Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
Eben so wenig aber, wie es dem Lahmen etwas helfen würde, wenn ich ihm sagen wollte, bewege dich -- eben so wenig würd' ich dadurch auf den Trägen wirken, wenn ich ihm sagte: sei nicht träge, oder wenn ich ihm auch zu beweisen suchte, daß es unrecht sey, träge zu seyn. Jch muß vielmehr der Ursach seiner Trägheit in irgend einer verwöhnten Richtung seiner vorstellenden Kraft nachspähen, und der vorzüglich entgegen zu arbeiten suchen. Nun finde ich aber, daß dasjenige, was mich in Thätigkeit erhält, immer das Zusammendenken von Ursach und Wirkung ist, indem ich mir die letztere nur möglich denke, wenn die erstere vorhergegangen ist. Jch schließe also, daß der Unthätige, der Träge seinen Geist verwöhnt hat, Wirkung und Ursach gehörig zusammenzudenken. Er denkt sich angenehme Wirkungen, ohne auf die Ursach oder die thätige Kraft Rücksicht zu nehmen, wodurch sie allein möglich gemacht werden können.
Eben so wenig aber, wie es dem Lahmen etwas helfen wuͤrde, wenn ich ihm sagen wollte, bewege dich — eben so wenig wuͤrd' ich dadurch auf den Traͤgen wirken, wenn ich ihm sagte: sei nicht traͤge, oder wenn ich ihm auch zu beweisen suchte, daß es unrecht sey, traͤge zu seyn. Jch muß vielmehr der Ursach seiner Traͤgheit in irgend einer verwoͤhnten Richtung seiner vorstellenden Kraft nachspaͤhen, und der vorzuͤglich entgegen zu arbeiten suchen. Nun finde ich aber, daß dasjenige, was mich in Thaͤtigkeit erhaͤlt, immer das Zusammendenken von Ursach und Wirkung ist, indem ich mir die letztere nur moͤglich denke, wenn die erstere vorhergegangen ist. Jch schließe also, daß der Unthaͤtige, der Traͤge seinen Geist verwoͤhnt hat, Wirkung und Ursach gehoͤrig zusammenzudenken. Er denkt sich angenehme Wirkungen, ohne auf die Ursach oder die thaͤtige Kraft Ruͤcksicht zu nehmen, wodurch sie allein moͤglich gemacht werden koͤnnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0006" n="4"/><lb/> ner zur Gewohnheit gewordenen unzweckmaͤßigen Aeußerung dieser Kraft zu suchen seyn. Denn wenn ich hier z.B. von der <hi rendition="#b">Traͤgheit</hi> rede, so rede ich nicht von ihr, in so fern sie im Koͤrper, sondern in so fern sie in der <hi rendition="#b">vorstellenden Kraft</hi> der Seele gegruͤndet ist, und also auch durch eine beßre Lenkung derselben ihr wieder abgeholfen werden kann. </p> <p>Eben so wenig aber, wie es dem Lahmen etwas helfen wuͤrde, wenn ich ihm sagen wollte, bewege dich — eben so wenig wuͤrd' ich dadurch auf den Traͤgen wirken, wenn ich ihm sagte: sei nicht traͤge, oder wenn ich ihm auch zu beweisen suchte, daß es unrecht sey, traͤge zu seyn. </p> <p>Jch muß vielmehr der Ursach seiner Traͤgheit in irgend einer verwoͤhnten Richtung seiner vorstellenden Kraft nachspaͤhen, und der vorzuͤglich entgegen zu arbeiten suchen. </p> <p>Nun finde ich aber, daß dasjenige, was mich in Thaͤtigkeit erhaͤlt, immer das <hi rendition="#b">Zusammendenken von Ursach und Wirkung ist,</hi> indem ich mir die letztere nur moͤglich denke, wenn die erstere vorhergegangen ist. </p> <p>Jch schließe also, daß der Unthaͤtige, der Traͤge seinen Geist verwoͤhnt hat, <hi rendition="#b">Wirkung und Ursach gehoͤrig zusammenzudenken.</hi> Er denkt sich angenehme Wirkungen, ohne auf die Ursach oder die thaͤtige Kraft Ruͤcksicht zu nehmen, wodurch sie allein moͤglich gemacht werden koͤnnen. </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0006]
ner zur Gewohnheit gewordenen unzweckmaͤßigen Aeußerung dieser Kraft zu suchen seyn. Denn wenn ich hier z.B. von der Traͤgheit rede, so rede ich nicht von ihr, in so fern sie im Koͤrper, sondern in so fern sie in der vorstellenden Kraft der Seele gegruͤndet ist, und also auch durch eine beßre Lenkung derselben ihr wieder abgeholfen werden kann.
Eben so wenig aber, wie es dem Lahmen etwas helfen wuͤrde, wenn ich ihm sagen wollte, bewege dich — eben so wenig wuͤrd' ich dadurch auf den Traͤgen wirken, wenn ich ihm sagte: sei nicht traͤge, oder wenn ich ihm auch zu beweisen suchte, daß es unrecht sey, traͤge zu seyn.
Jch muß vielmehr der Ursach seiner Traͤgheit in irgend einer verwoͤhnten Richtung seiner vorstellenden Kraft nachspaͤhen, und der vorzuͤglich entgegen zu arbeiten suchen.
Nun finde ich aber, daß dasjenige, was mich in Thaͤtigkeit erhaͤlt, immer das Zusammendenken von Ursach und Wirkung ist, indem ich mir die letztere nur moͤglich denke, wenn die erstere vorhergegangen ist.
Jch schließe also, daß der Unthaͤtige, der Traͤge seinen Geist verwoͤhnt hat, Wirkung und Ursach gehoͤrig zusammenzudenken. Er denkt sich angenehme Wirkungen, ohne auf die Ursach oder die thaͤtige Kraft Ruͤcksicht zu nehmen, wodurch sie allein moͤglich gemacht werden koͤnnen.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/6>, abgerufen am 16.07.2024. |