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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.

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Konjugation formirt, unsre verschiednen Vorstellungsarten von der Wirklichkeit herzuleiten --

st, d und t bezeichnen als bestimmende Laute in der deutschen Sprache vorzüglich die Wirklichkeit -- w die Art der Wirklichkeit oder die Beschaffenheit, und n hebt die angenommene Wirklichkeit wieder auf.

Jch glaube dieß hinlänglich mit Beispielen belegt zu haben.

Merkwürdig aber ist es, daß wir das nur unter gewissen Bedingungen Wirkliche, fast auf eben die Art wie das vergangne Wirkliche bezeichnen, indem wir bloß den Vokal gleichsam zu einem halben schwankenden Tone herabstimmen, und a z.B. in ä, o in ö, und u in ü verwandeln, als ich sang, ich sänge, ich trug, ich trüge, u.s.w.

Wie sehr mahlt hier der veränderte Laut des Vokals das Schwankende, die Ungewißheit, womit wir uns das nur unter Bedingungen Wirkliche vorstellen!

Eben so merkwürdig ist die Bezeichnung der gänzlichen mit Vollendung verknüpften Vergangenheit durch haben, welches hier ebenfalls nur figürlich gebraucht werden kann, weil es sonst immer einen Besitz anzeigt -- und hier oft grade das Gegentheil des Besitzes anzuzeigen scheint, als: er hat gelebt, welches doch so viel heißt, als er hat sein Leben nicht mehr -- allein die


Konjugation formirt, unsre verschiednen Vorstellungsarten von der Wirklichkeit herzuleiten —

st, d und t bezeichnen als bestimmende Laute in der deutschen Sprache vorzuͤglich die Wirklichkeitw die Art der Wirklichkeit oder die Beschaffenheit, und n hebt die angenommene Wirklichkeit wieder auf.

Jch glaube dieß hinlaͤnglich mit Beispielen belegt zu haben.

Merkwuͤrdig aber ist es, daß wir das nur unter gewissen Bedingungen Wirkliche, fast auf eben die Art wie das vergangne Wirkliche bezeichnen, indem wir bloß den Vokal gleichsam zu einem halben schwankenden Tone herabstimmen, und a z.B. in aͤ, o in oͤ, und u in verwandeln, als ich sang, ich saͤnge, ich trug, ich truͤge, u.s.w.

Wie sehr mahlt hier der veraͤnderte Laut des Vokals das Schwankende, die Ungewißheit, womit wir uns das nur unter Bedingungen Wirkliche vorstellen!

Eben so merkwuͤrdig ist die Bezeichnung der gaͤnzlichen mit Vollendung verknuͤpften Vergangenheit durch haben, welches hier ebenfalls nur figuͤrlich gebraucht werden kann, weil es sonst immer einen Besitz anzeigt — und hier oft grade das Gegentheil des Besitzes anzuzeigen scheint, als: er hat gelebt, welches doch so viel heißt, als er hat sein Leben nicht mehr — allein die

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[51/0053] Konjugation formirt, unsre verschiednen Vorstellungsarten von der Wirklichkeit herzuleiten — st, d und t bezeichnen als bestimmende Laute in der deutschen Sprache vorzuͤglich die Wirklichkeit — w die Art der Wirklichkeit oder die Beschaffenheit, und n hebt die angenommene Wirklichkeit wieder auf. Jch glaube dieß hinlaͤnglich mit Beispielen belegt zu haben. Merkwuͤrdig aber ist es, daß wir das nur unter gewissen Bedingungen Wirkliche, fast auf eben die Art wie das vergangne Wirkliche bezeichnen, indem wir bloß den Vokal gleichsam zu einem halben schwankenden Tone herabstimmen, und a z.B. in aͤ, o in oͤ, und u in uͤ verwandeln, als ich sang, ich saͤnge, ich trug, ich truͤge, u.s.w. Wie sehr mahlt hier der veraͤnderte Laut des Vokals das Schwankende, die Ungewißheit, womit wir uns das nur unter Bedingungen Wirkliche vorstellen! Eben so merkwuͤrdig ist die Bezeichnung der gaͤnzlichen mit Vollendung verknuͤpften Vergangenheit durch haben, welches hier ebenfalls nur figuͤrlich gebraucht werden kann, weil es sonst immer einen Besitz anzeigt — und hier oft grade das Gegentheil des Besitzes anzuzeigen scheint, als: er hat gelebt, welches doch so viel heißt, als er hat sein Leben nicht mehr — allein die

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/53>, abgerufen am 27.11.2024.