Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.Jch befriedigte darauf meine Neugierde, dieser Person eine Menge Fragen über ihren vorhergehenden Zustand zu thun, und hörte verschiedene Dinge von ihr, welche von der Art sind, daß ich sie nie offenbaren werde. Es gehen mit rasenden Menschen so außerordentliche Sachen vor, daß wenn man mehrere bestätigte Erfahrungen von der Art hätte, die sonderbarsten Folgen daraus gezogen werden könnten. Unter andern aber befragte ich sie, wegen der physikalischen Empfindung, die sie in Ansehung ihres Zustandes gehabt hatte. -- Und sie gab mir zur Antwort, daß sie sich vollkommen erinnerte, nie die geringste Empfindung von Kälte, oder sonst einer Ungemächlichkeit gehabt zu haben, ausgenommen bei Gewittern, wo sie viel Schrecken und Angst ausstand, und sich allemal tief ins Stroh verbarg, oder in einen Winkel kroch. Kurz der sieben oder acht Jahre, die sie in diesem Zustande zugebracht, erinnerte sie sich wie im Traume, aber doch im Ganzen genommen mit mehr angenehmen, als unangenehmen Empfindungen. So wahr ist es, daß es, sowohl von Seiten der physikalischen Empfindlichkeit, als von Seiten der Moral selbst, in den Situationen, die uns oft am schrecklichsten vorkommen, Schadloßhaltungen giebt, die bewundernswürdig sind. Jch befriedigte darauf meine Neugierde, dieser Person eine Menge Fragen uͤber ihren vorhergehenden Zustand zu thun, und hoͤrte verschiedene Dinge von ihr, welche von der Art sind, daß ich sie nie offenbaren werde. Es gehen mit rasenden Menschen so außerordentliche Sachen vor, daß wenn man mehrere bestaͤtigte Erfahrungen von der Art haͤtte, die sonderbarsten Folgen daraus gezogen werden koͤnnten. Unter andern aber befragte ich sie, wegen der physikalischen Empfindung, die sie in Ansehung ihres Zustandes gehabt hatte. — Und sie gab mir zur Antwort, daß sie sich vollkommen erinnerte, nie die geringste Empfindung von Kaͤlte, oder sonst einer Ungemaͤchlichkeit gehabt zu haben, ausgenommen bei Gewittern, wo sie viel Schrecken und Angst ausstand, und sich allemal tief ins Stroh verbarg, oder in einen Winkel kroch. Kurz der sieben oder acht Jahre, die sie in diesem Zustande zugebracht, erinnerte sie sich wie im Traume, aber doch im Ganzen genommen mit mehr angenehmen, als unangenehmen Empfindungen. So wahr ist es, daß es, sowohl von Seiten der physikalischen Empfindlichkeit, als von Seiten der Moral selbst, in den Situationen, die uns oft am schrecklichsten vorkommen, Schadloßhaltungen giebt, die bewundernswuͤrdig sind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0093" n="93"/><lb/> <p>Jch befriedigte darauf meine Neugierde, dieser Person eine Menge Fragen uͤber ihren vorhergehenden Zustand zu thun, und hoͤrte verschiedene Dinge von ihr, welche von der Art sind, daß ich sie nie offenbaren werde. </p> <p>Es gehen mit rasenden Menschen so außerordentliche Sachen vor, daß wenn man mehrere bestaͤtigte Erfahrungen von der Art haͤtte, die sonderbarsten Folgen daraus gezogen werden koͤnnten. </p> <p>Unter andern aber befragte ich sie, wegen der physikalischen Empfindung, die sie in Ansehung ihres Zustandes gehabt hatte. — Und sie gab mir zur Antwort, daß sie sich vollkommen erinnerte, nie die geringste Empfindung von <hi rendition="#b">Kaͤlte,</hi> oder sonst einer <hi rendition="#b">Ungemaͤchlichkeit</hi> gehabt zu haben, ausgenommen bei Gewittern, wo sie viel Schrecken und Angst ausstand, und sich allemal tief ins Stroh verbarg, oder in einen Winkel kroch. </p> <p>Kurz der sieben oder acht Jahre, die sie in diesem Zustande zugebracht, erinnerte sie sich wie im Traume, aber doch im Ganzen genommen mit mehr angenehmen, als unangenehmen Empfindungen. </p> <p> <hi rendition="#b">So wahr ist es, daß es, sowohl von Seiten der physikalischen Empfindlichkeit, als von Seiten der Moral selbst, in den Situationen, die uns oft am schrecklichsten vorkommen, Schadloßhaltungen giebt, die bewundernswuͤrdig sind. </hi> </p> </div><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0093]
Jch befriedigte darauf meine Neugierde, dieser Person eine Menge Fragen uͤber ihren vorhergehenden Zustand zu thun, und hoͤrte verschiedene Dinge von ihr, welche von der Art sind, daß ich sie nie offenbaren werde.
Es gehen mit rasenden Menschen so außerordentliche Sachen vor, daß wenn man mehrere bestaͤtigte Erfahrungen von der Art haͤtte, die sonderbarsten Folgen daraus gezogen werden koͤnnten.
Unter andern aber befragte ich sie, wegen der physikalischen Empfindung, die sie in Ansehung ihres Zustandes gehabt hatte. — Und sie gab mir zur Antwort, daß sie sich vollkommen erinnerte, nie die geringste Empfindung von Kaͤlte, oder sonst einer Ungemaͤchlichkeit gehabt zu haben, ausgenommen bei Gewittern, wo sie viel Schrecken und Angst ausstand, und sich allemal tief ins Stroh verbarg, oder in einen Winkel kroch.
Kurz der sieben oder acht Jahre, die sie in diesem Zustande zugebracht, erinnerte sie sich wie im Traume, aber doch im Ganzen genommen mit mehr angenehmen, als unangenehmen Empfindungen.
So wahr ist es, daß es, sowohl von Seiten der physikalischen Empfindlichkeit, als von Seiten der Moral selbst, in den Situationen, die uns oft am schrecklichsten vorkommen, Schadloßhaltungen giebt, die bewundernswuͤrdig sind.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/93>, abgerufen am 16.02.2025. |