werde) ist im Jahr 1710 zu Halberstadt von geringen Eltern geboren, und lebt noch bis jetzt hier in Quedlinburg, wo er seit mehr als 40 Jahren, bei der Fürstl. Stifts-Pröbstey, als Pröbsteybote in Diensten gestanden. Einen feinen Verstand, oder offenen Kopf, wie man bei dergleichen Leuten nach ihrer Art doch auch manchmal antrift, hat er nie gehabt. Er ist immer etwas simpel, aber doch in seinem Dienst überaus getreu und ehrlich gewesen, so, daß ich ihm in den sieben Jahren, da er unter mir gestanden nicht eine einzige Veruntreuung oder Bosheit nachreden kann, welches ich auch von meinem Vater, der vor mir an meiner Stelle gewesen, und über 30 Jahr mit ihm zuthun gehabt hat, erfahren habe. Bei aller seiner Einfalt hat er doch aber von jeher, immer die Gabe gehabt, Leute von seiner Art, in Gesellschaften, ohne jedoch ins Unanständige zu verfallen, zu ammüsiren, wozu besonders das sehr viel beitrug, daß er von Jugend auf, häufige Historienbücher gelesen und eine Menge von alten Geschichten und Anekdoten in seinem Kopfe hatte, von denen er auch zuweilen eine ziemlich passende Anwendung zu machen wuste. Mit seinem Posten ist die Stelle eines Zehendmeisters verbunden, und da er auch dies Amt an die 40 Jahre verwaltet hatte, so waren in der wirklich weitläuftigen Feldflur, die er unter seiner Aufsicht hatte, wenige Stücke Acker, deren Eigenthümer und Gerechtigkeiten er nicht gewußt
werde) ist im Jahr 1710 zu Halberstadt von geringen Eltern geboren, und lebt noch bis jetzt hier in Quedlinburg, wo er seit mehr als 40 Jahren, bei der Fuͤrstl. Stifts-Proͤbstey, als Proͤbsteybote in Diensten gestanden. Einen feinen Verstand, oder offenen Kopf, wie man bei dergleichen Leuten nach ihrer Art doch auch manchmal antrift, hat er nie gehabt. Er ist immer etwas simpel, aber doch in seinem Dienst uͤberaus getreu und ehrlich gewesen, so, daß ich ihm in den sieben Jahren, da er unter mir gestanden nicht eine einzige Veruntreuung oder Bosheit nachreden kann, welches ich auch von meinem Vater, der vor mir an meiner Stelle gewesen, und uͤber 30 Jahr mit ihm zuthun gehabt hat, erfahren habe. Bei aller seiner Einfalt hat er doch aber von jeher, immer die Gabe gehabt, Leute von seiner Art, in Gesellschaften, ohne jedoch ins Unanstaͤndige zu verfallen, zu ammuͤsiren, wozu besonders das sehr viel beitrug, daß er von Jugend auf, haͤufige Historienbuͤcher gelesen und eine Menge von alten Geschichten und Anekdoten in seinem Kopfe hatte, von denen er auch zuweilen eine ziemlich passende Anwendung zu machen wuste. Mit seinem Posten ist die Stelle eines Zehendmeisters verbunden, und da er auch dies Amt an die 40 Jahre verwaltet hatte, so waren in der wirklich weitlaͤuftigen Feldflur, die er unter seiner Aufsicht hatte, wenige Stuͤcke Acker, deren Eigenthuͤmer und Gerechtigkeiten er nicht gewußt
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werde) ist im Jahr 1710 zu Halberstadt von geringen Eltern geboren, und lebt noch bis jetzt hier in Quedlinburg, wo er seit mehr als 40 Jahren, bei der Fuͤrstl. Stifts-Proͤbstey, als Proͤbsteybote in Diensten gestanden. Einen feinen Verstand, oder offenen Kopf, wie man bei dergleichen Leuten nach ihrer Art doch auch manchmal antrift, hat er nie gehabt. Er ist immer etwas simpel, aber doch in seinem Dienst uͤberaus getreu und ehrlich gewesen, so, daß ich ihm in den sieben Jahren, da er unter mir gestanden nicht eine einzige Veruntreuung oder Bosheit nachreden kann, welches ich auch von meinem Vater, der vor mir an meiner Stelle gewesen, und uͤber 30 Jahr mit ihm zuthun gehabt hat, erfahren habe. Bei aller seiner Einfalt hat er doch aber von jeher, immer die Gabe gehabt, Leute von seiner Art, in Gesellschaften, ohne jedoch ins Unanstaͤndige zu verfallen, zu ammuͤsiren, wozu besonders das sehr viel beitrug, daß er von Jugend auf, haͤufige Historienbuͤcher gelesen und eine Menge von alten Geschichten und Anekdoten in seinem Kopfe hatte, von denen er auch zuweilen eine ziemlich passende Anwendung zu machen wuste. Mit seinem Posten ist die Stelle eines <hirendition="#b">Zehendmeisters </hi>verbunden, und da er auch dies Amt an die 40 Jahre verwaltet hatte, so waren in der wirklich weitlaͤuftigen Feldflur, die er unter seiner Aufsicht hatte, wenige Stuͤcke Acker, deren Eigenthuͤmer und Gerechtigkeiten er nicht gewußt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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werde) ist im Jahr 1710 zu Halberstadt von geringen Eltern geboren, und lebt noch bis jetzt hier in Quedlinburg, wo er seit mehr als 40 Jahren, bei der Fuͤrstl. Stifts-Proͤbstey, als Proͤbsteybote in Diensten gestanden. Einen feinen Verstand, oder offenen Kopf, wie man bei dergleichen Leuten nach ihrer Art doch auch manchmal antrift, hat er nie gehabt. Er ist immer etwas simpel, aber doch in seinem Dienst uͤberaus getreu und ehrlich gewesen, so, daß ich ihm in den sieben Jahren, da er unter mir gestanden nicht eine einzige Veruntreuung oder Bosheit nachreden kann, welches ich auch von meinem Vater, der vor mir an meiner Stelle gewesen, und uͤber 30 Jahr mit ihm zuthun gehabt hat, erfahren habe. Bei aller seiner Einfalt hat er doch aber von jeher, immer die Gabe gehabt, Leute von seiner Art, in Gesellschaften, ohne jedoch ins Unanstaͤndige zu verfallen, zu ammuͤsiren, wozu besonders das sehr viel beitrug, daß er von Jugend auf, haͤufige Historienbuͤcher gelesen und eine Menge von alten Geschichten und Anekdoten in seinem Kopfe hatte, von denen er auch zuweilen eine ziemlich passende Anwendung zu machen wuste. Mit seinem Posten ist die Stelle eines Zehendmeisters verbunden, und da er auch dies Amt an die 40 Jahre verwaltet hatte, so waren in der wirklich weitlaͤuftigen Feldflur, die er unter seiner Aufsicht hatte, wenige Stuͤcke Acker, deren Eigenthuͤmer und Gerechtigkeiten er nicht gewußt
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/15>, abgerufen am 16.02.2025.
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