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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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Tode im Rachen, und dem Satan in seine Klauen sich gestürzt, bald aber durch die mächtige Hand Gottes wieder erlöset und herausgerissen worden; dem die Sünde sein ganzes Leben, wie Lutherus redet, zu Schanden gemacht; der jederzeit die Sünde, und derselben nicht nach Wunsche los werden zu können, vor das größte Creutz der Christen auf Erden gehalten; der sich über der Sünde und bei dem göttlichenTrost, womit er wieder aufgerichtet worden, die Augen schier aus dem Kopfe geweint; der in dem Ofen des Elendes unter seltsamen Leibes- und Gemüthsplagen, ja unter den schrecklichsten Versuchungen, die nur jemahls einem Menschen begegnet oder in Büchern aufgeschrieben zu finden, beinahe Geist und Blut ausgeschwitzt".

"Mein Vater konnte zwar weder schreiben noch lesen; doch so einfältig er war, so war er gleichwohl in der Religion ein guter, oder noch vielmehr ein vollkommener Jndifferentiste. Die Mutter hingegen war eine eifrige Lutheranerinn, und dem Leben nach eine rechte Pietistinn, obwohl dieser Name damahls noch nicht bekannt war. Jch durfte in ihrer Gegenwart weder als ein Knabe noch als ein Jüngling Scherz und Narrentheidung treiben, sie strafte mich deswegen allemahl mit Nachdruck. Jch besinne mich, daß es mehr denn einmahl geschehen, daß sie bei Tische auf die Juden und Papisten zu reden kam, und zu uns Kindern sagte: daß diese Leute alle einst würden verdammt werden und in


Tode im Rachen, und dem Satan in seine Klauen sich gestuͤrzt, bald aber durch die maͤchtige Hand Gottes wieder erloͤset und herausgerissen worden; dem die Suͤnde sein ganzes Leben, wie Lutherus redet, zu Schanden gemacht; der jederzeit die Suͤnde, und derselben nicht nach Wunsche los werden zu koͤnnen, vor das groͤßte Creutz der Christen auf Erden gehalten; der sich uͤber der Suͤnde und bei dem goͤttlichenTrost, womit er wieder aufgerichtet worden, die Augen schier aus dem Kopfe geweint; der in dem Ofen des Elendes unter seltsamen Leibes- und Gemuͤthsplagen, ja unter den schrecklichsten Versuchungen, die nur jemahls einem Menschen begegnet oder in Buͤchern aufgeschrieben zu finden, beinahe Geist und Blut ausgeschwitzt«.

»Mein Vater konnte zwar weder schreiben noch lesen; doch so einfaͤltig er war, so war er gleichwohl in der Religion ein guter, oder noch vielmehr ein vollkommener Jndifferentiste. Die Mutter hingegen war eine eifrige Lutheranerinn, und dem Leben nach eine rechte Pietistinn, obwohl dieser Name damahls noch nicht bekannt war. Jch durfte in ihrer Gegenwart weder als ein Knabe noch als ein Juͤngling Scherz und Narrentheidung treiben, sie strafte mich deswegen allemahl mit Nachdruck. Jch besinne mich, daß es mehr denn einmahl geschehen, daß sie bei Tische auf die Juden und Papisten zu reden kam, und zu uns Kindern sagte: daß diese Leute alle einst wuͤrden verdammt werden und in

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[106/0108] Tode im Rachen, und dem Satan in seine Klauen sich gestuͤrzt, bald aber durch die maͤchtige Hand Gottes wieder erloͤset und herausgerissen worden; dem die Suͤnde sein ganzes Leben, wie Lutherus redet, zu Schanden gemacht; der jederzeit die Suͤnde, und derselben nicht nach Wunsche los werden zu koͤnnen, vor das groͤßte Creutz der Christen auf Erden gehalten; der sich uͤber der Suͤnde und bei dem goͤttlichenTrost, womit er wieder aufgerichtet worden, die Augen schier aus dem Kopfe geweint; der in dem Ofen des Elendes unter seltsamen Leibes- und Gemuͤthsplagen, ja unter den schrecklichsten Versuchungen, die nur jemahls einem Menschen begegnet oder in Buͤchern aufgeschrieben zu finden, beinahe Geist und Blut ausgeschwitzt«. »Mein Vater konnte zwar weder schreiben noch lesen; doch so einfaͤltig er war, so war er gleichwohl in der Religion ein guter, oder noch vielmehr ein vollkommener Jndifferentiste. Die Mutter hingegen war eine eifrige Lutheranerinn, und dem Leben nach eine rechte Pietistinn, obwohl dieser Name damahls noch nicht bekannt war. Jch durfte in ihrer Gegenwart weder als ein Knabe noch als ein Juͤngling Scherz und Narrentheidung treiben, sie strafte mich deswegen allemahl mit Nachdruck. Jch besinne mich, daß es mehr denn einmahl geschehen, daß sie bei Tische auf die Juden und Papisten zu reden kam, und zu uns Kindern sagte: daß diese Leute alle einst wuͤrden verdammt werden und in

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/108>, abgerufen am 26.11.2024.