Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Nun träumt er in der einen Nacht, als ob ihm jemand sage: er möchte in die ** Straße, in das ** Haus gehen: beides, Straße und Haus waren ihm so deutlich durch bekanntere Häuser bezeichnet, daß er nicht irren konnte. Jn dem Hause nun solle er zwei Treppen hinaufgehn, sich aber auf der zweiten in acht nehmen, daß er nicht herunterfalle, und so würde er das nöthige Geld erhalten. Am Morgen des folgenden Tages, da ihn dieser Traum noch ganz beschäftigt, kommt einer seiner Freunde zu ihm, dem er diese seine Traumgeschichte erzählt, und von dem er zugleich erfährt, wer in dem bezeichneten Hause in der zweiten Etage wohne; denn selbst wußte er dies nicht. Der Mann, den er da finden und der ihm Geld leihen sollte, war ihm so sehr unbekannt, daß er sich nur erinnerte, ihn ein einzigmal in einer grossen Gesellschaft gesehn zu haben; und da er von Träumen und Ahndungen nichts hielt: so fand er's nicht rathsam, deshalb zu einem ihm völlig Unbekannten hinzugehn.
Nun traͤumt er in der einen Nacht, als ob ihm jemand sage: er moͤchte in die ** Straße, in das ** Haus gehen: beides, Straße und Haus waren ihm so deutlich durch bekanntere Haͤuser bezeichnet, daß er nicht irren konnte. Jn dem Hause nun solle er zwei Treppen hinaufgehn, sich aber auf der zweiten in acht nehmen, daß er nicht herunterfalle, und so wuͤrde er das noͤthige Geld erhalten. Am Morgen des folgenden Tages, da ihn dieser Traum noch ganz beschaͤftigt, kommt einer seiner Freunde zu ihm, dem er diese seine Traumgeschichte erzaͤhlt, und von dem er zugleich erfaͤhrt, wer in dem bezeichneten Hause in der zweiten Etage wohne; denn selbst wußte er dies nicht. Der Mann, den er da finden und der ihm Geld leihen sollte, war ihm so sehr unbekannt, daß er sich nur erinnerte, ihn ein einzigmal in einer grossen Gesellschaft gesehn zu haben; und da er von Traͤumen und Ahndungen nichts hielt: so fand er's nicht rathsam, deshalb zu einem ihm voͤllig Unbekannten hinzugehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0076" n="76"/><lb/> Zwar hatte er Freunde, aber sie waren nicht in dem Zustande, daß sie ihm eine so ansehnliche Summe sogleich haͤtten vorschießen koͤnnen. Er suchte alle noch so entfernte, beguͤterte Bekannte auf; und die Zeit der Berechnungskasse nahete bis auf wenige Tage heran, ohne daß er Huͤlfe zu finden wußte. </p> <p>Nun traͤumt er in der einen Nacht, als ob ihm jemand sage: er moͤchte in die <hi rendition="#b">**</hi> Straße, in das <hi rendition="#b">**</hi> Haus gehen: beides, Straße und Haus waren ihm so deutlich durch bekanntere Haͤuser bezeichnet, daß er nicht irren konnte. Jn dem Hause nun solle er zwei Treppen hinaufgehn, sich aber auf der <choice><corr>zweiten</corr><sic>zweite</sic></choice> in acht nehmen, daß er nicht herunterfalle, und so wuͤrde er das noͤthige Geld erhalten. </p> <p>Am Morgen des folgenden Tages, da ihn dieser Traum noch ganz beschaͤftigt, kommt einer seiner Freunde zu ihm, dem er diese seine Traumgeschichte erzaͤhlt, und von dem er zugleich erfaͤhrt, wer in dem bezeichneten Hause in der zweiten Etage wohne; denn selbst wußte er dies nicht. Der Mann, den er da finden und der ihm Geld leihen sollte, war ihm so sehr unbekannt, daß er sich nur erinnerte, ihn ein einzigmal in einer grossen Gesellschaft gesehn zu haben; und da er von Traͤumen und Ahndungen nichts hielt: so fand er's nicht rathsam, deshalb zu einem ihm voͤllig Unbekannten hinzugehn. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0076]
Zwar hatte er Freunde, aber sie waren nicht in dem Zustande, daß sie ihm eine so ansehnliche Summe sogleich haͤtten vorschießen koͤnnen. Er suchte alle noch so entfernte, beguͤterte Bekannte auf; und die Zeit der Berechnungskasse nahete bis auf wenige Tage heran, ohne daß er Huͤlfe zu finden wußte.
Nun traͤumt er in der einen Nacht, als ob ihm jemand sage: er moͤchte in die ** Straße, in das ** Haus gehen: beides, Straße und Haus waren ihm so deutlich durch bekanntere Haͤuser bezeichnet, daß er nicht irren konnte. Jn dem Hause nun solle er zwei Treppen hinaufgehn, sich aber auf der zweiten in acht nehmen, daß er nicht herunterfalle, und so wuͤrde er das noͤthige Geld erhalten.
Am Morgen des folgenden Tages, da ihn dieser Traum noch ganz beschaͤftigt, kommt einer seiner Freunde zu ihm, dem er diese seine Traumgeschichte erzaͤhlt, und von dem er zugleich erfaͤhrt, wer in dem bezeichneten Hause in der zweiten Etage wohne; denn selbst wußte er dies nicht. Der Mann, den er da finden und der ihm Geld leihen sollte, war ihm so sehr unbekannt, daß er sich nur erinnerte, ihn ein einzigmal in einer grossen Gesellschaft gesehn zu haben; und da er von Traͤumen und Ahndungen nichts hielt: so fand er's nicht rathsam, deshalb zu einem ihm voͤllig Unbekannten hinzugehn.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/76>, abgerufen am 16.02.2025. |