Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0041" n="41"/><lb/> Meine Erziehung und Liebe zur Natur machte, daß ich noch hier die Sommertage meistens unter freyem Himmel zubrachte, und einen Dichter in der Hand bald an den Ufern des Flusses, bald in den Schatten des Waldes herumirrte. Hier regten sich Gefuͤhle, die ich zu beschreiben nicht im Stande bin. Aber eben diese empfindliche Stimmung meiner Seele war es, die mich ungluͤcklich machte. Jch fuͤhlte bald in mir eine Leere, die ich nicht auszufuͤllen wußte, ein Sehnen nach etwas, das ich nicht kannte. Jch beweinte oft in der Einsamkeit mein Schicksal, das doch aͤußerlich so gut war — Triebe wurden in mir rege, die ich vorher nie gekannt hatte, Begierden, die durch Traͤume erweckt wurden. Um diese zu stillen, ergriff ich unerfahrner, mit meiner Natur ganz unbekannter Juͤngling (denn auf dieser ansehnlichen Schule machte man die Jugend mit Kenntniß der Natur, des menschlichen Koͤrpers u.s.w. eben so wenig bekannt als in der Winkelschule, die ich in meiner Kindheit zuerst zu besuchen die Ehre hatte) gerade da ich Niemand hatte, der das Aufwachen meiner Natur bemerkt und ihm eine weise Richtung gegeben haͤtte, das unnatuͤrlichste Mittel, und trieb von Zeit zu Zeit insgeheim ein Laster, das auf dieser Schule herrschend war. Es geschah nur selten, geschahe aber doch, und zwar, ohne zu wissen, daß es schaͤdlich, daß es Suͤnde waͤre, ohngeachtet mich bei diesem schaͤndlichen Haͤndewerk oft eine uner<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0041]
Meine Erziehung und Liebe zur Natur machte, daß ich noch hier die Sommertage meistens unter freyem Himmel zubrachte, und einen Dichter in der Hand bald an den Ufern des Flusses, bald in den Schatten des Waldes herumirrte. Hier regten sich Gefuͤhle, die ich zu beschreiben nicht im Stande bin. Aber eben diese empfindliche Stimmung meiner Seele war es, die mich ungluͤcklich machte. Jch fuͤhlte bald in mir eine Leere, die ich nicht auszufuͤllen wußte, ein Sehnen nach etwas, das ich nicht kannte. Jch beweinte oft in der Einsamkeit mein Schicksal, das doch aͤußerlich so gut war — Triebe wurden in mir rege, die ich vorher nie gekannt hatte, Begierden, die durch Traͤume erweckt wurden. Um diese zu stillen, ergriff ich unerfahrner, mit meiner Natur ganz unbekannter Juͤngling (denn auf dieser ansehnlichen Schule machte man die Jugend mit Kenntniß der Natur, des menschlichen Koͤrpers u.s.w. eben so wenig bekannt als in der Winkelschule, die ich in meiner Kindheit zuerst zu besuchen die Ehre hatte) gerade da ich Niemand hatte, der das Aufwachen meiner Natur bemerkt und ihm eine weise Richtung gegeben haͤtte, das unnatuͤrlichste Mittel, und trieb von Zeit zu Zeit insgeheim ein Laster, das auf dieser Schule herrschend war. Es geschah nur selten, geschahe aber doch, und zwar, ohne zu wissen, daß es schaͤdlich, daß es Suͤnde waͤre, ohngeachtet mich bei diesem schaͤndlichen Haͤndewerk oft eine uner
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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