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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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Es erschien ihm nehmlich im Traume ein Mann von gewöhnlicher Gestalt und Kleidung, welcher ihm sagte: daß er sich etwas von ihm ausbitten möchte, und daß er nach seinem Gefallen Eins von Beiden wählen könnte,- entweder seine vergangenen oder künftigen Schicksale sich der Reihe nach vorgestellt zu sehen. Die Zukunft, erwiederte Seckendorff, wolle er Gott überlassen; aber angenehm würde es ihm seyn, wenn er noch einmahl sein ganzes vergangenes Leben wie in einem Gemählde vor sich sehen könnte. Sein Wunsch wurde ihm sogleich gewährt. Der erschienene Mann gab ihm einen Spiegel, und hierinn erblickte er nun die Scenen seines vergangenen Lebens, deren er sich im Wachen kaum mehr bewußt war, mit einer Deutlichkeit und Lebhaftigkeit vor sich, als wenn sie den Augenblick erst geschehen wären. Er sah sich als ein Kind von drei Jahren aufs genaueste mit allen Umständen seiner Erziehung. Jede Schulscene mit seinen Erziehern, jede verdrüßliche Begebenheit, die er in seiner Jugend erlebt hatte, ging in dem Spiegel lebhaft vor seinen Augen vorüber.

Bald darauf stellte ihm der Zauberspiegel in der Folge seines Lebens auch seinen Aufenthalt in Jtalien vor. Dort hatte er eine Geliebte zurückgelassen, die er gewiß geheurathet haben würde, wenn ihn nicht sein Schicksal aus Jtalien gerufen hätte. Dieses Frauenzimmer erblickte er auch während seines Traums auf einem Bette liegend. Sie winkte


Es erschien ihm nehmlich im Traume ein Mann von gewoͤhnlicher Gestalt und Kleidung, welcher ihm sagte: daß er sich etwas von ihm ausbitten moͤchte, und daß er nach seinem Gefallen Eins von Beiden waͤhlen koͤnnte,– entweder seine vergangenen oder kuͤnftigen Schicksale sich der Reihe nach vorgestellt zu sehen. Die Zukunft, erwiederte Seckendorff, wolle er Gott uͤberlassen; aber angenehm wuͤrde es ihm seyn, wenn er noch einmahl sein ganzes vergangenes Leben wie in einem Gemaͤhlde vor sich sehen koͤnnte. Sein Wunsch wurde ihm sogleich gewaͤhrt. Der erschienene Mann gab ihm einen Spiegel, und hierinn erblickte er nun die Scenen seines vergangenen Lebens, deren er sich im Wachen kaum mehr bewußt war, mit einer Deutlichkeit und Lebhaftigkeit vor sich, als wenn sie den Augenblick erst geschehen waͤren. Er sah sich als ein Kind von drei Jahren aufs genaueste mit allen Umstaͤnden seiner Erziehung. Jede Schulscene mit seinen Erziehern, jede verdruͤßliche Begebenheit, die er in seiner Jugend erlebt hatte, ging in dem Spiegel lebhaft vor seinen Augen voruͤber.

Bald darauf stellte ihm der Zauberspiegel in der Folge seines Lebens auch seinen Aufenthalt in Jtalien vor. Dort hatte er eine Geliebte zuruͤckgelassen, die er gewiß geheurathet haben wuͤrde, wenn ihn nicht sein Schicksal aus Jtalien gerufen haͤtte. Dieses Frauenzimmer erblickte er auch waͤhrend seines Traums auf einem Bette liegend. Sie winkte

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[56/0058] Es erschien ihm nehmlich im Traume ein Mann von gewoͤhnlicher Gestalt und Kleidung, welcher ihm sagte: daß er sich etwas von ihm ausbitten moͤchte, und daß er nach seinem Gefallen Eins von Beiden waͤhlen koͤnnte,– entweder seine vergangenen oder kuͤnftigen Schicksale sich der Reihe nach vorgestellt zu sehen. Die Zukunft, erwiederte Seckendorff, wolle er Gott uͤberlassen; aber angenehm wuͤrde es ihm seyn, wenn er noch einmahl sein ganzes vergangenes Leben wie in einem Gemaͤhlde vor sich sehen koͤnnte. Sein Wunsch wurde ihm sogleich gewaͤhrt. Der erschienene Mann gab ihm einen Spiegel, und hierinn erblickte er nun die Scenen seines vergangenen Lebens, deren er sich im Wachen kaum mehr bewußt war, mit einer Deutlichkeit und Lebhaftigkeit vor sich, als wenn sie den Augenblick erst geschehen waͤren. Er sah sich als ein Kind von drei Jahren aufs genaueste mit allen Umstaͤnden seiner Erziehung. Jede Schulscene mit seinen Erziehern, jede verdruͤßliche Begebenheit, die er in seiner Jugend erlebt hatte, ging in dem Spiegel lebhaft vor seinen Augen voruͤber. Bald darauf stellte ihm der Zauberspiegel in der Folge seines Lebens auch seinen Aufenthalt in Jtalien vor. Dort hatte er eine Geliebte zuruͤckgelassen, die er gewiß geheurathet haben wuͤrde, wenn ihn nicht sein Schicksal aus Jtalien gerufen haͤtte. Dieses Frauenzimmer erblickte er auch waͤhrend seines Traums auf einem Bette liegend. Sie winkte

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/58>, abgerufen am 25.11.2024.