wird, sich da eine Ursach hinzudenken, wo sie auch nicht in die Sinne fällt, oder überhaupt ganz unbekannt ist. Unsere Seele fühlt gemeiniglich eine Art von besonderer Unruhe, so lange sie noch nicht die zureichende Ursache einer Begebenheit kennt, und in dieser Unruhe fühlt der Mensch sich besonders sehr geneigt, zur Befriedigung seiner Wißbegierde Ursachen zu fingiren, und diese fingirten für die wahren zu halten. Ein Fehler, worein oft selbst die größten Köpfe gefallen sind. Der gemeine Menschenverstand nimmt hiebei seine Zuflucht gemeiniglich zu einem Mittel, wodurch er auf einmal seine Wißbegierde, ohne daß er schwerere Untersuchungen über die Natur der Dinge nöthig hat, zu befriedigen glaubt, und wobei seine Phantasie zugleich auf eine angenehme Art unterhalten wird -- er macht unsichtbare Wesen zu den Ursachen ihm unerklärbarer Begebenheiten. Je mehr dergleichen Begebenheiten der, mit den natürlichen Beschaffenheiten der Dinge unbekannte menschliche Verstand in der Welt antraf, je geneigter mußte er sich fühlen, an jene unsichtbaren Geister zu glauben, und ihre unmittelbare Einwürkung auf die Welt sich bei den natürlichsten Zufällen vorzustellen, von denen er nicht den physischen Grund kannte. Es ist daher wohl nicht zu läugnen, daß die Menschen nicht durch tiefes Nachdenken, oder Offenbarungen, sondern durch Unwissenheit in der Naturlehre, und durch die Neigung zum Wunderbaren zuerst auf die Be-
wird, sich da eine Ursach hinzudenken, wo sie auch nicht in die Sinne faͤllt, oder uͤberhaupt ganz unbekannt ist. Unsere Seele fuͤhlt gemeiniglich eine Art von besonderer Unruhe, so lange sie noch nicht die zureichende Ursache einer Begebenheit kennt, und in dieser Unruhe fuͤhlt der Mensch sich besonders sehr geneigt, zur Befriedigung seiner Wißbegierde Ursachen zu fingiren, und diese fingirten fuͤr die wahren zu halten. Ein Fehler, worein oft selbst die groͤßten Koͤpfe gefallen sind. Der gemeine Menschenverstand nimmt hiebei seine Zuflucht gemeiniglich zu einem Mittel, wodurch er auf einmal seine Wißbegierde, ohne daß er schwerere Untersuchungen uͤber die Natur der Dinge noͤthig hat, zu befriedigen glaubt, und wobei seine Phantasie zugleich auf eine angenehme Art unterhalten wird — er macht unsichtbare Wesen zu den Ursachen ihm unerklaͤrbarer Begebenheiten. Je mehr dergleichen Begebenheiten der, mit den natuͤrlichen Beschaffenheiten der Dinge unbekannte menschliche Verstand in der Welt antraf, je geneigter mußte er sich fuͤhlen, an jene unsichtbaren Geister zu glauben, und ihre unmittelbare Einwuͤrkung auf die Welt sich bei den natuͤrlichsten Zufaͤllen vorzustellen, von denen er nicht den physischen Grund kannte. Es ist daher wohl nicht zu laͤugnen, daß die Menschen nicht durch tiefes Nachdenken, oder Offenbarungen, sondern durch Unwissenheit in der Naturlehre, und durch die Neigung zum Wunderbaren zuerst auf die Be-
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wird, sich da eine Ursach hinzudenken, wo sie auch nicht in die Sinne faͤllt, oder uͤberhaupt ganz unbekannt ist. Unsere Seele fuͤhlt gemeiniglich eine Art von besonderer Unruhe, so lange sie noch nicht die zureichende Ursache einer Begebenheit kennt, und in dieser Unruhe fuͤhlt der Mensch sich besonders sehr geneigt, zur Befriedigung seiner Wißbegierde Ursachen zu fingiren, und diese fingirten fuͤr die wahren zu halten. Ein Fehler, worein oft selbst die groͤßten Koͤpfe gefallen sind. Der gemeine Menschenverstand nimmt hiebei seine Zuflucht gemeiniglich zu einem Mittel, wodurch er auf einmal seine Wißbegierde, ohne daß er schwerere Untersuchungen uͤber die Natur der Dinge noͤthig hat, zu befriedigen glaubt, und wobei seine Phantasie zugleich auf eine angenehme Art unterhalten wird — er macht unsichtbare Wesen zu den Ursachen ihm unerklaͤrbarer Begebenheiten. Je mehr dergleichen Begebenheiten der, mit den natuͤrlichen Beschaffenheiten der Dinge unbekannte menschliche Verstand in der Welt antraf, je geneigter mußte er sich fuͤhlen, an jene unsichtbaren Geister zu glauben, und ihre unmittelbare Einwuͤrkung auf die Welt sich bei den natuͤrlichsten Zufaͤllen vorzustellen, von denen er nicht den physischen Grund kannte. Es ist daher wohl nicht zu laͤugnen, daß die Menschen nicht durch tiefes Nachdenken, oder Offenbarungen, sondern durch Unwissenheit in der Naturlehre, und durch die Neigung zum Wunderbaren zuerst auf die Be-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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wird, sich da eine Ursach hinzudenken, wo sie auch nicht in die Sinne faͤllt, oder uͤberhaupt ganz unbekannt ist. Unsere Seele fuͤhlt gemeiniglich eine Art von besonderer Unruhe, so lange sie noch nicht die zureichende Ursache einer Begebenheit kennt, und in dieser Unruhe fuͤhlt der Mensch sich besonders sehr geneigt, zur Befriedigung seiner Wißbegierde Ursachen zu fingiren, und diese fingirten fuͤr die wahren zu halten. Ein Fehler, worein oft selbst die groͤßten Koͤpfe gefallen sind. Der gemeine Menschenverstand nimmt hiebei seine Zuflucht gemeiniglich zu einem Mittel, wodurch er auf einmal seine Wißbegierde, ohne daß er schwerere Untersuchungen uͤber die Natur der Dinge noͤthig hat, zu befriedigen glaubt, und wobei seine Phantasie zugleich auf eine angenehme Art unterhalten wird — er macht unsichtbare Wesen zu den Ursachen ihm unerklaͤrbarer Begebenheiten. Je mehr dergleichen Begebenheiten der, mit den natuͤrlichen Beschaffenheiten der Dinge unbekannte menschliche Verstand in der Welt antraf, je geneigter mußte er sich fuͤhlen, an jene unsichtbaren Geister zu glauben, und ihre unmittelbare Einwuͤrkung auf die Welt sich bei den natuͤrlichsten Zufaͤllen vorzustellen, von denen er nicht den physischen Grund kannte. Es ist daher wohl nicht zu laͤugnen, daß die Menschen nicht durch tiefes Nachdenken, oder Offenbarungen, sondern durch Unwissenheit in der Naturlehre, und durch die Neigung zum Wunderbaren zuerst auf die Be-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/83>, abgerufen am 18.07.2024.
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