Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite


Handwerker vor andern zu Schwärmereyen aller Arten disponirt sind. Unser T*** glaubt so treuherzig an Geister, Gespenster, an unterirdische Schätze, die sich durchs Brennen offenbaren, und an ein gewisses Traumgesicht, welches ihm seinen Tod auf den 28sten April 1785 Mittags um zwölf Uhr prophezeite, daß ich es für ein äußerst schweres, ja vielleicht unmögliches Unternehmen halte, ihn eines bessern zu überzeugen. Diesen Traum hatte T***, seiner Aussage nach, als er zwanzig Jahr alt war; er beschreibt ihn noch sehr genau; nur ist er in der Ungewißheit, ob ihm das Gesicht noch sechzig Jahre zu seinem damaligen Alter, oder überhaupt nur sechzig Jahre Lebenszeit zugesagt habe. Jm letztern Fall, meint er, wird sein Tod auf besagten Tag eintreffen, im erstern aber müsse er achtzig Jahre alt werden.

Dieser Umstand beweiset, wie eingewurzelt seine Vorurtheile und sein Glaube an abentheuerliche Dinge seyn müssen. Nur einem sehr aufgeklärten und klugen Seelsorger wäre es vielleicht möglich, durch Gründe der Religion diese Vorurtheile zu heben und zu zerstreuen.

Dieß ist mein unmaßgebliches Urtheil, welches ich mit meiner Unterschrift bekräftige.

M.


Handwerker vor andern zu Schwaͤrmereyen aller Arten disponirt sind. Unser T*** glaubt so treuherzig an Geister, Gespenster, an unterirdische Schaͤtze, die sich durchs Brennen offenbaren, und an ein gewisses Traumgesicht, welches ihm seinen Tod auf den 28sten April 1785 Mittags um zwoͤlf Uhr prophezeite, daß ich es fuͤr ein aͤußerst schweres, ja vielleicht unmoͤgliches Unternehmen halte, ihn eines bessern zu uͤberzeugen. Diesen Traum hatte T***, seiner Aussage nach, als er zwanzig Jahr alt war; er beschreibt ihn noch sehr genau; nur ist er in der Ungewißheit, ob ihm das Gesicht noch sechzig Jahre zu seinem damaligen Alter, oder uͤberhaupt nur sechzig Jahre Lebenszeit zugesagt habe. Jm letztern Fall, meint er, wird sein Tod auf besagten Tag eintreffen, im erstern aber muͤsse er achtzig Jahre alt werden.

Dieser Umstand beweiset, wie eingewurzelt seine Vorurtheile und sein Glaube an abentheuerliche Dinge seyn muͤssen. Nur einem sehr aufgeklaͤrten und klugen Seelsorger waͤre es vielleicht moͤglich, durch Gruͤnde der Religion diese Vorurtheile zu heben und zu zerstreuen.

Dieß ist mein unmaßgebliches Urtheil, welches ich mit meiner Unterschrift bekraͤftige.

M.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0031" n="31"/><lb/>
Handwerker vor                   andern zu Schwa&#x0364;rmereyen aller Arten disponirt sind. Unser <hi rendition="#b">T***</hi> glaubt so treuherzig an <hi rendition="#b">Geister,                      Gespenster,</hi> an <hi rendition="#b">unterirdische Scha&#x0364;tze,</hi> die sich                   durchs <hi rendition="#b">Brennen</hi> offenbaren, und an ein gewisses <hi rendition="#b">Traumgesicht,</hi> welches ihm seinen Tod auf den 28sten April                   1785 Mittags um zwo&#x0364;lf Uhr prophezeite, daß ich es fu&#x0364;r ein a&#x0364;ußerst schweres, ja                   vielleicht unmo&#x0364;gliches Unternehmen halte, ihn eines bessern zu u&#x0364;berzeugen. Diesen                   Traum hatte <hi rendition="#b">T***,</hi> seiner Aussage nach, als er zwanzig                   Jahr alt war; er beschreibt ihn noch sehr genau; nur ist er in der Ungewißheit, ob                   ihm das <hi rendition="#b">Gesicht</hi> noch sechzig Jahre zu seinem damaligen                   Alter, oder u&#x0364;berhaupt nur sechzig Jahre Lebenszeit zugesagt habe. Jm letztern                   Fall, meint er, wird sein Tod auf besagten Tag eintreffen, im erstern aber mu&#x0364;sse                   er achtzig Jahre alt werden. </p>
              <p>Dieser Umstand beweiset, wie eingewurzelt seine Vorurtheile und sein Glaube an                   abentheuerliche Dinge seyn mu&#x0364;ssen. Nur einem sehr aufgekla&#x0364;rten und klugen                   Seelsorger wa&#x0364;re es vielleicht mo&#x0364;glich, durch Gru&#x0364;nde der Religion diese Vorurtheile                   zu heben und zu zerstreuen. </p>
              <p>Dieß ist mein unmaßgebliches Urtheil, welches ich mit meiner Unterschrift                   bekra&#x0364;ftige. </p>
              <closer>
                <dateline>Ko&#x0364;nigsberg den 1sten October 1784.</dateline>
                <signed> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#b">
                      <persName ref="#ref0091"><note type="editorial">Metzger, Johann Daniel</note>M.</persName>
                    </hi> </hi> </signed>
              </closer><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0031] Handwerker vor andern zu Schwaͤrmereyen aller Arten disponirt sind. Unser T*** glaubt so treuherzig an Geister, Gespenster, an unterirdische Schaͤtze, die sich durchs Brennen offenbaren, und an ein gewisses Traumgesicht, welches ihm seinen Tod auf den 28sten April 1785 Mittags um zwoͤlf Uhr prophezeite, daß ich es fuͤr ein aͤußerst schweres, ja vielleicht unmoͤgliches Unternehmen halte, ihn eines bessern zu uͤberzeugen. Diesen Traum hatte T***, seiner Aussage nach, als er zwanzig Jahr alt war; er beschreibt ihn noch sehr genau; nur ist er in der Ungewißheit, ob ihm das Gesicht noch sechzig Jahre zu seinem damaligen Alter, oder uͤberhaupt nur sechzig Jahre Lebenszeit zugesagt habe. Jm letztern Fall, meint er, wird sein Tod auf besagten Tag eintreffen, im erstern aber muͤsse er achtzig Jahre alt werden. Dieser Umstand beweiset, wie eingewurzelt seine Vorurtheile und sein Glaube an abentheuerliche Dinge seyn muͤssen. Nur einem sehr aufgeklaͤrten und klugen Seelsorger waͤre es vielleicht moͤglich, durch Gruͤnde der Religion diese Vorurtheile zu heben und zu zerstreuen. Dieß ist mein unmaßgebliches Urtheil, welches ich mit meiner Unterschrift bekraͤftige. Koͤnigsberg den 1sten October 1784. M.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/31
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/31>, abgerufen am 21.11.2024.