Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Einst traf ich einen jungen Menschen in dem Winkel eines Gartens an, der sich mit der Selbstverderbung befleckte; allein ich ging ganz gleichgültig vorüber, ohne, was er vornahm, zu verstehen. Jndeß mochte dieß Gesicht einen Eindruck zurückgelassen haben, der mir in der Folge sehr nachtheilig wurde. Unter solchen Umständen erreichte ich mein vierzehntes Jahr. Jtzt stieg auf einmal der Gedanke in mir auf, was ferner aus mir werden sollte? "So, dachte ich, kanns unmöglich bleiben, du lernst hier nichts weiter, und sollst doch studiren!" Jch lag meiner Mutter an, mich auf eine andre Schule zu schicken; allein ihre Umstände machten es ihr unmöglich. Zwar hatte ich Gelegenheit, Oekonomie und Kaufmannschaft zu lernen; aber es wurde mir versagt. Dieses alles machte mich nun äußerst niedergeschlagen; zumal da meine Pflegemutter anfing, mit mir unzufrieden zu werden, weil ich itzt zu viel Ehrgeitz hatte, um, wie sonst, mit dem Milchtopf ins Backhaus, mit dem Teller zum Fleischer und dem Napfe zum Kaufmann zu gehen. Jch weinte fast immer, vergaß die Gesellschaft meiner Gespielen, ging ganz allein, und wurde immer ernsthafter. Meine Lernbegierde
Einst traf ich einen jungen Menschen in dem Winkel eines Gartens an, der sich mit der Selbstverderbung befleckte; allein ich ging ganz gleichguͤltig voruͤber, ohne, was er vornahm, zu verstehen. Jndeß mochte dieß Gesicht einen Eindruck zuruͤckgelassen haben, der mir in der Folge sehr nachtheilig wurde. Unter solchen Umstaͤnden erreichte ich mein vierzehntes Jahr. Jtzt stieg auf einmal der Gedanke in mir auf, was ferner aus mir werden sollte? »So, dachte ich, kanns unmoͤglich bleiben, du lernst hier nichts weiter, und sollst doch studiren!« Jch lag meiner Mutter an, mich auf eine andre Schule zu schicken; allein ihre Umstaͤnde machten es ihr unmoͤglich. Zwar hatte ich Gelegenheit, Oekonomie und Kaufmannschaft zu lernen; aber es wurde mir versagt. Dieses alles machte mich nun aͤußerst niedergeschlagen; zumal da meine Pflegemutter anfing, mit mir unzufrieden zu werden, weil ich itzt zu viel Ehrgeitz hatte, um, wie sonst, mit dem Milchtopf ins Backhaus, mit dem Teller zum Fleischer und dem Napfe zum Kaufmann zu gehen. Jch weinte fast immer, vergaß die Gesellschaft meiner Gespielen, ging ganz allein, und wurde immer ernsthafter. Meine Lernbegierde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0038" n="38"/><lb/> und schmiß dermaßen auf sie los, daß sie die Flucht ergriffen. Sie verklagten mich bei meiner Pflegemutter, und gaben vor, sie haͤtten mich nur kitzeln wollen; ich bekam daher noch dazu derbe Verweise. </p> <p>Einst traf ich einen jungen Menschen in dem Winkel eines Gartens an, der sich mit der Selbstverderbung befleckte; allein ich ging ganz gleichguͤltig voruͤber, ohne, was er vornahm, zu verstehen. Jndeß mochte dieß Gesicht einen Eindruck zuruͤckgelassen haben, der mir in der Folge sehr nachtheilig wurde. </p> <p>Unter solchen Umstaͤnden erreichte ich mein vierzehntes Jahr. Jtzt stieg auf einmal der Gedanke in mir auf, was ferner aus mir werden sollte? »So, dachte ich, kanns unmoͤglich bleiben, du lernst hier nichts weiter, und sollst doch studiren!« Jch lag meiner Mutter an, mich auf eine andre Schule zu schicken; allein ihre Umstaͤnde machten es ihr unmoͤglich. Zwar hatte ich Gelegenheit, Oekonomie und Kaufmannschaft zu lernen; aber es wurde mir versagt. Dieses alles machte mich nun aͤußerst niedergeschlagen; zumal da meine Pflegemutter anfing, mit mir unzufrieden zu werden, weil ich itzt zu viel Ehrgeitz hatte, um, wie sonst, mit dem Milchtopf ins Backhaus, mit dem Teller zum Fleischer und dem Napfe zum Kaufmann zu gehen. Jch weinte fast immer, vergaß die Gesellschaft meiner Gespielen, ging ganz allein, und wurde immer ernsthafter. Meine Lernbegierde<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0038]
und schmiß dermaßen auf sie los, daß sie die Flucht ergriffen. Sie verklagten mich bei meiner Pflegemutter, und gaben vor, sie haͤtten mich nur kitzeln wollen; ich bekam daher noch dazu derbe Verweise.
Einst traf ich einen jungen Menschen in dem Winkel eines Gartens an, der sich mit der Selbstverderbung befleckte; allein ich ging ganz gleichguͤltig voruͤber, ohne, was er vornahm, zu verstehen. Jndeß mochte dieß Gesicht einen Eindruck zuruͤckgelassen haben, der mir in der Folge sehr nachtheilig wurde.
Unter solchen Umstaͤnden erreichte ich mein vierzehntes Jahr. Jtzt stieg auf einmal der Gedanke in mir auf, was ferner aus mir werden sollte? »So, dachte ich, kanns unmoͤglich bleiben, du lernst hier nichts weiter, und sollst doch studiren!« Jch lag meiner Mutter an, mich auf eine andre Schule zu schicken; allein ihre Umstaͤnde machten es ihr unmoͤglich. Zwar hatte ich Gelegenheit, Oekonomie und Kaufmannschaft zu lernen; aber es wurde mir versagt. Dieses alles machte mich nun aͤußerst niedergeschlagen; zumal da meine Pflegemutter anfing, mit mir unzufrieden zu werden, weil ich itzt zu viel Ehrgeitz hatte, um, wie sonst, mit dem Milchtopf ins Backhaus, mit dem Teller zum Fleischer und dem Napfe zum Kaufmann zu gehen. Jch weinte fast immer, vergaß die Gesellschaft meiner Gespielen, ging ganz allein, und wurde immer ernsthafter. Meine Lernbegierde
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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