Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.Aus einem Briefe. ![]() Der Recensent der Berliner Bibliothek, 69sten Bandes 1tes Stück, Seite 236 hält es für eine Uebertreibung, daß der Gegner des Herrn Salzmann behauptet hat: daß Eltern und Erzieher, männliche sowohl als weibliche, oft nicht nur selbst das Laster der Onanie ausübten, sondern auch ihren Zöglingen beibrächten. Ein in der That abscheulicher Gedanke! - und doch will ich Jhnen hierüber eine Erfahrung mittheilen, die wahrscheinlich in Jhrem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde nicht am unrechten Orte stehen wird, und zeigen kann, auf welch eine verschiedene Art junge Leute mit jenem Leib- und Seele-verderbenden Laster bekannt werden können. Meine Eltern haben mich freilich nicht dazu verführt, denn diese waren die keuschesten von der Welt; aber doch ein intimer Freund meiner Eltern, der sogar meines Vaters Beichtkind, und ich schäme mich es beinahe zu sagen, - ein alter Geistlicher war. Dieser Mann wohnte nur eine kleine halbe Stunde von meinen Eltern entfernt, und ich pflegte ihn als ein Knabe oft zu besuchen, weil er mir gemeiniglich Obst oder sonst etwas zu schenken pflegte, und weil mir vornehmlich sein weißes Brod ganz Aus einem Briefe. ![]() Der Recensent der Berliner Bibliothek, 69sten Bandes 1tes Stuͤck, Seite 236 haͤlt es fuͤr eine Uebertreibung, daß der Gegner des Herrn Salzmann behauptet hat: daß Eltern und Erzieher, maͤnnliche sowohl als weibliche, oft nicht nur selbst das Laster der Onanie ausuͤbten, sondern auch ihren Zoͤglingen beibraͤchten. Ein in der That abscheulicher Gedanke! – und doch will ich Jhnen hieruͤber eine Erfahrung mittheilen, die wahrscheinlich in Jhrem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde nicht am unrechten Orte stehen wird, und zeigen kann, auf welch eine verschiedene Art junge Leute mit jenem Leib- und Seele-verderbenden Laster bekannt werden koͤnnen. Meine Eltern haben mich freilich nicht dazu verfuͤhrt, denn diese waren die keuschesten von der Welt; aber doch ein intimer Freund meiner Eltern, der sogar meines Vaters Beichtkind, und ich schaͤme mich es beinahe zu sagen, – ein alter Geistlicher war. Dieser Mann wohnte nur eine kleine halbe Stunde von meinen Eltern entfernt, und ich pflegte ihn als ein Knabe oft zu besuchen, weil er mir gemeiniglich Obst oder sonst etwas zu schenken pflegte, und weil mir vornehmlich sein weißes Brod ganz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0102" n="100"/><lb/><lb/> </div> <div n="3"> <head>Aus einem Briefe.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref126"><note type="editorial"/>N-kirch</persName> </bibl> </note> <p>Der Recensent der Berliner Bibliothek, 69sten Bandes 1tes Stuͤck, Seite 236 haͤlt es fuͤr eine Uebertreibung, daß der Gegner des Herrn Salzmann behauptet hat: daß Eltern und Erzieher, maͤnnliche sowohl als weibliche, oft nicht nur selbst das Laster der Onanie ausuͤbten, sondern auch ihren Zoͤglingen beibraͤchten. Ein in der That abscheulicher Gedanke! – und doch will ich Jhnen hieruͤber eine Erfahrung mittheilen, die wahrscheinlich in Jhrem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde nicht am unrechten Orte stehen wird, und zeigen kann, auf welch eine verschiedene Art junge Leute mit jenem Leib- und Seele-verderbenden Laster bekannt werden koͤnnen.</p> <p>Meine Eltern haben mich freilich nicht dazu verfuͤhrt, denn diese waren die keuschesten von der Welt; aber doch ein intimer Freund meiner Eltern, der sogar meines Vaters Beichtkind, und ich schaͤme mich es beinahe zu sagen, – ein alter Geistlicher war.</p> <p>Dieser Mann wohnte nur eine kleine halbe Stunde von meinen Eltern entfernt, und ich pflegte ihn als ein Knabe oft zu besuchen, weil er mir gemeiniglich Obst oder sonst etwas zu schenken pflegte, und weil mir vornehmlich sein weißes Brod ganz<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0102]
Aus einem Briefe.
Der Recensent der Berliner Bibliothek, 69sten Bandes 1tes Stuͤck, Seite 236 haͤlt es fuͤr eine Uebertreibung, daß der Gegner des Herrn Salzmann behauptet hat: daß Eltern und Erzieher, maͤnnliche sowohl als weibliche, oft nicht nur selbst das Laster der Onanie ausuͤbten, sondern auch ihren Zoͤglingen beibraͤchten. Ein in der That abscheulicher Gedanke! – und doch will ich Jhnen hieruͤber eine Erfahrung mittheilen, die wahrscheinlich in Jhrem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde nicht am unrechten Orte stehen wird, und zeigen kann, auf welch eine verschiedene Art junge Leute mit jenem Leib- und Seele-verderbenden Laster bekannt werden koͤnnen.
Meine Eltern haben mich freilich nicht dazu verfuͤhrt, denn diese waren die keuschesten von der Welt; aber doch ein intimer Freund meiner Eltern, der sogar meines Vaters Beichtkind, und ich schaͤme mich es beinahe zu sagen, – ein alter Geistlicher war.
Dieser Mann wohnte nur eine kleine halbe Stunde von meinen Eltern entfernt, und ich pflegte ihn als ein Knabe oft zu besuchen, weil er mir gemeiniglich Obst oder sonst etwas zu schenken pflegte, und weil mir vornehmlich sein weißes Brod ganz
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/102>, abgerufen am 16.07.2024. |