Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.Bei dergleichen Faktis wird es also vorzüglich darauf ankommen, daß man den verschiedenen Quellen des Lebensüberdrusses nachzuspüren sucht. Jch werde diejenigen Beiträge von der Art, welche etwa künftig einlaufen möchten, wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes unter eine eigne Nebenrubrik zu ordnen suchen, worunter nun auch alle Geschichten von Selbstmördern gehören. Diejenigen, welche mir etwa künftig dergleichen mittheilen wollen, ersuche ich, doch ja so viel Umstände, wie möglich, von der Erziehung, Lebensart und Umständen der Personen beizubringen, welche durch den Selbstmord sowohl ein Gegenstand des Mitleids, als der Aufmerksamkeit der Nachgebliebnen geworden sind. Ein Aufsatz von Herrn Jördens, wo derselbe von einer sonderbaren Wirkung erzählt, welche der Ausdruck und die Vorstellung vom Schlage gerührt seyn auf seine Einbildungskraft machte, kann auch noch mit zur Seelenkrankheitskunde gezogen werden: denn gesteht selbst, daß zu Herr J..wenige Abwechselung in seinen wissenschaftlichen Beschäftigungen und eine zu einförmige Lebensart seinen Geist für Ausartungen der Einbildungskraft empfänglicher gemacht hätten, und daher jene Vorstellung eine so außerordentliche Obergewalt in seiner Seele gewinnen konnte, daß sie dieselbe eine Zeitlang mit den schrecklichsten Bei dergleichen Faktis wird es also vorzuͤglich darauf ankommen, daß man den verschiedenen Quellen des Lebensuͤberdrusses nachzuspuͤren sucht. Jch werde diejenigen Beitraͤge von der Art, welche etwa kuͤnftig einlaufen moͤchten, wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes unter eine eigne Nebenrubrik zu ordnen suchen, worunter nun auch alle Geschichten von Selbstmoͤrdern gehoͤren. Diejenigen, welche mir etwa kuͤnftig dergleichen mittheilen wollen, ersuche ich, doch ja so viel Umstaͤnde, wie moͤglich, von der Erziehung, Lebensart und Umstaͤnden der Personen beizubringen, welche durch den Selbstmord sowohl ein Gegenstand des Mitleids, als der Aufmerksamkeit der Nachgebliebnen geworden sind. Ein Aufsatz von Herrn Joͤrdens, wo derselbe von einer sonderbaren Wirkung erzaͤhlt, welche der Ausdruck und die Vorstellung vom Schlage geruͤhrt seyn auf seine Einbildungskraft machte, kann auch noch mit zur Seelenkrankheitskunde gezogen werden: denn gesteht selbst, daß zu Herr J..wenige Abwechselung in seinen wissenschaftlichen Beschaͤftigungen und eine zu einfoͤrmige Lebensart seinen Geist fuͤr Ausartungen der Einbildungskraft empfaͤnglicher gemacht haͤtten, und daher jene Vorstellung eine so außerordentliche Obergewalt in seiner Seele gewinnen konnte, daß sie dieselbe eine Zeitlang mit den schrecklichsten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0014" n="12"/><lb/> <p>Bei dergleichen Faktis wird es also vorzuͤglich darauf ankommen, daß man den verschiedenen <hi rendition="#b">Quellen des Lebensuͤberdrusses</hi> nachzuspuͤren sucht. Jch werde diejenigen Beitraͤge von der Art, welche etwa kuͤnftig einlaufen moͤchten, wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes unter eine eigne Nebenrubrik zu ordnen suchen, worunter nun auch alle <hi rendition="#b">Geschichten von Selbstmoͤrdern</hi> gehoͤren. Diejenigen, welche mir etwa kuͤnftig dergleichen mittheilen wollen, ersuche ich, doch ja so viel Umstaͤnde, wie moͤglich, von der Erziehung, Lebensart und Umstaͤnden der Personen beizubringen, welche durch den Selbstmord sowohl ein Gegenstand des Mitleids, als der Aufmerksamkeit der Nachgebliebnen geworden sind. </p> <p>Ein Aufsatz von <hi rendition="#b">Herrn <persName ref="#ref0105"><note type="editorial">Joͤrdens, Karl Heinrich</note>Joͤrdens,</persName></hi> wo derselbe von einer sonderbaren Wirkung erzaͤhlt, welche der Ausdruck und die Vorstellung vom <hi rendition="#b">Schlage geruͤhrt seyn</hi> auf seine Einbildungskraft machte, kann auch noch mit zur Seelenkrankheitskunde gezogen werden: denn <persName ref="#ref0105"><note type="editorial">Joͤrdens, Karl Heinrich</note>Herr J..</persName> gesteht selbst, daß zu <hi rendition="#b">wenige Abwechselung in seinen wissenschaftlichen Beschaͤftigungen und eine zu einfoͤrmige Lebensart</hi> seinen Geist fuͤr Ausartungen der Einbildungskraft empfaͤnglicher gemacht haͤtten, und daher jene Vorstellung eine so außerordentliche Obergewalt in seiner Seele gewinnen konnte, daß sie dieselbe eine Zeitlang mit den schrecklichsten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0014]
Bei dergleichen Faktis wird es also vorzuͤglich darauf ankommen, daß man den verschiedenen Quellen des Lebensuͤberdrusses nachzuspuͤren sucht. Jch werde diejenigen Beitraͤge von der Art, welche etwa kuͤnftig einlaufen moͤchten, wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes unter eine eigne Nebenrubrik zu ordnen suchen, worunter nun auch alle Geschichten von Selbstmoͤrdern gehoͤren. Diejenigen, welche mir etwa kuͤnftig dergleichen mittheilen wollen, ersuche ich, doch ja so viel Umstaͤnde, wie moͤglich, von der Erziehung, Lebensart und Umstaͤnden der Personen beizubringen, welche durch den Selbstmord sowohl ein Gegenstand des Mitleids, als der Aufmerksamkeit der Nachgebliebnen geworden sind.
Ein Aufsatz von Herrn Joͤrdens, wo derselbe von einer sonderbaren Wirkung erzaͤhlt, welche der Ausdruck und die Vorstellung vom Schlage geruͤhrt seyn auf seine Einbildungskraft machte, kann auch noch mit zur Seelenkrankheitskunde gezogen werden: denn Herr J.. gesteht selbst, daß zu wenige Abwechselung in seinen wissenschaftlichen Beschaͤftigungen und eine zu einfoͤrmige Lebensart seinen Geist fuͤr Ausartungen der Einbildungskraft empfaͤnglicher gemacht haͤtten, und daher jene Vorstellung eine so außerordentliche Obergewalt in seiner Seele gewinnen konnte, daß sie dieselbe eine Zeitlang mit den schrecklichsten
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