Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
1772. Vor meiner Abreise von Lindau hatte ich die gnädige Erscheinung des Erlösers wieder gehabt, Morgens um halb fünf Uhr, auch wie im Traume und allemal weiß in der Kleidung und Person. 1773. Als ich nun mein Vaterland wieder verließ und zu meinem Ehegatten hinkam, machte er mir das Leben so bitter, denn er glaubte, daß ich daran sterben sollte; da entschloß ich mich, wider meine Gemüthsart, mit ihm zu raufen und zu schlagen, welcher dann zuerst todt ist, der sei todt, denn ich dachte, ich könnte Lebenslang eine solche widrige Ehe mit ihm haben, (wie es nachgehens auch geschehn war) und es stehe wohl in der heiligen Schrift: dieser Zeit Leiden ist nicht werth der Herrlichkeit, die an uns soll offenbahrt werden, aber mein Leiden sei grösser, und ging, wie allemahl, mit vielen Thränen zu Bette; Morgens erwachte
1772. Vor meiner Abreise von Lindau hatte ich die gnaͤdige Erscheinung des Erloͤsers wieder gehabt, Morgens um halb fuͤnf Uhr, auch wie im Traume und allemal weiß in der Kleidung und Person. 1773. Als ich nun mein Vaterland wieder verließ und zu meinem Ehegatten hinkam, machte er mir das Leben so bitter, denn er glaubte, daß ich daran sterben sollte; da entschloß ich mich, wider meine Gemuͤthsart, mit ihm zu raufen und zu schlagen, welcher dann zuerst todt ist, der sei todt, denn ich dachte, ich koͤnnte Lebenslang eine solche widrige Ehe mit ihm haben, (wie es nachgehens auch geschehn war) und es stehe wohl in der heiligen Schrift: dieser Zeit Leiden ist nicht werth der Herrlichkeit, die an uns soll offenbahrt werden, aber mein Leiden sei groͤsser, und ging, wie allemahl, mit vielen Thraͤnen zu Bette; Morgens erwachte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0128" n="126"/><lb/> junge Person sagte zu ihm: Herr, laß es genug seyn! und wiederholte es dreimahl; in waͤhrend er dieß sagte, sahe ich an ihm grosse weiße Fluͤgel wie Blitz, und wuste also, daß es ein Engel Gottes war; darnach ging der Schein weg, die Personen verschwanden, und der Tag wurde wieder in die Nacht verwandelt, und mir wurde das Herz wieder in seine Stelle gesetzt, und der Schmerz verging und ich stund gleich auf. Da war es fuͤnf Uhr. </p> <p>1772. Vor meiner Abreise von Lindau hatte ich die gnaͤdige Erscheinung des Erloͤsers wieder gehabt, Morgens um halb fuͤnf Uhr, auch wie im Traume und allemal weiß in der Kleidung und Person. </p> <p>1773. Als ich nun mein Vaterland wieder verließ und zu meinem Ehegatten hinkam, machte er mir das Leben so bitter, denn er glaubte, daß ich daran sterben sollte; da entschloß ich mich, wider meine Gemuͤthsart, mit ihm zu raufen und zu schlagen, welcher dann zuerst todt ist, der sei todt, denn ich dachte, ich koͤnnte Lebenslang eine solche widrige Ehe mit ihm haben, (wie es nachgehens auch geschehn war) und es stehe wohl in der heiligen Schrift: dieser Zeit Leiden ist nicht werth der Herrlichkeit, die an uns soll offenbahrt werden, aber mein Leiden sei groͤsser, und ging, wie allemahl, mit vielen Thraͤnen zu Bette; Morgens erwachte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0128]
junge Person sagte zu ihm: Herr, laß es genug seyn! und wiederholte es dreimahl; in waͤhrend er dieß sagte, sahe ich an ihm grosse weiße Fluͤgel wie Blitz, und wuste also, daß es ein Engel Gottes war; darnach ging der Schein weg, die Personen verschwanden, und der Tag wurde wieder in die Nacht verwandelt, und mir wurde das Herz wieder in seine Stelle gesetzt, und der Schmerz verging und ich stund gleich auf. Da war es fuͤnf Uhr.
1772. Vor meiner Abreise von Lindau hatte ich die gnaͤdige Erscheinung des Erloͤsers wieder gehabt, Morgens um halb fuͤnf Uhr, auch wie im Traume und allemal weiß in der Kleidung und Person.
1773. Als ich nun mein Vaterland wieder verließ und zu meinem Ehegatten hinkam, machte er mir das Leben so bitter, denn er glaubte, daß ich daran sterben sollte; da entschloß ich mich, wider meine Gemuͤthsart, mit ihm zu raufen und zu schlagen, welcher dann zuerst todt ist, der sei todt, denn ich dachte, ich koͤnnte Lebenslang eine solche widrige Ehe mit ihm haben, (wie es nachgehens auch geschehn war) und es stehe wohl in der heiligen Schrift: dieser Zeit Leiden ist nicht werth der Herrlichkeit, die an uns soll offenbahrt werden, aber mein Leiden sei groͤsser, und ging, wie allemahl, mit vielen Thraͤnen zu Bette; Morgens erwachte
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/128>, abgerufen am 16.02.2025. |