verschiedenen schmutzigen Ausdruͤcken einen, – wenigstens heimlichen Gefallen haben sollten. Der Witz der Kinder faͤngt sich hieran gemeiniglich zu uͤben an, und ich habe manchen hochgelahrten Mann gekannt, welcher darin Meister war; sonderlich wenn die Tafel – zu Ende ging. Aber woher jene geheime Neigung des Menschen zu schmutzigen Ausdruͤcken? Man muß mehrere physische und moralische, – oder besser, unmoralische Ursachen zusammennehmen. Oft kann uns schon die laͤcherliche Aufmerksamkeit Anderer, die gleich aufhorchen, sobald etwas Schmutziges gesagt werden soll, dazu anreitzen; noch oͤfter aber liegt der Grund der Anreitzung in dem Laͤcherlichen, welches ein schmutziges Wort, ein schmutziger Gedanke in sich schließt, obgleich der Grund des Laͤcherlichen nicht immer nach psychologischen Regeln angegeben werden kann. Manchmahl kann uns auch das laͤstige Gefuͤhl eines Verbots, wovon wir uns so gern befreien, zu jenen Ausdruͤcken leicht verfuͤhren.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/73>, abgerufen am 16.02.2025. |