Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite


und vollständig wieder in unser Gedächtniß zurückgefallen ist, auch zu demjenigen, was wir nun gleichsam erst ruhig besitzen, was wir nicht erst künftig bekommen sollen, sondern schon wirklich haben.

Haben -- bekommen

Vergangenheit -- Zukunft.

Allein dasjenige Vergangne, was nicht sowohl von uns ausgegangen, als vielmehr in uns geblieben, oder sogleich wieder in uns zurückgefallen ist, bezeichnet die Deutsche Sprache lieber durch den Mittelbegriff des gegenwärtigen seyns, als durch den Begriff des habens, als

ich bin gegangen,

ich bin gekommen, und so auch:

ich bin gewesen --

Gehen und kommen sind zwar Aeußerungen unsrer thätigen Kraft, die aber immer in sich selbst zurückfallen, um sich von neuem zu äußern, ohne daß sie auf einen Gegenstand außer uns unmittelbar wirkten. -- Das Gehen z.B. ist vielmehr eine Rückwirkung unsrer bewegenden Kräfte auf sich selbst, wodurch unser Körper irgend einem Ziele, wohin sich unsre thätige Kraft richtet, näher gebracht wird. -- Daher bin ich gekommen, bin gegangen; und das völlig vergangne kommen, und vergangne gehen, gehört mehr zu meinem gegenwärtigen seyn, als zu meinem gegenwärtigen haben, weil es mehr in mir geblieben, als von mir ausge-


und vollstaͤndig wieder in unser Gedaͤchtniß zuruͤckgefallen ist, auch zu demjenigen, was wir nun gleichsam erst ruhig besitzen, was wir nicht erst kuͤnftig bekommen sollen, sondern schon wirklich haben.

Haben — bekommen

Vergangenheit — Zukunft.

Allein dasjenige Vergangne, was nicht sowohl von uns ausgegangen, als vielmehr in uns geblieben, oder sogleich wieder in uns zuruͤckgefallen ist, bezeichnet die Deutsche Sprache lieber durch den Mittelbegriff des gegenwaͤrtigen seyns, als durch den Begriff des habens, als

ich bin gegangen,

ich bin gekommen, und so auch:

ich bin gewesen —

Gehen und kommen sind zwar Aeußerungen unsrer thaͤtigen Kraft, die aber immer in sich selbst zuruͤckfallen, um sich von neuem zu aͤußern, ohne daß sie auf einen Gegenstand außer uns unmittelbar wirkten. — Das Gehen z.B. ist vielmehr eine Ruͤckwirkung unsrer bewegenden Kraͤfte auf sich selbst, wodurch unser Koͤrper irgend einem Ziele, wohin sich unsre thaͤtige Kraft richtet, naͤher gebracht wird. — Daher bin ich gekommen, bin gegangen; und das voͤllig vergangne kommen, und vergangne gehen, gehoͤrt mehr zu meinem gegenwaͤrtigen seyn, als zu meinem gegenwaͤrtigen haben, weil es mehr in mir geblieben, als von mir ausge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0113" n="113"/><lb/>
und vollsta&#x0364;ndig wieder                         in unser Geda&#x0364;chtniß zuru&#x0364;ckgefallen ist, auch zu demjenigen, was wir nun                         gleichsam erst ruhig besitzen, was wir nicht erst <hi rendition="#b">ku&#x0364;nftig                             bekommen</hi> sollen, sondern schon wirklich <hi rendition="#b">haben.</hi> </p>
            <p> <hi rendition="#b">Haben &#x2014; bekommen </hi> </p>
            <p>Vergangenheit &#x2014; Zukunft. </p>
            <p>Allein dasjenige Vergangne, was nicht sowohl von uns ausgegangen, als                         vielmehr in uns geblieben, oder sogleich wieder in uns zuru&#x0364;ckgefallen ist,                         bezeichnet die Deutsche Sprache lieber durch den Mittelbegriff des <hi rendition="#b">gegenwa&#x0364;rtigen seyns,</hi> als durch den Begriff des <hi rendition="#b">habens,</hi> als </p>
            <p>ich bin gegangen, </p>
            <p>ich bin gekommen, und so auch: </p>
            <p>ich bin gewesen &#x2014; </p>
            <p><hi rendition="#b">Gehen</hi> und <hi rendition="#b">kommen</hi> sind zwar                         Aeußerungen unsrer tha&#x0364;tigen Kraft, die aber immer in sich selbst                         zuru&#x0364;ckfallen, um sich von neuem zu a&#x0364;ußern, ohne daß sie auf einen Gegenstand                         außer uns unmittelbar wirkten. &#x2014; Das Gehen z.B. ist vielmehr eine <hi rendition="#b">Ru&#x0364;ckwirkung</hi> unsrer bewegenden Kra&#x0364;fte auf sich selbst,                         wodurch unser Ko&#x0364;rper irgend einem Ziele, wohin sich unsre tha&#x0364;tige Kraft                         richtet, na&#x0364;her gebracht wird. &#x2014; Daher <hi rendition="#b">bin ich gekommen,                             bin gegangen;</hi> und das vo&#x0364;llig vergangne <hi rendition="#b">kommen,</hi> und vergangne <hi rendition="#b">gehen,</hi> geho&#x0364;rt                         mehr zu meinem gegenwa&#x0364;rtigen <hi rendition="#b">seyn,</hi> als zu meinem                         gegenwa&#x0364;rtigen <hi rendition="#b">haben,</hi> weil es mehr <hi rendition="#b">in mir geblieben,</hi> als <hi rendition="#b">von mir ausge-<lb/></hi></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0113] und vollstaͤndig wieder in unser Gedaͤchtniß zuruͤckgefallen ist, auch zu demjenigen, was wir nun gleichsam erst ruhig besitzen, was wir nicht erst kuͤnftig bekommen sollen, sondern schon wirklich haben. Haben — bekommen Vergangenheit — Zukunft. Allein dasjenige Vergangne, was nicht sowohl von uns ausgegangen, als vielmehr in uns geblieben, oder sogleich wieder in uns zuruͤckgefallen ist, bezeichnet die Deutsche Sprache lieber durch den Mittelbegriff des gegenwaͤrtigen seyns, als durch den Begriff des habens, als ich bin gegangen, ich bin gekommen, und so auch: ich bin gewesen — Gehen und kommen sind zwar Aeußerungen unsrer thaͤtigen Kraft, die aber immer in sich selbst zuruͤckfallen, um sich von neuem zu aͤußern, ohne daß sie auf einen Gegenstand außer uns unmittelbar wirkten. — Das Gehen z.B. ist vielmehr eine Ruͤckwirkung unsrer bewegenden Kraͤfte auf sich selbst, wodurch unser Koͤrper irgend einem Ziele, wohin sich unsre thaͤtige Kraft richtet, naͤher gebracht wird. — Daher bin ich gekommen, bin gegangen; und das voͤllig vergangne kommen, und vergangne gehen, gehoͤrt mehr zu meinem gegenwaͤrtigen seyn, als zu meinem gegenwaͤrtigen haben, weil es mehr in mir geblieben, als von mir ausge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/113
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/113>, abgerufen am 22.11.2024.