Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Zur Seelenkrankheitskunde.
1. Unwillkürlicher Hang zum Stehlen und Geldleihen*).

Folgender Aufsatz enthält die Charakterzüge eines der sonderbarsten Menschen, welcher bei uns in B- lebt, und dessen Handlungen zum Theil stadtkundig sind. Dieser Mensch ist einige dreißig Jahr alt, klein und hager von Person, und auf seinem Gesichte drücken sich die Folgen einer heimlichen Leidenschaft ab, deren Ausschweifungen schon so viel tausend junge Leute entweder früh ins Grab

*) Man hat mehrere Beispiele eines solchen unwillkührlichen Hanges zum Stehlen. D. Semler erzählte einst in seinen Vorlesungen von einem berühmten reformirten Geistlichen, und zwar, wenn ich nicht irre, von Saurin, daß er gemeiniglich an den Oertern, wo er zu Tische eingeladen war, silberne Messer, Löffel und anderes Geschirr heimlich in seine Tasche gesteckt, und es nachher allemal mit tausend Entschuldigungen an den Eigenthümer zurückgesandt habe. P.

Zur Seelenkrankheitskunde.
1. Unwillkuͤrlicher Hang zum Stehlen und Geldleihen*).

Folgender Aufsatz enthaͤlt die Charakterzuͤge eines der sonderbarsten Menschen, welcher bei uns in B– lebt, und dessen Handlungen zum Theil stadtkundig sind. Dieser Mensch ist einige dreißig Jahr alt, klein und hager von Person, und auf seinem Gesichte druͤcken sich die Folgen einer heimlichen Leidenschaft ab, deren Ausschweifungen schon so viel tausend junge Leute entweder fruͤh ins Grab

*) Man hat mehrere Beispiele eines solchen unwillkuͤhrlichen Hanges zum Stehlen. D. Semler erzaͤhlte einst in seinen Vorlesungen von einem beruͤhmten reformirten Geistlichen, und zwar, wenn ich nicht irre, von Saurin, daß er gemeiniglich an den Oertern, wo er zu Tische eingeladen war, silberne Messer, Loͤffel und anderes Geschirr heimlich in seine Tasche gesteckt, und es nachher allemal mit tausend Entschuldigungen an den Eigenthuͤmer zuruͤckgesandt habe. P.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0023" n="21"/><lb/><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Zur Seelenkrankheitskunde.</head><lb/>
          <div n="3">
            <head>1.             Unwillku&#x0364;rlicher Hang zum Stehlen und Geldleihen*).<note place="foot"><p>*) Man hat mehrere Beispiele eines solchen unwillku&#x0364;hrlichen Hanges zum                         Stehlen. <hi rendition="#aq">D.</hi> <persName ref="#ref0152"><note type="editorial">Semler, Johann Salomo</note>Semler</persName>                         erza&#x0364;hlte einst in seinen Vorlesungen von einem beru&#x0364;hmten reformirten                         Geistlichen, und zwar, wenn ich nicht irre, von Saurin, daß er gemeiniglich                         an den Oertern, wo er zu Tische eingeladen war, silberne Messer, Lo&#x0364;ffel und                         anderes Geschirr heimlich in seine Tasche gesteckt, und es nachher allemal                         mit tausend Entschuldigungen an den Eigenthu&#x0364;mer zuru&#x0364;ckgesandt habe.</p><p rendition="#right"><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0162"><note type="editorial">Pockels, Carl Friedrich</note>P.</persName></hi></p></note></head><lb/>
            <note type="editorial">
              <bibl>
                <persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName>
              </bibl>
            </note>
            <p>Folgender Aufsatz entha&#x0364;lt die Charakterzu&#x0364;ge eines der                   sonderbarsten Menschen, welcher bei uns in B&#x2013; lebt, und dessen Handlungen zum                   Theil stadtkundig sind. Dieser Mensch ist einige dreißig Jahr alt, klein und hager                   von Person, und auf seinem Gesichte dru&#x0364;cken sich die Folgen einer heimlichen                   Leidenschaft ab, deren Ausschweifungen schon so viel tausend junge Leute entweder                   fru&#x0364;h ins Grab<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0023] Zur Seelenkrankheitskunde. 1. Unwillkuͤrlicher Hang zum Stehlen und Geldleihen*). Folgender Aufsatz enthaͤlt die Charakterzuͤge eines der sonderbarsten Menschen, welcher bei uns in B– lebt, und dessen Handlungen zum Theil stadtkundig sind. Dieser Mensch ist einige dreißig Jahr alt, klein und hager von Person, und auf seinem Gesichte druͤcken sich die Folgen einer heimlichen Leidenschaft ab, deren Ausschweifungen schon so viel tausend junge Leute entweder fruͤh ins Grab *) Man hat mehrere Beispiele eines solchen unwillkuͤhrlichen Hanges zum Stehlen. D. Semler erzaͤhlte einst in seinen Vorlesungen von einem beruͤhmten reformirten Geistlichen, und zwar, wenn ich nicht irre, von Saurin, daß er gemeiniglich an den Oertern, wo er zu Tische eingeladen war, silberne Messer, Loͤffel und anderes Geschirr heimlich in seine Tasche gesteckt, und es nachher allemal mit tausend Entschuldigungen an den Eigenthuͤmer zuruͤckgesandt habe. P.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/23
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/23>, abgerufen am 28.11.2024.