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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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sich haben; - ob ich gleich nicht läugnen will, daß manchmahl auch ihre körperliche Form, ihr Gang, ihre Sprache, ihr Gliederbau und selbst ihr Anzug dazu etwas beitragen kann. Eigentlich ist aber doch das Gesicht der Ort, wo wir die Seele des Andern zu lesen glauben, und wonach wir gleichsam durch einen in uns liegenden Trieb den Character des Menschen zu beurtheilen aufgefodert werden.

Unter den Gesichtszügen Anderer, die uns eine unwillkührliche Abneigung gegen sie einflößen, bemerke ich nur als die vornehmsten den satyrischen, den brüsken, oder hochmüthigen, und endlich den Gesichtsausdruck der Einfalt und Dummheit. Von den Würkungen der Häßlichkeit auf unsere Einbildungskraft will ich noch etwas zum Beschlusse dieses Versuchs sagen.

Der satyrische Gesichtsausdruck, welcher entweder erzwungen, angenommen, oder natürlich seyn kann, zeichnet sich durch einen schelmisch verzogenen Mund, und durch eine Miene aus, welche die Tochter des Lächelns und der Verachtung zu seyn scheint. Sie ist nicht ganz der Ausdruck des bittern Höhngelächters, auch nicht der, eines bloßen Lächelns, welches sich allemahl durch eine stille Freundlichkeit des Auges auszeichnet; sondern ein Mittelding von beiden, so wie der satyrische Gedanke selbst oft ein Gemisch einer zweifachen Empfindung wird, nehmlich 1) der natürlichen und an


sich haben; – ob ich gleich nicht laͤugnen will, daß manchmahl auch ihre koͤrperliche Form, ihr Gang, ihre Sprache, ihr Gliederbau und selbst ihr Anzug dazu etwas beitragen kann. Eigentlich ist aber doch das Gesicht der Ort, wo wir die Seele des Andern zu lesen glauben, und wonach wir gleichsam durch einen in uns liegenden Trieb den Character des Menschen zu beurtheilen aufgefodert werden.

Unter den Gesichtszuͤgen Anderer, die uns eine unwillkuͤhrliche Abneigung gegen sie einfloͤßen, bemerke ich nur als die vornehmsten den satyrischen, den bruͤsken, oder hochmuͤthigen, und endlich den Gesichtsausdruck der Einfalt und Dummheit. Von den Wuͤrkungen der Haͤßlichkeit auf unsere Einbildungskraft will ich noch etwas zum Beschlusse dieses Versuchs sagen.

Der satyrische Gesichtsausdruck, welcher entweder erzwungen, angenommen, oder natuͤrlich seyn kann, zeichnet sich durch einen schelmisch verzogenen Mund, und durch eine Miene aus, welche die Tochter des Laͤchelns und der Verachtung zu seyn scheint. Sie ist nicht ganz der Ausdruck des bittern Hoͤhngelaͤchters, auch nicht der, eines bloßen Laͤchelns, welches sich allemahl durch eine stille Freundlichkeit des Auges auszeichnet; sondern ein Mittelding von beiden, so wie der satyrische Gedanke selbst oft ein Gemisch einer zweifachen Empfindung wird, nehmlich 1) der natuͤrlichen und an

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[44/0046] sich haben; – ob ich gleich nicht laͤugnen will, daß manchmahl auch ihre koͤrperliche Form, ihr Gang, ihre Sprache, ihr Gliederbau und selbst ihr Anzug dazu etwas beitragen kann. Eigentlich ist aber doch das Gesicht der Ort, wo wir die Seele des Andern zu lesen glauben, und wonach wir gleichsam durch einen in uns liegenden Trieb den Character des Menschen zu beurtheilen aufgefodert werden. Unter den Gesichtszuͤgen Anderer, die uns eine unwillkuͤhrliche Abneigung gegen sie einfloͤßen, bemerke ich nur als die vornehmsten den satyrischen, den bruͤsken, oder hochmuͤthigen, und endlich den Gesichtsausdruck der Einfalt und Dummheit. Von den Wuͤrkungen der Haͤßlichkeit auf unsere Einbildungskraft will ich noch etwas zum Beschlusse dieses Versuchs sagen. Der satyrische Gesichtsausdruck, welcher entweder erzwungen, angenommen, oder natuͤrlich seyn kann, zeichnet sich durch einen schelmisch verzogenen Mund, und durch eine Miene aus, welche die Tochter des Laͤchelns und der Verachtung zu seyn scheint. Sie ist nicht ganz der Ausdruck des bittern Hoͤhngelaͤchters, auch nicht der, eines bloßen Laͤchelns, welches sich allemahl durch eine stille Freundlichkeit des Auges auszeichnet; sondern ein Mittelding von beiden, so wie der satyrische Gedanke selbst oft ein Gemisch einer zweifachen Empfindung wird, nehmlich 1) der natuͤrlichen und an

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/46>, abgerufen am 23.11.2024.