Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
Er konnte keine Einschnitte in diesen festen Zusammenhang machen, wie wir durch die Sprache thun; das ganze vergangne Bild mußte im unzertrennlichsten Zusammenhange der einzelnen Bilder untereinander ganz und auf einmal vor seiner Seele darstehen. -- Wie half sich nun seine Einbildungskraft da heraus -- da er das Bild doch nicht außer sich hingießen konnte, nach welchen Gesetzen richtete sich die Folge seiner pantomimischen Aeußerungen, wodurch er sich verständlich zu machen suchte? Läßt sich nicht etwa das Phänomen der erstaunlichen Lebhaftigkeit und Begier, womit Taubstumme durch Zeichen etwas Vergangnes darzustellen suchen, vorzüglich daraus
Er konnte keine Einschnitte in diesen festen Zusammenhang machen, wie wir durch die Sprache thun; das ganze vergangne Bild mußte im unzertrennlichsten Zusammenhange der einzelnen Bilder untereinander ganz und auf einmal vor seiner Seele darstehen. — Wie half sich nun seine Einbildungskraft da heraus — da er das Bild doch nicht außer sich hingießen konnte, nach welchen Gesetzen richtete sich die Folge seiner pantomimischen Aeußerungen, wodurch er sich verstaͤndlich zu machen suchte? Laͤßt sich nicht etwa das Phaͤnomen der erstaunlichen Lebhaftigkeit und Begier, womit Taubstumme durch Zeichen etwas Vergangnes darzustellen suchen, vorzuͤglich daraus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0010" n="10"/><lb/> mit allen seinen <hi rendition="#b">individuellen Beschaffenheiten,</hi> und eben so auch an <hi rendition="#b">jenen Kahn,</hi> an <hi rendition="#b">jenes Zusammenlesen in einem Buche</hi> mit allen individuellen Beschaffenheiten und Umstaͤnden erinnern. — Durch die Worte <hi rendition="#b">Rudern, Kahn, Buch </hi> u.s.w. haͤtte er jedes dieser Dinge außer dem Zusammenhange fuͤr sich abgesondert, und denn auch nach Gefallen wieder in dem Zusammenhange mit den umgebenden Dingen denken koͤnnen; nun aber mußte er nothwendig sich jenen Kahn als ein <hi rendition="#b">Jndividuum</hi> und also auch mit allen begleitenden Umstaͤnden, den Leuten, die darauf sassen, dem Wasser, das darunter floß, dem Ruder, wodurch er fortbewegt wurde, u.s.w. zusammendenken. </p> <p>Er konnte keine Einschnitte in diesen festen Zusammenhang machen, wie wir durch die Sprache thun; das ganze vergangne Bild mußte im unzertrennlichsten Zusammenhange der einzelnen Bilder untereinander <hi rendition="#b">ganz</hi> und <hi rendition="#b">auf einmal</hi> vor seiner Seele darstehen. — Wie half sich nun seine Einbildungskraft da heraus — da er das Bild doch nicht außer sich hingießen konnte, nach welchen Gesetzen richtete sich die <hi rendition="#b">Folge</hi> seiner pantomimischen Aeußerungen, wodurch er sich verstaͤndlich zu machen suchte? Laͤßt sich nicht etwa das Phaͤnomen der erstaunlichen <hi rendition="#b">Lebhaftigkeit und Begier,</hi> womit Taubstumme durch Zeichen etwas Vergangnes darzustellen suchen, vorzuͤglich daraus<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0010]
mit allen seinen individuellen Beschaffenheiten, und eben so auch an jenen Kahn, an jenes Zusammenlesen in einem Buche mit allen individuellen Beschaffenheiten und Umstaͤnden erinnern. — Durch die Worte Rudern, Kahn, Buch u.s.w. haͤtte er jedes dieser Dinge außer dem Zusammenhange fuͤr sich abgesondert, und denn auch nach Gefallen wieder in dem Zusammenhange mit den umgebenden Dingen denken koͤnnen; nun aber mußte er nothwendig sich jenen Kahn als ein Jndividuum und also auch mit allen begleitenden Umstaͤnden, den Leuten, die darauf sassen, dem Wasser, das darunter floß, dem Ruder, wodurch er fortbewegt wurde, u.s.w. zusammendenken.
Er konnte keine Einschnitte in diesen festen Zusammenhang machen, wie wir durch die Sprache thun; das ganze vergangne Bild mußte im unzertrennlichsten Zusammenhange der einzelnen Bilder untereinander ganz und auf einmal vor seiner Seele darstehen. — Wie half sich nun seine Einbildungskraft da heraus — da er das Bild doch nicht außer sich hingießen konnte, nach welchen Gesetzen richtete sich die Folge seiner pantomimischen Aeußerungen, wodurch er sich verstaͤndlich zu machen suchte? Laͤßt sich nicht etwa das Phaͤnomen der erstaunlichen Lebhaftigkeit und Begier, womit Taubstumme durch Zeichen etwas Vergangnes darzustellen suchen, vorzuͤglich daraus
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |