Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
Du, und ich, in B.! -- nur freilich noch auf ein paar Jahre ein vergeblicher Wunsch. -- Dem Hange zur Traurigkeit suche so viel als möglich nicht nachzuhängen, ich weiß es selbst aus Erfahrung, giebt man einmal einem traurigen Gedanken Platz in der Seele: so sucht er sich in ihr zu befestigen, und selbst die Waffen der Vernunft vermögen nichts gegen ihn. Suche Dich alsdann so viel als möglich zu zerstreuen: damit solche Gedanken nicht bei Dir einwurzeln. So schreibt ein Student schon aus seiner Erfahrung dem durch Schicksale geprüften Manne Regeln vor. Jch wollte Dir wohl meine schwachen Versuche von Predigten zuschicken, allein ich habe solche nur Einmal schriftlich liegen, und dazu etwas unleserlich. Am 2ten Februar kam ich hier Abends um acht Uhr an, und an dem darauf folgenden Sonntage als am 4ten Februar predigte ich zuerst hier vor dem Petri Thore über das Evangelium am Tage der Reinigung Maria, Luc. 4, 22-32. und nahm von dem herrlichen Ende des frommen Simeon eine Veranlassung die angelegentliche Wahrheit zu betrachten: "Nur der wahre Christ, der Freund Gottes und der Tugend kann nicht anders als mit Freuden an den Tod denken."
Du, und ich, in B.! — nur freilich noch auf ein paar Jahre ein vergeblicher Wunsch. — Dem Hange zur Traurigkeit suche so viel als moͤglich nicht nachzuhaͤngen, ich weiß es selbst aus Erfahrung, giebt man einmal einem traurigen Gedanken Platz in der Seele: so sucht er sich in ihr zu befestigen, und selbst die Waffen der Vernunft vermoͤgen nichts gegen ihn. Suche Dich alsdann so viel als moͤglich zu zerstreuen: damit solche Gedanken nicht bei Dir einwurzeln. So schreibt ein Student schon aus seiner Erfahrung dem durch Schicksale gepruͤften Manne Regeln vor. Jch wollte Dir wohl meine schwachen Versuche von Predigten zuschicken, allein ich habe solche nur Einmal schriftlich liegen, und dazu etwas unleserlich. Am 2ten Februar kam ich hier Abends um acht Uhr an, und an dem darauf folgenden Sonntage als am 4ten Februar predigte ich zuerst hier vor dem Petri Thore uͤber das Evangelium am Tage der Reinigung Maria, Luc. 4, 22-32. und nahm von dem herrlichen Ende des frommen Simeon eine Veranlassung die angelegentliche Wahrheit zu betrachten: »Nur der wahre Christ, der Freund Gottes und der Tugend kann nicht anders als mit Freuden an den Tod denken.« <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0103" n="101"/><lb/> Gedanke, o meine Lieblings-Grille — Mittel-Punkt meiner Wuͤnsche, wohin sie sich alle sehnen. </p> <p>Du, und ich, in B.! — nur freilich noch auf ein paar Jahre ein vergeblicher Wunsch. — </p> <p>Dem Hange zur Traurigkeit suche so viel als moͤglich nicht nachzuhaͤngen, ich weiß es selbst aus Erfahrung, giebt man einmal einem traurigen Gedanken Platz in der Seele: so sucht er sich in ihr zu befestigen, und selbst die Waffen der Vernunft vermoͤgen nichts gegen ihn. Suche Dich alsdann so viel als moͤglich zu zerstreuen: damit solche Gedanken nicht bei Dir einwurzeln. </p> <p>So schreibt ein Student schon aus seiner Erfahrung dem durch Schicksale gepruͤften Manne Regeln vor. </p> <p>Jch wollte Dir wohl meine schwachen Versuche von Predigten zuschicken, allein ich habe solche nur Einmal schriftlich liegen, und dazu etwas unleserlich. Am 2ten Februar kam ich hier Abends um acht Uhr an, und an dem darauf folgenden Sonntage als am 4ten Februar predigte ich zuerst hier vor dem Petri Thore uͤber das Evangelium am Tage der Reinigung Maria, Luc. 4, 22-32. und nahm von dem herrlichen Ende des frommen Simeon eine Veranlassung die angelegentliche Wahrheit zu betrachten: </p> <p> <hi rendition="#b">»Nur der wahre Christ, der Freund Gottes und der Tugend kann nicht anders als mit Freuden an den Tod denken.«</hi> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0103]
Gedanke, o meine Lieblings-Grille — Mittel-Punkt meiner Wuͤnsche, wohin sie sich alle sehnen.
Du, und ich, in B.! — nur freilich noch auf ein paar Jahre ein vergeblicher Wunsch. —
Dem Hange zur Traurigkeit suche so viel als moͤglich nicht nachzuhaͤngen, ich weiß es selbst aus Erfahrung, giebt man einmal einem traurigen Gedanken Platz in der Seele: so sucht er sich in ihr zu befestigen, und selbst die Waffen der Vernunft vermoͤgen nichts gegen ihn. Suche Dich alsdann so viel als moͤglich zu zerstreuen: damit solche Gedanken nicht bei Dir einwurzeln.
So schreibt ein Student schon aus seiner Erfahrung dem durch Schicksale gepruͤften Manne Regeln vor.
Jch wollte Dir wohl meine schwachen Versuche von Predigten zuschicken, allein ich habe solche nur Einmal schriftlich liegen, und dazu etwas unleserlich. Am 2ten Februar kam ich hier Abends um acht Uhr an, und an dem darauf folgenden Sonntage als am 4ten Februar predigte ich zuerst hier vor dem Petri Thore uͤber das Evangelium am Tage der Reinigung Maria, Luc. 4, 22-32. und nahm von dem herrlichen Ende des frommen Simeon eine Veranlassung die angelegentliche Wahrheit zu betrachten:
»Nur der wahre Christ, der Freund Gottes und der Tugend kann nicht anders als mit Freuden an den Tod denken.«
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |