Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite


worben, daß er sich für einen großen Meister in dieser Kunst hielt. Sein Prediger machte es ihm hierin nie ganz recht. P** betete daher auch in der Kirche gemeiniglich nicht mit, sondern machte sich bald etwas an der Orgel zu schaffen, oder musterte die Jungen auf dem Chore, oder las sich die Federchen vom Rocke. -- Fast so wie der Vormittagsunterricht war der des Nachmittags beschaffen. Es wurde wieder auswendig gelernt, wieder etwas vom Schulmeister erklärt, und zuletzt das Zählen mit den kleinern Kindern vorgenommen, welche die von eins bis hundert auf einer großen Tafel geschriebenen Ziffern laut hersagen, und zusammensetzen lernen mußten. -- Eigentlich war aber der Schulmeister selten des Nachmittags in der Schule gegenwärtig. Eine seiner Töchter führte alsdenn das Vicerektorat, und nun hatten die Kinder freilich gute Zeit, indem sie die Vicerektorin mit allerlei kleinen Geschenken zu bestechen, und in ihre Spiele mit zu impliciren wußten. -- Unterdessen ging der Schulmeister seiner gewöhnlichen Handthierung nach -- bestahl die Obstgärten der Bauern, fing ihnen die Tauben weg, oder setzte Klagen gegen seinen Prediger auf, die er dem Jnspektor Frosch bringen wollte. --

Schacks Vater sahe es mehr als zu deutlich ein, wie schlecht und nachlässig die Kinder seines Dorfs unterrichtet wurden. Er hatte dem Schul-


worben, daß er sich fuͤr einen großen Meister in dieser Kunst hielt. Sein Prediger machte es ihm hierin nie ganz recht. P** betete daher auch in der Kirche gemeiniglich nicht mit, sondern machte sich bald etwas an der Orgel zu schaffen, oder musterte die Jungen auf dem Chore, oder las sich die Federchen vom Rocke. — Fast so wie der Vormittagsunterricht war der des Nachmittags beschaffen. Es wurde wieder auswendig gelernt, wieder etwas vom Schulmeister erklaͤrt, und zuletzt das Zaͤhlen mit den kleinern Kindern vorgenommen, welche die von eins bis hundert auf einer großen Tafel geschriebenen Ziffern laut hersagen, und zusammensetzen lernen mußten. — Eigentlich war aber der Schulmeister selten des Nachmittags in der Schule gegenwaͤrtig. Eine seiner Toͤchter fuͤhrte alsdenn das Vicerektorat, und nun hatten die Kinder freilich gute Zeit, indem sie die Vicerektorin mit allerlei kleinen Geschenken zu bestechen, und in ihre Spiele mit zu impliciren wußten. — Unterdessen ging der Schulmeister seiner gewoͤhnlichen Handthierung nach — bestahl die Obstgaͤrten der Bauern, fing ihnen die Tauben weg, oder setzte Klagen gegen seinen Prediger auf, die er dem Jnspektor Frosch bringen wollte. —

Schacks Vater sahe es mehr als zu deutlich ein, wie schlecht und nachlaͤssig die Kinder seines Dorfs unterrichtet wurden. Er hatte dem Schul-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0126" n="126"/><lb/>
worben, daß er sich fu&#x0364;r einen großen Meister in                   dieser Kunst hielt. Sein Prediger machte es ihm hierin nie ganz recht. <hi rendition="#b">P**</hi> betete daher auch in der Kirche gemeiniglich nicht mit,                   sondern machte sich bald etwas an der Orgel zu schaffen, oder musterte die Jungen                   auf dem Chore, oder las sich die Federchen vom Rocke. &#x2014; Fast so wie der                   Vormittagsunterricht war der des Nachmittags beschaffen. Es wurde wieder auswendig                   gelernt, wieder etwas vom Schulmeister erkla&#x0364;rt, und zuletzt das Za&#x0364;hlen mit den                   kleinern Kindern vorgenommen, welche die von eins bis hundert auf einer großen                   Tafel geschriebenen Ziffern laut hersagen, und zusammensetzen lernen mußten. &#x2014;                   Eigentlich war aber der Schulmeister selten des Nachmittags in der Schule                   gegenwa&#x0364;rtig. Eine seiner To&#x0364;chter fu&#x0364;hrte alsdenn das Vicerektorat, und nun hatten                   die Kinder freilich gute Zeit, indem sie die Vicerektorin mit allerlei kleinen                   Geschenken zu bestechen, und in ihre Spiele mit zu impliciren wußten. &#x2014;                   Unterdessen ging der Schulmeister seiner gewo&#x0364;hnlichen Handthierung nach &#x2014; bestahl                   die Obstga&#x0364;rten der Bauern, fing ihnen die Tauben weg, oder setzte Klagen gegen                   seinen Prediger auf, die er dem Jnspektor Frosch bringen wollte. &#x2014; </p>
              <p>Schacks Vater sahe es mehr als zu deutlich ein, wie schlecht und nachla&#x0364;ssig die                   Kinder seines Dorfs unterrichtet wurden. Er hatte dem Schul-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0126] worben, daß er sich fuͤr einen großen Meister in dieser Kunst hielt. Sein Prediger machte es ihm hierin nie ganz recht. P** betete daher auch in der Kirche gemeiniglich nicht mit, sondern machte sich bald etwas an der Orgel zu schaffen, oder musterte die Jungen auf dem Chore, oder las sich die Federchen vom Rocke. — Fast so wie der Vormittagsunterricht war der des Nachmittags beschaffen. Es wurde wieder auswendig gelernt, wieder etwas vom Schulmeister erklaͤrt, und zuletzt das Zaͤhlen mit den kleinern Kindern vorgenommen, welche die von eins bis hundert auf einer großen Tafel geschriebenen Ziffern laut hersagen, und zusammensetzen lernen mußten. — Eigentlich war aber der Schulmeister selten des Nachmittags in der Schule gegenwaͤrtig. Eine seiner Toͤchter fuͤhrte alsdenn das Vicerektorat, und nun hatten die Kinder freilich gute Zeit, indem sie die Vicerektorin mit allerlei kleinen Geschenken zu bestechen, und in ihre Spiele mit zu impliciren wußten. — Unterdessen ging der Schulmeister seiner gewoͤhnlichen Handthierung nach — bestahl die Obstgaͤrten der Bauern, fing ihnen die Tauben weg, oder setzte Klagen gegen seinen Prediger auf, die er dem Jnspektor Frosch bringen wollte. — Schacks Vater sahe es mehr als zu deutlich ein, wie schlecht und nachlaͤssig die Kinder seines Dorfs unterrichtet wurden. Er hatte dem Schul-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/126
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/126>, abgerufen am 28.11.2024.