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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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Furchtsamkeit scheint überhaupt eine Eigenheit meines Temperaments, dessen Einwirkung auf solche Erscheinungen gewiß nicht gering ist, in jenen Jahren gewesen zu seyn. Ein Umstand, der immer eine äusserste Nervenschwachheit voraussetzt. Ein Donnerschlag erschütterte mich aufs heftigste, und ein starker Sturm zur Nacht konnte nach meiner Einbildung Himmel und Erde bewegen, und ein naher Vorbote des letzten Tages seyn. Vorstellungen, die gar wohl, wo nicht ihr Daseyn, doch ihre Nahrung und Stärke, von damaligen theologischen Unterricht erhalten konnten. Ein Wink für Eltern und Lehrer, das Gefühl der Furcht bei diesem Kinde zu schwächen, bei jenen aber, wo es nöthig ist, zu schärfen, um sie auf die Mittelstrasse zwischen Unbesonnenheit und Muthlosigkeit, als die sicherste zu führen*).


*) Es giebt oft ganz besondere Aeusserungen der Furcht, insonderheit bei Kindern. Nur ein Erfahrungsbeispiel. G** ein Knabe von dreizehn Jahren, den Muth und Herzhaftigkeit aus beiden Augen strahlt, der nirgends Gefahr sieht, besonders sehr beherzt auf jedem Pferde ist, zittert vor Angst und Schrecken bei der geringsten schiefen Richtung des Wagens, worin er sich befindet. Aus keiner andern Ursach, als weil er, wie er sagt, das Pferd in seiner Gewalt habe, hingegen bei dem Fahren sich dem Willen des Fuhrmanns überlassen müsse. Sich dieser unwillkührlichen Furcht zu entschlagen, ist ihm bis jetzt noch nicht gelungen.

Furchtsamkeit scheint uͤberhaupt eine Eigenheit meines Temperaments, dessen Einwirkung auf solche Erscheinungen gewiß nicht gering ist, in jenen Jahren gewesen zu seyn. Ein Umstand, der immer eine aͤusserste Nervenschwachheit voraussetzt. Ein Donnerschlag erschuͤtterte mich aufs heftigste, und ein starker Sturm zur Nacht konnte nach meiner Einbildung Himmel und Erde bewegen, und ein naher Vorbote des letzten Tages seyn. Vorstellungen, die gar wohl, wo nicht ihr Daseyn, doch ihre Nahrung und Staͤrke, von damaligen theologischen Unterricht erhalten konnten. Ein Wink fuͤr Eltern und Lehrer, das Gefuͤhl der Furcht bei diesem Kinde zu schwaͤchen, bei jenen aber, wo es noͤthig ist, zu schaͤrfen, um sie auf die Mittelstrasse zwischen Unbesonnenheit und Muthlosigkeit, als die sicherste zu fuͤhren*).


*) Es giebt oft ganz besondere Aeusserungen der Furcht, insonderheit bei Kindern. Nur ein Erfahrungsbeispiel. G** ein Knabe von dreizehn Jahren, den Muth und Herzhaftigkeit aus beiden Augen strahlt, der nirgends Gefahr sieht, besonders sehr beherzt auf jedem Pferde ist, zittert vor Angst und Schrecken bei der geringsten schiefen Richtung des Wagens, worin er sich befindet. Aus keiner andern Ursach, als weil er, wie er sagt, das Pferd in seiner Gewalt habe, hingegen bei dem Fahren sich dem Willen des Fuhrmanns uͤberlassen muͤsse. Sich dieser unwillkuͤhrlichen Furcht zu entschlagen, ist ihm bis jetzt noch nicht gelungen.
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[67/0067] Furchtsamkeit scheint uͤberhaupt eine Eigenheit meines Temperaments, dessen Einwirkung auf solche Erscheinungen gewiß nicht gering ist, in jenen Jahren gewesen zu seyn. Ein Umstand, der immer eine aͤusserste Nervenschwachheit voraussetzt. Ein Donnerschlag erschuͤtterte mich aufs heftigste, und ein starker Sturm zur Nacht konnte nach meiner Einbildung Himmel und Erde bewegen, und ein naher Vorbote des letzten Tages seyn. Vorstellungen, die gar wohl, wo nicht ihr Daseyn, doch ihre Nahrung und Staͤrke, von damaligen theologischen Unterricht erhalten konnten. Ein Wink fuͤr Eltern und Lehrer, das Gefuͤhl der Furcht bei diesem Kinde zu schwaͤchen, bei jenen aber, wo es noͤthig ist, zu schaͤrfen, um sie auf die Mittelstrasse zwischen Unbesonnenheit und Muthlosigkeit, als die sicherste zu fuͤhren*) . *) Es giebt oft ganz besondere Aeusserungen der Furcht, insonderheit bei Kindern. Nur ein Erfahrungsbeispiel. G** ein Knabe von dreizehn Jahren, den Muth und Herzhaftigkeit aus beiden Augen strahlt, der nirgends Gefahr sieht, besonders sehr beherzt auf jedem Pferde ist, zittert vor Angst und Schrecken bei der geringsten schiefen Richtung des Wagens, worin er sich befindet. Aus keiner andern Ursach, als weil er, wie er sagt, das Pferd in seiner Gewalt habe, hingegen bei dem Fahren sich dem Willen des Fuhrmanns uͤberlassen muͤsse. Sich dieser unwillkuͤhrlichen Furcht zu entschlagen, ist ihm bis jetzt noch nicht gelungen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/67>, abgerufen am 22.11.2024.