Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.Geständnisse über das Vermögen künftige Dinge vorherzusehen. ![]() Woher es kömmt, daß man mir mehr zutraut, als wirklich mein Wissen ist, weiß ich nicht; genug, man zwang mich aus Scherz Prophetin zu werden. Blos aus Geselligkeit, nachdem ich mich genug geweigert, sage ich jemanden allerlei Dinge, von denen ich behaupte, sie würden nie eintreffen. Jm Scherz gefodert, im Scherz gesagt, wie es zugegangen, daß es eingetroffen, weiß ich mir noch jetzt nicht zu erklären. Nachher sollte und muste ich den Weissagergeist haben; da ich aber sah, daß es bisweilen dazu diente, kleine Händel bei meinem Geschlechte zu stören, so nutzte ich die Einbildung meines Nächsten von mir zu einen guten moralischen Endzweck, glaubte hin und wieder Nutzen zu stiften. Aber wie es nun geht, das Außerordentliche setzt in Ruf. Da ich fand, daß der Glaube an mein Vorhersagen künftiger Dinge zu sehr befestiget ward, hielt ich ein, sagte nur aus Gefälligkeit gemeine Sachen, ließ es mir aber merken, daß mir solche Forderungen zuwider wären, und so hat es aufgehört. Nie habe ich etwas gesagt, was den Hörer in Schrecken setzen konnte. Aber lassen Sie sich einige Dinge erzählen: Gestaͤndnisse uͤber das Vermoͤgen kuͤnftige Dinge vorherzusehen. ![]() Woher es koͤmmt, daß man mir mehr zutraut, als wirklich mein Wissen ist, weiß ich nicht; genug, man zwang mich aus Scherz Prophetin zu werden. Blos aus Geselligkeit, nachdem ich mich genug geweigert, sage ich jemanden allerlei Dinge, von denen ich behaupte, sie wuͤrden nie eintreffen. Jm Scherz gefodert, im Scherz gesagt, wie es zugegangen, daß es eingetroffen, weiß ich mir noch jetzt nicht zu erklaͤren. Nachher sollte und muste ich den Weissagergeist haben; da ich aber sah, daß es bisweilen dazu diente, kleine Haͤndel bei meinem Geschlechte zu stoͤren, so nutzte ich die Einbildung meines Naͤchsten von mir zu einen guten moralischen Endzweck, glaubte hin und wieder Nutzen zu stiften. Aber wie es nun geht, das Außerordentliche setzt in Ruf. Da ich fand, daß der Glaube an mein Vorhersagen kuͤnftiger Dinge zu sehr befestiget ward, hielt ich ein, sagte nur aus Gefaͤlligkeit gemeine Sachen, ließ es mir aber merken, daß mir solche Forderungen zuwider waͤren, und so hat es aufgehoͤrt. Nie habe ich etwas gesagt, was den Hoͤrer in Schrecken setzen konnte. Aber lassen Sie sich einige Dinge erzaͤhlen: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0112" n="110"/><lb/><lb/> <div n="2"> <head>Gestaͤndnisse uͤber das Vermoͤgen kuͤnftige Dinge vorherzusehen.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref89"><note type="editorial"/>Anonym [**]</persName> </bibl> </note> <p>Woher es koͤmmt, daß man mir mehr zutraut, als wirklich mein Wissen ist, weiß ich nicht; genug, man zwang mich aus Scherz Prophetin zu werden. </p> <p>Blos aus Geselligkeit, nachdem ich mich genug geweigert, sage ich jemanden allerlei Dinge, von denen ich behaupte, sie wuͤrden nie eintreffen. </p> <p>Jm Scherz gefodert, im Scherz gesagt, wie es zugegangen, daß es eingetroffen, weiß ich mir noch jetzt nicht zu erklaͤren. </p> <p>Nachher sollte und muste ich den Weissagergeist haben; da ich aber sah, daß es bisweilen dazu diente, kleine Haͤndel bei meinem Geschlechte zu stoͤren, so nutzte ich die Einbildung meines Naͤchsten von mir zu einen guten moralischen Endzweck, glaubte hin und wieder Nutzen zu stiften. </p> <p>Aber wie es nun geht, das Außerordentliche setzt in Ruf. </p> <p>Da ich fand, daß der Glaube an mein Vorhersagen kuͤnftiger Dinge zu sehr befestiget ward, hielt ich ein, sagte nur aus Gefaͤlligkeit gemeine Sachen, ließ es mir aber merken, daß mir solche Forderungen zuwider waͤren, und so hat es aufgehoͤrt. </p> <p>Nie habe ich etwas gesagt, was den Hoͤrer in Schrecken setzen konnte. Aber lassen Sie sich einige Dinge erzaͤhlen: </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0112]
Gestaͤndnisse uͤber das Vermoͤgen kuͤnftige Dinge vorherzusehen.
Woher es koͤmmt, daß man mir mehr zutraut, als wirklich mein Wissen ist, weiß ich nicht; genug, man zwang mich aus Scherz Prophetin zu werden.
Blos aus Geselligkeit, nachdem ich mich genug geweigert, sage ich jemanden allerlei Dinge, von denen ich behaupte, sie wuͤrden nie eintreffen.
Jm Scherz gefodert, im Scherz gesagt, wie es zugegangen, daß es eingetroffen, weiß ich mir noch jetzt nicht zu erklaͤren.
Nachher sollte und muste ich den Weissagergeist haben; da ich aber sah, daß es bisweilen dazu diente, kleine Haͤndel bei meinem Geschlechte zu stoͤren, so nutzte ich die Einbildung meines Naͤchsten von mir zu einen guten moralischen Endzweck, glaubte hin und wieder Nutzen zu stiften.
Aber wie es nun geht, das Außerordentliche setzt in Ruf.
Da ich fand, daß der Glaube an mein Vorhersagen kuͤnftiger Dinge zu sehr befestiget ward, hielt ich ein, sagte nur aus Gefaͤlligkeit gemeine Sachen, ließ es mir aber merken, daß mir solche Forderungen zuwider waͤren, und so hat es aufgehoͤrt.
Nie habe ich etwas gesagt, was den Hoͤrer in Schrecken setzen konnte. Aber lassen Sie sich einige Dinge erzaͤhlen:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/112 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/112>, abgerufen am 16.02.2025. |