Jndes kann es nicht fehlen, daß ein Traum, der zufälliger Weise auf die Art eintrift, eine ganz besondre Wirkung auf die Seele thun muß. -- Die Grenzlinien zwischen Wahrheit und Traum scheinen wegzufallen; man glaubt, man träume noch wachend.
Nichts ist daher natürlicher und wahrer gesagt, als die Worte der Frau des UlriciHerrn Pastor U.., da sie die Nachricht von dem Tode seines Freundes hörte: "Jsts möglich, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat (der UlriciHerr Pastor U.. hatte ihn ihr gleich beim Aufstehen erzählt) schon erfüllt zu sehen! -- wir träumen heute wohl alle -- und wollte Gott, wir träumten, so hätten wir unsren Freund noch! --"
Diese Bemerkung, dieser Wunsch, wie tief sind beide im Jnnersten der Seele gegründet! --
Zuletzt bemerkt der UlriciHerr Pastor U.. noch, daß in dem Hause seines verstorbenen Freundes nicht einmal eine Veränderung des Anzuges bei mehr als hundert Personen anzutreffen war. -- Vermuthlich, weil die Personen größtentheils Bauern waren, die immer ziemlich gleich gekleidet zu seyn pflegen, und weil die übrigen, da sie sich zu einem solchen Besuch nicht werden angeputzt haben, wahrscheinlich ihre gewöhnlichen Kleider trugen, worin sie der UlriciHerr Pastor U.. sonst im Wachen gesehen hatte, und also auch kein Grund vorhanden war, daß er sie im Traume hätte anders
Jndes kann es nicht fehlen, daß ein Traum, der zufaͤlliger Weise auf die Art eintrift, eine ganz besondre Wirkung auf die Seele thun muß. — Die Grenzlinien zwischen Wahrheit und Traum scheinen wegzufallen; man glaubt, man traͤume noch wachend.
Nichts ist daher natuͤrlicher und wahrer gesagt, als die Worte der Frau des UlriciHerrn Pastor U.., da sie die Nachricht von dem Tode seines Freundes hoͤrte: »Jsts moͤglich, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat (der UlriciHerr Pastor U.. hatte ihn ihr gleich beim Aufstehen erzaͤhlt) schon erfuͤllt zu sehen! — wir traͤumen heute wohl alle — und wollte Gott, wir traͤumten, so haͤtten wir unsren Freund noch! —«
Diese Bemerkung, dieser Wunsch, wie tief sind beide im Jnnersten der Seele gegruͤndet! —
Zuletzt bemerkt der UlriciHerr Pastor U.. noch, daß in dem Hause seines verstorbenen Freundes nicht einmal eine Veraͤnderung des Anzuges bei mehr als hundert Personen anzutreffen war. — Vermuthlich, weil die Personen groͤßtentheils Bauern waren, die immer ziemlich gleich gekleidet zu seyn pflegen, und weil die uͤbrigen, da sie sich zu einem solchen Besuch nicht werden angeputzt haben, wahrscheinlich ihre gewoͤhnlichen Kleider trugen, worin sie der UlriciHerr Pastor U.. sonst im Wachen gesehen hatte, und also auch kein Grund vorhanden war, daß er sie im Traume haͤtte anders
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Jndes kann es nicht fehlen, daß ein Traum, der zufaͤlliger Weise auf die Art eintrift, eine ganz besondre Wirkung auf die Seele thun muß. — Die Grenzlinien zwischen Wahrheit und Traum scheinen wegzufallen; man glaubt, man traͤume noch wachend.
Nichts ist daher natuͤrlicher und wahrer gesagt, als die Worte der Frau des Herrn Pastor U.., da sie die Nachricht von dem Tode seines Freundes hoͤrte: »Jsts moͤglich, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat (der Herr Pastor U.. hatte ihn ihr gleich beim Aufstehen erzaͤhlt) schon erfuͤllt zu sehen! — wir traͤumen heute wohl alle — und wollte Gott, wir traͤumten, so haͤtten wir unsren Freund noch! —«
Diese Bemerkung, dieser Wunsch, wie tief sind beide im Jnnersten der Seele gegruͤndet! —
Zuletzt bemerkt der Herr Pastor U.. noch, daß in dem Hause seines verstorbenen Freundes nicht einmal eine Veraͤnderung des Anzuges bei mehr als hundert Personen anzutreffen war. — Vermuthlich, weil die Personen groͤßtentheils Bauern waren, die immer ziemlich gleich gekleidet zu seyn pflegen, und weil die uͤbrigen, da sie sich zu einem solchen Besuch nicht werden angeputzt haben, wahrscheinlich ihre gewoͤhnlichen Kleider trugen, worin sie der Herr Pastor U.. sonst im Wachen gesehen hatte, und also auch kein Grund vorhanden war, daß er sie im Traume haͤtte anders
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/23>, abgerufen am 16.02.2025.
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