Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Er kam in die Predigergesellschaft merklich verändert zurück. Sein Gesicht war leichenblaß, er sprach nicht mehr, und schien äußerst bedächtig zu seyn. Die Gesellschaft erkundigte sich nach der Ursache seines jetzigen finstern in sich gekehrten Betragens, und erfuhr von ihm zum größten Erstaunen, daß sein Ende nahe sei, weil er eine außerordentliche Stimme darüber vernommen habe. Seine Collegen fingen laut zu lachen an, verwiesen ihm seine Leichtgläubigkeit, und entdeckten ihm den ganzen Handel. Allein - vergebens. Der Prediger glaubte nun einmahl, daß jene Stimme vom Him-
Er kam in die Predigergesellschaft merklich veraͤndert zuruͤck. Sein Gesicht war leichenblaß, er sprach nicht mehr, und schien aͤußerst bedaͤchtig zu seyn. Die Gesellschaft erkundigte sich nach der Ursache seines jetzigen finstern in sich gekehrten Betragens, und erfuhr von ihm zum groͤßten Erstaunen, daß sein Ende nahe sei, weil er eine außerordentliche Stimme daruͤber vernommen habe. Seine Collegen fingen laut zu lachen an, verwiesen ihm seine Leichtglaͤubigkeit, und entdeckten ihm den ganzen Handel. Allein – vergebens. Der Prediger glaubte nun einmahl, daß jene Stimme vom Him- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="63"/><lb/> gende Allee, in welcher ihn seine Confraters bedaͤchtig auf- und niedergehen sahen. Einer <choice><corr>unter</corr><sic>nnter</sic></choice> ihnen ein lustiger Kopf, beschloß einen Spaß mit ihm zu machen, welchen er auch sogleich ausfuͤhrte, und der darin bestand, daß er sich hinter ein Gestraͤuch an der Allee versteckte, und wie jener vorbei kam, ihm mit einer dumpfen Stimme zurief: <hi rendition="#b">Bestelle dein Haus, denn du mußt sterben!</hi> Der Wanderer ging voruͤber, <choice><corr>ohne merklich</corr><sic>ohnmerklich</sic></choice> erschrocken zu scheinen. Er kehrte um, und die hohle Stimme des Spaßmachers ließ sich noch einmahl hoͤren, und endlich zum drittenmahle. <hi rendition="#b">Es ist gut,</hi> antwortete der auf- und niedergehende Prediger, als ihm jener Ton noch einmahl entgegenkam, den er bei einer dreimahligen Wiederhohlung endlich fuͤr eine wuͤrkliche goͤttliche Stimme, und fuͤr ein deutliches Omen seines nahe bevorstehenden Todes betrachtete.</p> <p>Er kam in die Predigergesellschaft merklich veraͤndert zuruͤck. Sein Gesicht war leichenblaß, er sprach nicht mehr, und schien aͤußerst bedaͤchtig zu seyn. Die Gesellschaft erkundigte sich nach der Ursache seines jetzigen finstern in sich gekehrten Betragens, und erfuhr von ihm zum groͤßten Erstaunen, daß sein Ende nahe sei, weil er eine außerordentliche Stimme daruͤber vernommen habe. Seine Collegen fingen laut zu lachen an, verwiesen ihm seine Leichtglaͤubigkeit, und entdeckten ihm den ganzen Handel. Allein – vergebens. Der Prediger glaubte nun einmahl, daß jene Stimme vom Him-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0065]
gende Allee, in welcher ihn seine Confraters bedaͤchtig auf- und niedergehen sahen. Einer unter ihnen ein lustiger Kopf, beschloß einen Spaß mit ihm zu machen, welchen er auch sogleich ausfuͤhrte, und der darin bestand, daß er sich hinter ein Gestraͤuch an der Allee versteckte, und wie jener vorbei kam, ihm mit einer dumpfen Stimme zurief: Bestelle dein Haus, denn du mußt sterben! Der Wanderer ging voruͤber, ohne merklich erschrocken zu scheinen. Er kehrte um, und die hohle Stimme des Spaßmachers ließ sich noch einmahl hoͤren, und endlich zum drittenmahle. Es ist gut, antwortete der auf- und niedergehende Prediger, als ihm jener Ton noch einmahl entgegenkam, den er bei einer dreimahligen Wiederhohlung endlich fuͤr eine wuͤrkliche goͤttliche Stimme, und fuͤr ein deutliches Omen seines nahe bevorstehenden Todes betrachtete.
Er kam in die Predigergesellschaft merklich veraͤndert zuruͤck. Sein Gesicht war leichenblaß, er sprach nicht mehr, und schien aͤußerst bedaͤchtig zu seyn. Die Gesellschaft erkundigte sich nach der Ursache seines jetzigen finstern in sich gekehrten Betragens, und erfuhr von ihm zum groͤßten Erstaunen, daß sein Ende nahe sei, weil er eine außerordentliche Stimme daruͤber vernommen habe. Seine Collegen fingen laut zu lachen an, verwiesen ihm seine Leichtglaͤubigkeit, und entdeckten ihm den ganzen Handel. Allein – vergebens. Der Prediger glaubte nun einmahl, daß jene Stimme vom Him-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/65>, abgerufen am 19.07.2024. |