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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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ich ergriff, um nur diesem schrecklichen Zustande ein Ende zu machen, verzweiflungsvoll das Messer --

So muste ich also erst auf dem höchsten Gipfel der Verzweiflung geführt werden, mein Blick sich in der Tiefe des Abgrunds verlieren, über welchen ich schon mit einem Fuße schwebte! Je tiefer diese Kluft ist, desto leichter kann sich der Mensch oft retten, geschwind zieht er den schwankenden Fuß zurück und stürzt vielleicht öfter, bei minderer Tiefe hinein. Ohne Bild: je näher solche Aufwallungen, wie dieser Blutdurst, den Zweck vor sich haben, je näher und je größer ihnen die Gefahr scheint; desto stärker ist ihre Wirkung; alle sonst nicht unwirksame Hindernisse werden blindlings übersprungen, und eben so stark und schnell wirkend müssen die Gegenmittel seyn, wenn sich ihre Hitze legen soll. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn das Messer nicht gerade so beschaffen und ein anderer als mein Bruder, mir nahe gewesen; hätte anders dieser rasende Einfall, nach den bisherigen Vermuthungen, unter veränderten Umstanden zu der Reife gedeihen können.



ich ergriff, um nur diesem schrecklichen Zustande ein Ende zu machen, verzweiflungsvoll das Messer —

So muste ich also erst auf dem hoͤchsten Gipfel der Verzweiflung gefuͤhrt werden, mein Blick sich in der Tiefe des Abgrunds verlieren, uͤber welchen ich schon mit einem Fuße schwebte! Je tiefer diese Kluft ist, desto leichter kann sich der Mensch oft retten, geschwind zieht er den schwankenden Fuß zuruͤck und stuͤrzt vielleicht oͤfter, bei minderer Tiefe hinein. Ohne Bild: je naͤher solche Aufwallungen, wie dieser Blutdurst, den Zweck vor sich haben, je naͤher und je groͤßer ihnen die Gefahr scheint; desto staͤrker ist ihre Wirkung; alle sonst nicht unwirksame Hindernisse werden blindlings uͤbersprungen, und eben so stark und schnell wirkend muͤssen die Gegenmittel seyn, wenn sich ihre Hitze legen soll. Wer weiß, was geschehen waͤre, wenn das Messer nicht gerade so beschaffen und ein anderer als mein Bruder, mir nahe gewesen; haͤtte anders dieser rasende Einfall, nach den bisherigen Vermuthungen, unter veraͤnderten Umstanden zu der Reife gedeihen koͤnnen.


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[72/0072] ich ergriff, um nur diesem schrecklichen Zustande ein Ende zu machen, verzweiflungsvoll das Messer — So muste ich also erst auf dem hoͤchsten Gipfel der Verzweiflung gefuͤhrt werden, mein Blick sich in der Tiefe des Abgrunds verlieren, uͤber welchen ich schon mit einem Fuße schwebte! Je tiefer diese Kluft ist, desto leichter kann sich der Mensch oft retten, geschwind zieht er den schwankenden Fuß zuruͤck und stuͤrzt vielleicht oͤfter, bei minderer Tiefe hinein. Ohne Bild: je naͤher solche Aufwallungen, wie dieser Blutdurst, den Zweck vor sich haben, je naͤher und je groͤßer ihnen die Gefahr scheint; desto staͤrker ist ihre Wirkung; alle sonst nicht unwirksame Hindernisse werden blindlings uͤbersprungen, und eben so stark und schnell wirkend muͤssen die Gegenmittel seyn, wenn sich ihre Hitze legen soll. Wer weiß, was geschehen waͤre, wenn das Messer nicht gerade so beschaffen und ein anderer als mein Bruder, mir nahe gewesen; haͤtte anders dieser rasende Einfall, nach den bisherigen Vermuthungen, unter veraͤnderten Umstanden zu der Reife gedeihen koͤnnen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/72>, abgerufen am 25.11.2024.