Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0118" n="116"/><lb/> glaubte. <choice><corr>»Essen</corr><sic>Essen</sic></choice> und Trinken, faͤhrt er fort, schmeckte mir nicht mehr, und wenn ja die große Angst des Gemuͤths zuweilen Hitze und Durst im Leibe machte; so hatte ich zum wenigsten doch vor den Speisen einen Ekel. Dachte ich, mein Lager sollte mir's lindern; so erschreckte mich Gott durch Traͤume. Bald schwamm ich in großen Wassern, bald brannte mir mein Hauptkuͤssen, oder ich befand mich sonst in Feuersnoth, bald soff ich die allerabscheulichsten Getraͤnke im Traum. –Jch fing an abscheulich im Gesichte auszusehen, so daß ich nicht mehr das Herz hatte, in den Spiegel zu sehen. Meine Schuͤler erschracken uͤber meine Gestalt. Einer meiner Auditoren hatte gar das Urtheil von mir gefaͤllt: daß ich im Gesichte aussaͤhe, wie man die Verdammten in der Hoͤlle manchmahl zu mahlen pflegte, welches mich schrecklich peinigte, und welches ich als lauter Merkmahle meiner Verdammniß ansahe«. Durch eine Predigt, die er zu halten uͤbernimmt, wird er wieder etwas ruhig; aber er sinkt in seinen traurigen Zustand bald wieder zuruͤck, da er eine melancholische Magd troͤsten will, die neben ihm an wohnt. <choice><corr>»Jch</corr><sic>Jch</sic></choice> erschrack uͤber sie, sagt er, daß mir alle Glieder meines Leibes zu zittern und zu beben anfingen. Es war, als spraͤche jemand zu mir, oder der Satan selbst: <hi rendition="#b">du unterstehest dich Andere zu troͤsten, und steckst selbst im Koth der Suͤnden bis uͤber die Ohren, ich will sie verlassen, und dich baß plagen!</hi> Jch konnte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0118]
glaubte. »Essen und Trinken, faͤhrt er fort, schmeckte mir nicht mehr, und wenn ja die große Angst des Gemuͤths zuweilen Hitze und Durst im Leibe machte; so hatte ich zum wenigsten doch vor den Speisen einen Ekel. Dachte ich, mein Lager sollte mir's lindern; so erschreckte mich Gott durch Traͤume. Bald schwamm ich in großen Wassern, bald brannte mir mein Hauptkuͤssen, oder ich befand mich sonst in Feuersnoth, bald soff ich die allerabscheulichsten Getraͤnke im Traum. –Jch fing an abscheulich im Gesichte auszusehen, so daß ich nicht mehr das Herz hatte, in den Spiegel zu sehen. Meine Schuͤler erschracken uͤber meine Gestalt. Einer meiner Auditoren hatte gar das Urtheil von mir gefaͤllt: daß ich im Gesichte aussaͤhe, wie man die Verdammten in der Hoͤlle manchmahl zu mahlen pflegte, welches mich schrecklich peinigte, und welches ich als lauter Merkmahle meiner Verdammniß ansahe«. Durch eine Predigt, die er zu halten uͤbernimmt, wird er wieder etwas ruhig; aber er sinkt in seinen traurigen Zustand bald wieder zuruͤck, da er eine melancholische Magd troͤsten will, die neben ihm an wohnt. »Jch erschrack uͤber sie, sagt er, daß mir alle Glieder meines Leibes zu zittern und zu beben anfingen. Es war, als spraͤche jemand zu mir, oder der Satan selbst: du unterstehest dich Andere zu troͤsten, und steckst selbst im Koth der Suͤnden bis uͤber die Ohren, ich will sie verlassen, und dich baß plagen! Jch konnte
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