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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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sich einige Monate darauf würklich in andern Umständen - "Sehr oft, heißt es weiter, fand ihr Mann, wenn er von seinen Geschäften nach Hause kam, sie in Sterbensbetrachtungen vertieft, sehr oft auch in vielen Thränen, die sie jedoch nicht eigentlich wegen ihres, wie sie glaubte, bevorstehenden Todes willen vergoß, sondern NB vielmehr um einiger Gewissensangelegenheiten willen, die ihr beständigen Kummer verursachten". Ein Umstand, der hier sehr mit in Betrachtung kommt, weil er ihren Wunsch zu sterben, worauf sich höchst wahrscheinlich ihre ganze Ahndung gründete, nicht nur erzeugen, sondern auch verbunden mit dem Glauben an eine Ahndung auf die Kränklichkeit ihres Körpers wenigstens entfernt würken half.

Daß sie während ihrer neuen Schwangerschaft auch desto lebhafter an ihr Ende denkt, ist wieder etwas ganz gewöhnliches. Schwangere Frauenzimmer denken sehr häufig an den Tod. Jch kenne verschiedene, die sich würklich jedesmahl dazu vorbereiten, und sogar ihre Sterbekleider dazu zurechte zu legen pflegen.

Noch natürlicher und zuverläßiger mußte ihr Gedanke an einen bevorstehenden Tod vollends dadurch werden, daß sie nach der Geburt ein Geschwür im Unterleibe bekam, und daran die erstaunlichsten Schmerzen empfand. Nun sahe sie ja den Tod gleichsam vor Augen, und es war daher sehr natürlich, daß sie bei dem anhaltenden immer stär-


sich einige Monate darauf wuͤrklich in andern Umstaͤnden – »Sehr oft, heißt es weiter, fand ihr Mann, wenn er von seinen Geschaͤften nach Hause kam, sie in Sterbensbetrachtungen vertieft, sehr oft auch in vielen Thraͤnen, die sie jedoch nicht eigentlich wegen ihres, wie sie glaubte, bevorstehenden Todes willen vergoß, sondern NB vielmehr um einiger Gewissensangelegenheiten willen, die ihr bestaͤndigen Kummer verursachten«. Ein Umstand, der hier sehr mit in Betrachtung kommt, weil er ihren Wunsch zu sterben, worauf sich hoͤchst wahrscheinlich ihre ganze Ahndung gruͤndete, nicht nur erzeugen, sondern auch verbunden mit dem Glauben an eine Ahndung auf die Kraͤnklichkeit ihres Koͤrpers wenigstens entfernt wuͤrken half.

Daß sie waͤhrend ihrer neuen Schwangerschaft auch desto lebhafter an ihr Ende denkt, ist wieder etwas ganz gewoͤhnliches. Schwangere Frauenzimmer denken sehr haͤufig an den Tod. Jch kenne verschiedene, die sich wuͤrklich jedesmahl dazu vorbereiten, und sogar ihre Sterbekleider dazu zurechte zu legen pflegen.

Noch natuͤrlicher und zuverlaͤßiger mußte ihr Gedanke an einen bevorstehenden Tod vollends dadurch werden, daß sie nach der Geburt ein Geschwuͤr im Unterleibe bekam, und daran die erstaunlichsten Schmerzen empfand. Nun sahe sie ja den Tod gleichsam vor Augen, und es war daher sehr natuͤrlich, daß sie bei dem anhaltenden immer staͤr-

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[10/0012] sich einige Monate darauf wuͤrklich in andern Umstaͤnden – »Sehr oft, heißt es weiter, fand ihr Mann, wenn er von seinen Geschaͤften nach Hause kam, sie in Sterbensbetrachtungen vertieft, sehr oft auch in vielen Thraͤnen, die sie jedoch nicht eigentlich wegen ihres, wie sie glaubte, bevorstehenden Todes willen vergoß, sondern NB vielmehr um einiger Gewissensangelegenheiten willen, die ihr bestaͤndigen Kummer verursachten«. Ein Umstand, der hier sehr mit in Betrachtung kommt, weil er ihren Wunsch zu sterben, worauf sich hoͤchst wahrscheinlich ihre ganze Ahndung gruͤndete, nicht nur erzeugen, sondern auch verbunden mit dem Glauben an eine Ahndung auf die Kraͤnklichkeit ihres Koͤrpers wenigstens entfernt wuͤrken half. Daß sie waͤhrend ihrer neuen Schwangerschaft auch desto lebhafter an ihr Ende denkt, ist wieder etwas ganz gewoͤhnliches. Schwangere Frauenzimmer denken sehr haͤufig an den Tod. Jch kenne verschiedene, die sich wuͤrklich jedesmahl dazu vorbereiten, und sogar ihre Sterbekleider dazu zurechte zu legen pflegen. Noch natuͤrlicher und zuverlaͤßiger mußte ihr Gedanke an einen bevorstehenden Tod vollends dadurch werden, daß sie nach der Geburt ein Geschwuͤr im Unterleibe bekam, und daran die erstaunlichsten Schmerzen empfand. Nun sahe sie ja den Tod gleichsam vor Augen, und es war daher sehr natuͤrlich, daß sie bei dem anhaltenden immer staͤr-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/12>, abgerufen am 24.11.2024.