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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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Zwar war ich in Gesellschaft und zu Hause meist munter und lustig, aber doch hatte ich auch oft Stunden, wo ich vor Sehnsucht nach meinem Mädchen fast verging. Den 18ten März eben dieses Jahrs fiel eigentlich die Begebenheit, die ich für merkwürdig halte, vor. Jch war ausgelassen lustig -- so daß sich auch meine Freunde, die mich nie so gesehen hatten, äußerst verwunderten. Um 5 Uhr Abends war mirs, als zupfte mich was, ich sah herum; in der Stube war nichts, aber in meiner Seele stund mein Mädchen vor mir, halb nackt, lachte und schabte mir, wie man zu sagen pflegt, ein Rübchen. Nun weiß ich fast gar nicht, was eine halbe Stunde lang um mich vorging! Hernach fiel ich in die tieffste Traurigkeit -- alles war mir verhaßt -- auf einmal wurde mirs leicht, und ich konnte weinen, wuste aber nicht warum. -- Drauf kam wieder ein Schauer -- und der Gedanke -- sie ist gefallen! -- Jch setzte mich hin und schrieb --

Den 18ten März!

Ahndung -- schauerliche fürchterliche Ahndung! heute nach fünf Uhr ist Louise gestorben -- tod für mich! -- bald kommt die Todtenpost --

Hierauf ward ich ruhig. -- Am andern Tag kam meine vorige Heiterkeit wieder -- ich las den Zettel und lachte darüber. Aber -- das Mädchen


Zwar war ich in Gesellschaft und zu Hause meist munter und lustig, aber doch hatte ich auch oft Stunden, wo ich vor Sehnsucht nach meinem Maͤdchen fast verging. Den 18ten Maͤrz eben dieses Jahrs fiel eigentlich die Begebenheit, die ich fuͤr merkwuͤrdig halte, vor. Jch war ausgelassen lustig — so daß sich auch meine Freunde, die mich nie so gesehen hatten, aͤußerst verwunderten. Um 5 Uhr Abends war mirs, als zupfte mich was, ich sah herum; in der Stube war nichts, aber in meiner Seele stund mein Maͤdchen vor mir, halb nackt, lachte und schabte mir, wie man zu sagen pflegt, ein Ruͤbchen. Nun weiß ich fast gar nicht, was eine halbe Stunde lang um mich vorging! Hernach fiel ich in die tieffste Traurigkeit — alles war mir verhaßt — auf einmal wurde mirs leicht, und ich konnte weinen, wuste aber nicht warum. — Drauf kam wieder ein Schauer — und der Gedanke — sie ist gefallen! — Jch setzte mich hin und schrieb —

Den 18ten Maͤrz!

Ahndung — schauerliche fuͤrchterliche Ahndung! heute nach fuͤnf Uhr ist Louise gestorben — tod fuͤr mich! — bald kommt die Todtenpost —

Hierauf ward ich ruhig. — Am andern Tag kam meine vorige Heiterkeit wieder — ich las den Zettel und lachte daruͤber. Aber — das Maͤdchen

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[105/0105] Zwar war ich in Gesellschaft und zu Hause meist munter und lustig, aber doch hatte ich auch oft Stunden, wo ich vor Sehnsucht nach meinem Maͤdchen fast verging. Den 18ten Maͤrz eben dieses Jahrs fiel eigentlich die Begebenheit, die ich fuͤr merkwuͤrdig halte, vor. Jch war ausgelassen lustig — so daß sich auch meine Freunde, die mich nie so gesehen hatten, aͤußerst verwunderten. Um 5 Uhr Abends war mirs, als zupfte mich was, ich sah herum; in der Stube war nichts, aber in meiner Seele stund mein Maͤdchen vor mir, halb nackt, lachte und schabte mir, wie man zu sagen pflegt, ein Ruͤbchen. Nun weiß ich fast gar nicht, was eine halbe Stunde lang um mich vorging! Hernach fiel ich in die tieffste Traurigkeit — alles war mir verhaßt — auf einmal wurde mirs leicht, und ich konnte weinen, wuste aber nicht warum. — Drauf kam wieder ein Schauer — und der Gedanke — sie ist gefallen! — Jch setzte mich hin und schrieb — Den 18ten Maͤrz! Ahndung — schauerliche fuͤrchterliche Ahndung! heute nach fuͤnf Uhr ist Louise gestorben — tod fuͤr mich! — bald kommt die Todtenpost — Hierauf ward ich ruhig. — Am andern Tag kam meine vorige Heiterkeit wieder — ich las den Zettel und lachte daruͤber. Aber — das Maͤdchen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/105>, abgerufen am 23.11.2024.