Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
Bei einer Person, die sehr lebhaft träumte, und bei der sich die Traumideen vermuthlich mit den Wahrheitsideen vermischt hatten, so daß sie dieselben nicht mehr voneinander unterscheiden konnte, entstand dadurch zuletzt eine Art von Wahnwitz. -- Sie bildete sich nehmlich ein, mit ihrem Mann die Ehe gebrochen zu haben, und gerieth darüber in eine Art von Raserei. -- Die ließ sie endlich bei ihrer Meinung, die ihr niemand auszureden vermochte, und erinnerte sie an die religiösen Begriffe von Madame R..Vergebung der Sünde und Heiland -- allein die Verzweiflung über die eingebildete Sünde blieb noch immer da, bis die ihr sagte: Madam R..Wenn wir keine Sünde gethan hätten, brauchten wir ja auch keinen Heiland. -- So unrichtig und schädlich diese Vorstellungsart nun in anderer Rücksicht seyn mag, so that sie doch hier eine vortreffliche Wirkung, um die Seelenkranke von der Verzweiflung zu retten. -- Diese Worte schlugen wie ein wohlgewähltes Arzneimittel bei ihr an, und von der Zeit fing sie an, ruhiger zu werden, arbeitete fleißig, und wurde völlig wieder hergestellt. Die zieht hier das vortreffliche Resultat: Madam R..
Bei einer Person, die sehr lebhaft traͤumte, und bei der sich die Traumideen vermuthlich mit den Wahrheitsideen vermischt hatten, so daß sie dieselben nicht mehr voneinander unterscheiden konnte, entstand dadurch zuletzt eine Art von Wahnwitz. — Sie bildete sich nehmlich ein, mit ihrem Mann die Ehe gebrochen zu haben, und gerieth daruͤber in eine Art von Raserei. — Die ließ sie endlich bei ihrer Meinung, die ihr niemand auszureden vermochte, und erinnerte sie an die religioͤsen Begriffe von Madame R..Vergebung der Suͤnde und Heiland — allein die Verzweiflung uͤber die eingebildete Suͤnde blieb noch immer da, bis die ihr sagte: Madam R..Wenn wir keine Suͤnde gethan haͤtten, brauchten wir ja auch keinen Heiland. — So unrichtig und schaͤdlich diese Vorstellungsart nun in anderer Ruͤcksicht seyn mag, so that sie doch hier eine vortreffliche Wirkung, um die Seelenkranke von der Verzweiflung zu retten. — Diese Worte schlugen wie ein wohlgewaͤhltes Arzneimittel bei ihr an, und von der Zeit fing sie an, ruhiger zu werden, arbeitete fleißig, und wurde voͤllig wieder hergestellt. Die zieht hier das vortreffliche Resultat: Madam R.. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0042" n="40"/><lb/> bung einiger Seelenkrankheiten zugleich sehr merkwuͤrdige Winke zu ihrer <hi rendition="#b">Heilung</hi> mitgetheilt hat. </p> <p>Bei einer Person, die sehr lebhaft traͤumte, und bei der sich die Traumideen vermuthlich mit den Wahrheitsideen vermischt hatten, so daß sie dieselben nicht mehr voneinander unterscheiden konnte, entstand dadurch zuletzt eine Art von Wahnwitz. — </p> <p>Sie bildete sich nehmlich ein, mit ihrem Mann die Ehe gebrochen zu haben, und gerieth daruͤber in eine Art von Raserei. — </p> <p>Die <persName ref="#ref0064"><note type="editorial">Reiske, Ernestine Christiane</note>Madame R..</persName> ließ sie endlich bei ihrer Meinung, die ihr niemand auszureden vermochte, und erinnerte sie an die religioͤsen Begriffe von <hi rendition="#b">Vergebung der Suͤnde </hi> und <hi rendition="#b">Heiland</hi> — allein die Verzweiflung uͤber die eingebildete Suͤnde blieb noch immer da, bis die <persName ref="#ref0064"><note type="editorial">Reiske, Ernestine Christiane</note>Madam R..</persName> ihr sagte: <hi rendition="#b">Wenn wir keine Suͤnde gethan haͤtten, brauchten wir ja auch keinen Heiland. —</hi> So unrichtig und schaͤdlich diese Vorstellungsart nun in anderer Ruͤcksicht seyn mag, so that sie doch hier eine vortreffliche Wirkung, um die Seelenkranke von der Verzweiflung zu retten. — Diese Worte schlugen wie ein wohlgewaͤhltes Arzneimittel bei ihr an, und von der Zeit fing sie an, ruhiger zu werden, arbeitete fleißig, und wurde voͤllig wieder hergestellt. </p> <p>Die <persName ref="#ref0064"><note type="editorial">Reiske, Ernestine Christiane</note>Madam R..</persName> zieht hier das vortreffliche Resultat: </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0042]
bung einiger Seelenkrankheiten zugleich sehr merkwuͤrdige Winke zu ihrer Heilung mitgetheilt hat.
Bei einer Person, die sehr lebhaft traͤumte, und bei der sich die Traumideen vermuthlich mit den Wahrheitsideen vermischt hatten, so daß sie dieselben nicht mehr voneinander unterscheiden konnte, entstand dadurch zuletzt eine Art von Wahnwitz. —
Sie bildete sich nehmlich ein, mit ihrem Mann die Ehe gebrochen zu haben, und gerieth daruͤber in eine Art von Raserei. —
Die Madame R.. ließ sie endlich bei ihrer Meinung, die ihr niemand auszureden vermochte, und erinnerte sie an die religioͤsen Begriffe von Vergebung der Suͤnde und Heiland — allein die Verzweiflung uͤber die eingebildete Suͤnde blieb noch immer da, bis die Madam R.. ihr sagte: Wenn wir keine Suͤnde gethan haͤtten, brauchten wir ja auch keinen Heiland. — So unrichtig und schaͤdlich diese Vorstellungsart nun in anderer Ruͤcksicht seyn mag, so that sie doch hier eine vortreffliche Wirkung, um die Seelenkranke von der Verzweiflung zu retten. — Diese Worte schlugen wie ein wohlgewaͤhltes Arzneimittel bei ihr an, und von der Zeit fing sie an, ruhiger zu werden, arbeitete fleißig, und wurde voͤllig wieder hergestellt.
Die Madam R.. zieht hier das vortreffliche Resultat:
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