Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
Wenn er dann auf den Strassen, die an dem Wall grenzten, in den Häusern Licht angesteckt sahe, und sich nun dachte, daß in jeder erleuchteten Stube, deren in einem Hause oft so viel waren, eine Familie, oder sonst eine Gesellschaft von Menschen, oder ein einzelner Mensch, lebte, und daß eine solche Stube also in dem Augenblick die Schicksale und das Leben und die Gedanken, eines solchen Menschen, oder einer solchen Gesellschaft von Menschen in sich faßte; und daß er auch nun nach dem vollendeten Spatziergange in eine solche Stube wieder zurückkehren würde, wo er gleichsam hingebannet, und der eigentliche Fleck seines Daseyns wäre; so brachte dieß bei ihm zuerst eine sonderbare demüthigende Empfindung hervor, als sey nun sein Schicksal, unter diesem unendlichen verwirrten Haufen, sich einander durchkreuzender, menschlicher Schicksale gleichsam verlohren, und werde dadurch klein und unbedeutend gemacht -- dann erhoben aber auch eben diese Lichter in den einzelnen Stuben, in den Häusern am Walle, zuweilen seinen Geist wieder, wenn er einen Ueberblick des Ganzen daraus schöpfte, und sich aus seiner
Wenn er dann auf den Strassen, die an dem Wall grenzten, in den Haͤusern Licht angesteckt sahe, und sich nun dachte, daß in jeder erleuchteten Stube, deren in einem Hause oft so viel waren, eine Familie, oder sonst eine Gesellschaft von Menschen, oder ein einzelner Mensch, lebte, und daß eine solche Stube also in dem Augenblick die Schicksale und das Leben und die Gedanken, eines solchen Menschen, oder einer solchen Gesellschaft von Menschen in sich faßte; und daß er auch nun nach dem vollendeten Spatziergange in eine solche Stube wieder zuruͤckkehren wuͤrde, wo er gleichsam hingebannet, und der eigentliche Fleck seines Daseyns waͤre; so brachte dieß bei ihm zuerst eine sonderbare demuͤthigende Empfindung hervor, als sey nun sein Schicksal, unter diesem unendlichen verwirrten Haufen, sich einander durchkreuzender, menschlicher Schicksale gleichsam verlohren, und werde dadurch klein und unbedeutend gemacht — dann erhoben aber auch eben diese Lichter in den einzelnen Stuben, in den Haͤusern am Walle, zuweilen seinen Geist wieder, wenn er einen Ueberblick des Ganzen daraus schoͤpfte, und sich aus seiner <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0074" n="74"/><lb/> gang auf dem Walle um die Stadt; und bei diesen Spatziergaͤngen war es, wo sich sein Geist immer etwas wieder ermannte, und ein Funke von Hoffnung, sich aus seinem schrecklichen Zustande herauszuarbeiten, in seiner Seele wieder emporglimmte. — </p> <p>Wenn er dann auf den Strassen, die an dem Wall grenzten, in den Haͤusern Licht angesteckt sahe, und sich nun dachte, daß in jeder erleuchteten Stube, deren in einem Hause oft so viel waren, eine Familie, oder sonst eine Gesellschaft von Menschen, oder ein einzelner Mensch, lebte, und daß eine solche Stube also in dem Augenblick die Schicksale und das Leben und die Gedanken, eines solchen Menschen, oder einer solchen Gesellschaft von Menschen in sich faßte; und daß er auch nun nach dem vollendeten Spatziergange in eine solche Stube wieder zuruͤckkehren wuͤrde, wo er gleichsam hingebannet, und der eigentliche Fleck seines Daseyns waͤre; so brachte dieß bei ihm zuerst eine sonderbare <hi rendition="#b">demuͤthigende</hi> Empfindung hervor, als sey nun sein Schicksal, unter diesem unendlichen verwirrten Haufen, sich einander durchkreuzender, menschlicher Schicksale gleichsam <hi rendition="#b">verlohren,</hi> und werde dadurch klein und <hi rendition="#b">unbedeutend</hi> gemacht — dann erhoben aber auch eben diese <hi rendition="#b">Lichter in den einzelnen Stuben,</hi> in den Haͤusern am Walle, zuweilen seinen Geist wieder, wenn er einen Ueberblick des Ganzen daraus schoͤpfte, und sich aus seiner<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0074]
gang auf dem Walle um die Stadt; und bei diesen Spatziergaͤngen war es, wo sich sein Geist immer etwas wieder ermannte, und ein Funke von Hoffnung, sich aus seinem schrecklichen Zustande herauszuarbeiten, in seiner Seele wieder emporglimmte. —
Wenn er dann auf den Strassen, die an dem Wall grenzten, in den Haͤusern Licht angesteckt sahe, und sich nun dachte, daß in jeder erleuchteten Stube, deren in einem Hause oft so viel waren, eine Familie, oder sonst eine Gesellschaft von Menschen, oder ein einzelner Mensch, lebte, und daß eine solche Stube also in dem Augenblick die Schicksale und das Leben und die Gedanken, eines solchen Menschen, oder einer solchen Gesellschaft von Menschen in sich faßte; und daß er auch nun nach dem vollendeten Spatziergange in eine solche Stube wieder zuruͤckkehren wuͤrde, wo er gleichsam hingebannet, und der eigentliche Fleck seines Daseyns waͤre; so brachte dieß bei ihm zuerst eine sonderbare demuͤthigende Empfindung hervor, als sey nun sein Schicksal, unter diesem unendlichen verwirrten Haufen, sich einander durchkreuzender, menschlicher Schicksale gleichsam verlohren, und werde dadurch klein und unbedeutend gemacht — dann erhoben aber auch eben diese Lichter in den einzelnen Stuben, in den Haͤusern am Walle, zuweilen seinen Geist wieder, wenn er einen Ueberblick des Ganzen daraus schoͤpfte, und sich aus seiner
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/74>, abgerufen am 16.02.2025. |