Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.4) Lassen sich die meisten Ahndungen sehr natürlich und psychologisch erklären, ohne daß man jenes Vermögen, oder wohl gar Einwürkungen höherer Wesen anzunehmen nöthig hat. Dieser lezte Punkt sollte vornehmlich von allen Psychologen ernstlich erwogen werden, und ich will daher meinen Lesern einige Winke mittheilen, wie man billig bei Erklärung einer jeden Ahndung verfahren muß, wenn man sie richtig erklären will. a) Hat diese und jene Person, deren Ahndungen eingetroffen sind, auf keine Art und Weise ihr Unglück durch vorhergegangene und gegenwärtige Umstände oder auch Gemüthslagen vermuthen können; hat insbesondere in Absicht der leztern die Seele nicht die dunkle Vorstellung eines Unglücks repetirt, das sich schon einmahl mit der Person zutrug, und sich in einer gewissen Zeitfolge wieder zutragen konnte oder mußte? b) Jn welchem Seelenzustande befand sich der Ahndende, wenn er ein gewisses Vorgefühl von einem bevorstehenden Unglück zu haben glaubte. Was trug Melancholie, Einbildung, Hypochondrie dazu bei, sich erst ein Uebel überhaupt möglich zu denken, und hinterher sich ein bevorstehendes Uebel insbesondere vorzustellen; - wobei man zugleich genau untersuchen müßte: ob diese Vorstellung ohne ein vorhergegangenes dunk- 4) Lassen sich die meisten Ahndungen sehr natuͤrlich und psychologisch erklaͤren, ohne daß man jenes Vermoͤgen, oder wohl gar Einwuͤrkungen hoͤherer Wesen anzunehmen noͤthig hat. Dieser lezte Punkt sollte vornehmlich von allen Psychologen ernstlich erwogen werden, und ich will daher meinen Lesern einige Winke mittheilen, wie man billig bei Erklaͤrung einer jeden Ahndung verfahren muß, wenn man sie richtig erklaͤren will. a) Hat diese und jene Person, deren Ahndungen eingetroffen sind, auf keine Art und Weise ihr Ungluͤck durch vorhergegangene und gegenwaͤrtige Umstaͤnde oder auch Gemuͤthslagen vermuthen koͤnnen; hat insbesondere in Absicht der leztern die Seele nicht die dunkle Vorstellung eines Ungluͤcks repetirt, das sich schon einmahl mit der Person zutrug, und sich in einer gewissen Zeitfolge wieder zutragen konnte oder mußte? b) Jn welchem Seelenzustande befand sich der Ahndende, wenn er ein gewisses Vorgefuͤhl von einem bevorstehenden Ungluͤck zu haben glaubte. Was trug Melancholie, Einbildung, Hypochondrie dazu bei, sich erst ein Uebel uͤberhaupt moͤglich zu denken, und hinterher sich ein bevorstehendes Uebel insbesondere vorzustellen; – wobei man zugleich genau untersuchen muͤßte: ob diese Vorstellung ohne ein vorhergegangenes dunk- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <list> <pb facs="#f0007" n="5"/><lb/> <item>4) Lassen sich die meisten Ahndungen <hi rendition="#b">sehr natuͤrlich</hi> und <hi rendition="#b">psychologisch</hi> erklaͤren, ohne daß man jenes Vermoͤgen, oder wohl gar Einwuͤrkungen hoͤherer Wesen anzunehmen noͤthig hat. Dieser lezte Punkt sollte vornehmlich von allen Psychologen ernstlich erwogen werden, und ich will daher meinen Lesern einige Winke mittheilen, wie man billig bei Erklaͤrung einer jeden Ahndung verfahren muß, wenn man sie <hi rendition="#b">richtig</hi> erklaͤren will. <list><item><hi rendition="#aq">a)</hi> Hat diese und jene Person, deren Ahndungen <hi rendition="#b">eingetroffen</hi> sind, auf keine Art und Weise ihr Ungluͤck durch vorhergegangene und gegenwaͤrtige Umstaͤnde oder auch Gemuͤthslagen <hi rendition="#b">vermuthen</hi> koͤnnen; hat insbesondere in Absicht der leztern die Seele nicht die dunkle Vorstellung eines Ungluͤcks <hi rendition="#b">repetirt,</hi> das sich schon einmahl mit der Person zutrug, und sich in einer gewissen Zeitfolge wieder <hi rendition="#b">zutragen</hi> konnte oder <hi rendition="#b">mußte?</hi></item><item><hi rendition="#aq">b)</hi> Jn welchem <hi rendition="#b">Seelenzustande</hi> befand sich der Ahndende, wenn er ein gewisses Vorgefuͤhl von einem bevorstehenden Ungluͤck zu haben glaubte. Was trug <hi rendition="#b">Melancholie, Einbildung, Hypochondrie</hi> dazu bei, sich erst ein Uebel <hi rendition="#b">uͤberhaupt moͤglich</hi> zu denken, und hinterher sich ein bevorstehendes Uebel <hi rendition="#b">insbesondere</hi> vorzustellen; – wobei man zugleich genau untersuchen muͤßte: ob diese Vorstellung ohne ein vorhergegangenes dunk-<lb/></item></list></item> </list> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0007]
4) Lassen sich die meisten Ahndungen sehr natuͤrlich und psychologisch erklaͤren, ohne daß man jenes Vermoͤgen, oder wohl gar Einwuͤrkungen hoͤherer Wesen anzunehmen noͤthig hat. Dieser lezte Punkt sollte vornehmlich von allen Psychologen ernstlich erwogen werden, und ich will daher meinen Lesern einige Winke mittheilen, wie man billig bei Erklaͤrung einer jeden Ahndung verfahren muß, wenn man sie richtig erklaͤren will. a) Hat diese und jene Person, deren Ahndungen eingetroffen sind, auf keine Art und Weise ihr Ungluͤck durch vorhergegangene und gegenwaͤrtige Umstaͤnde oder auch Gemuͤthslagen vermuthen koͤnnen; hat insbesondere in Absicht der leztern die Seele nicht die dunkle Vorstellung eines Ungluͤcks repetirt, das sich schon einmahl mit der Person zutrug, und sich in einer gewissen Zeitfolge wieder zutragen konnte oder mußte?
b) Jn welchem Seelenzustande befand sich der Ahndende, wenn er ein gewisses Vorgefuͤhl von einem bevorstehenden Ungluͤck zu haben glaubte. Was trug Melancholie, Einbildung, Hypochondrie dazu bei, sich erst ein Uebel uͤberhaupt moͤglich zu denken, und hinterher sich ein bevorstehendes Uebel insbesondere vorzustellen; – wobei man zugleich genau untersuchen muͤßte: ob diese Vorstellung ohne ein vorhergegangenes dunk-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/7>, abgerufen am 16.07.2024. |