Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.Die ganze Masse der Zeichenbegriffe zusammengenommen wog auch nicht einen einzigen Sachbegriff, in Ansehung ihres innern Gehalts, auf-- darum wurde sie nun eben ein so bequemes, behendes und leichtes Werkzeug zum Denken, welches die Masse der sichtbaren Zeichen nie werden kann. Denn diese können nie aufhören, zugleich in andern Beziehungen als Sachen gedacht zu werden, sie können nie ganz reine Zeichen werden. Ein Stern auf der Brust eines Königes bleibt immer außer dem Zeichen der Würde auch an sich noch etwas. -- Man kann kein Bild, keine Figur erfinden, die nicht außer der Jdee des Menschen noch irgendwo in der Natur statt fände -- aber die ganze Natur außer dem Menschen, die ganze Thierwelt und alle Flüsse und Winde bringen keinen artikulirten Ton hervor -- dieser ist und bleibt das Eigenthum des Menschen, wodurch er sich gleichsam zum Herrn der ihn umgebenden Natur macht, und alles unter das Gebiet seiner allmächtigen Denkkraft zwingt. -- Er kann das unermeßliche Weltall, welches vor ihm steht, vermittelst dieser Zeichen in- und auseinanderwickeln -- auf der Walze stehen vierundzwanzig Stifte, in denen die unendliche Harmonie dieses ganzen Weltalls mit allen ihren Melodien schlummert. -- Die ganze Masse der Zeichenbegriffe zusammengenommen wog auch nicht einen einzigen Sachbegriff, in Ansehung ihres innern Gehalts, auf— darum wurde sie nun eben ein so bequemes, behendes und leichtes Werkzeug zum Denken, welches die Masse der sichtbaren Zeichen nie werden kann. Denn diese koͤnnen nie aufhoͤren, zugleich in andern Beziehungen als Sachen gedacht zu werden, sie koͤnnen nie ganz reine Zeichen werden. Ein Stern auf der Brust eines Koͤniges bleibt immer außer dem Zeichen der Wuͤrde auch an sich noch etwas. — Man kann kein Bild, keine Figur erfinden, die nicht außer der Jdee des Menschen noch irgendwo in der Natur statt faͤnde — aber die ganze Natur außer dem Menschen, die ganze Thierwelt und alle Fluͤsse und Winde bringen keinen artikulirten Ton hervor — dieser ist und bleibt das Eigenthum des Menschen, wodurch er sich gleichsam zum Herrn der ihn umgebenden Natur macht, und alles unter das Gebiet seiner allmaͤchtigen Denkkraft zwingt. — Er kann das unermeßliche Weltall, welches vor ihm steht, vermittelst dieser Zeichen in- und auseinanderwickeln — auf der Walze stehen vierundzwanzig Stifte, in denen die unendliche Harmonie dieses ganzen Weltalls mit allen ihren Melodien schlummert. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0021" n="21"/><lb/> <p>Die ganze Masse der Zeichenbegriffe zusammengenommen wog auch nicht einen einzigen Sachbegriff, in Ansehung ihres innern Gehalts, auf— darum wurde sie nun eben ein so bequemes, behendes und leichtes Werkzeug zum Denken, welches die Masse der sichtbaren Zeichen nie werden kann. </p> <p>Denn diese koͤnnen nie aufhoͤren, zugleich in andern Beziehungen als Sachen gedacht zu werden, sie koͤnnen nie <hi rendition="#b">ganz reine Zeichen</hi> werden. </p> <p>Ein Stern auf der Brust eines Koͤniges bleibt immer außer dem Zeichen der Wuͤrde auch an sich noch etwas. — </p> <p>Man kann kein Bild, keine Figur erfinden, die nicht außer der Jdee des Menschen noch irgendwo in der Natur statt faͤnde — aber die ganze Natur außer dem Menschen, die ganze Thierwelt und alle Fluͤsse und Winde bringen keinen <hi rendition="#b">artikulirten Ton</hi> hervor — dieser ist und bleibt das Eigenthum des Menschen, wodurch er sich gleichsam zum Herrn der ihn umgebenden Natur macht, und alles unter das Gebiet seiner allmaͤchtigen Denkkraft zwingt. — </p> <p>Er kann das unermeßliche Weltall, welches vor ihm steht, vermittelst dieser Zeichen in- und auseinanderwickeln — auf der Walze stehen vierundzwanzig Stifte, in denen die unendliche Harmonie dieses ganzen Weltalls mit allen ihren Melodien schlummert. — </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0021]
Die ganze Masse der Zeichenbegriffe zusammengenommen wog auch nicht einen einzigen Sachbegriff, in Ansehung ihres innern Gehalts, auf— darum wurde sie nun eben ein so bequemes, behendes und leichtes Werkzeug zum Denken, welches die Masse der sichtbaren Zeichen nie werden kann.
Denn diese koͤnnen nie aufhoͤren, zugleich in andern Beziehungen als Sachen gedacht zu werden, sie koͤnnen nie ganz reine Zeichen werden.
Ein Stern auf der Brust eines Koͤniges bleibt immer außer dem Zeichen der Wuͤrde auch an sich noch etwas. —
Man kann kein Bild, keine Figur erfinden, die nicht außer der Jdee des Menschen noch irgendwo in der Natur statt faͤnde — aber die ganze Natur außer dem Menschen, die ganze Thierwelt und alle Fluͤsse und Winde bringen keinen artikulirten Ton hervor — dieser ist und bleibt das Eigenthum des Menschen, wodurch er sich gleichsam zum Herrn der ihn umgebenden Natur macht, und alles unter das Gebiet seiner allmaͤchtigen Denkkraft zwingt. —
Er kann das unermeßliche Weltall, welches vor ihm steht, vermittelst dieser Zeichen in- und auseinanderwickeln — auf der Walze stehen vierundzwanzig Stifte, in denen die unendliche Harmonie dieses ganzen Weltalls mit allen ihren Melodien schlummert. —
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/21>, abgerufen am 18.07.2024. |