Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


te mich eilig auf meine fast zwanzig Meilen weite Rückreise, ohne mich erst ordentlich ausgeruht zu haben.

Meine Tour ging über Rinteln, wo ich meinen alten Freund den Herrn Professor Kümmel besuchte; auch machte ich daselbst einer vornehmen Dame mein Kompliment. Aber Himmel, wie erschrack ich, als mir diese die Nachricht vom Tode der Frau Pastorin S. noch ganz warm mittheilte! Jch weiß fast selbst nicht, wie ich zum Hause herauskam, und wohl ein Paar Stunden ging ich herum, ohne zu bemerken, wo, bis ich wieder zu meinem Freund Kümmel kam. Die unerschöpfliche Beredsamkeit und der muntere Witz dieses gelehrten Mannes konnten nur bei mir ihrer Wirkung verfehlen; seine gütige Bemühung, mich zu erheitern, war umsonst. Es konnte nicht fehlen, daß die heftige Erschütterung meines Gemüths von üblen Folgen auf meine Gesundheit begleitet werden mußte. -- Erst nach ein Paar Tagen, die ich in dem Hause meines gelehrten Freundes, unter der entkräftenden Bemühung, meinen Gram zu verbeissen, zugebracht hatte, befand ich mich wieder im Stande, meine Rückreise von neuem anzutreten.

Niemand konnte mich hier besser trösten, als, wer hätte es denken sollen? der Gatte meiner seeligen Freundin. Er versicherte mir, seine seelige Frau habe sich nach meiner Abreise, bis auf die letzte Stunde ihres Lebens, wohlbefunden. Auf ein-


te mich eilig auf meine fast zwanzig Meilen weite Ruͤckreise, ohne mich erst ordentlich ausgeruht zu haben.

Meine Tour ging uͤber Rinteln, wo ich meinen alten Freund den Herrn Professor Kuͤmmel besuchte; auch machte ich daselbst einer vornehmen Dame mein Kompliment. Aber Himmel, wie erschrack ich, als mir diese die Nachricht vom Tode der Frau Pastorin S. noch ganz warm mittheilte! Jch weiß fast selbst nicht, wie ich zum Hause herauskam, und wohl ein Paar Stunden ging ich herum, ohne zu bemerken, wo, bis ich wieder zu meinem Freund Kuͤmmel kam. Die unerschoͤpfliche Beredsamkeit und der muntere Witz dieses gelehrten Mannes konnten nur bei mir ihrer Wirkung verfehlen; seine guͤtige Bemuͤhung, mich zu erheitern, war umsonst. Es konnte nicht fehlen, daß die heftige Erschuͤtterung meines Gemuͤths von uͤblen Folgen auf meine Gesundheit begleitet werden mußte. — Erst nach ein Paar Tagen, die ich in dem Hause meines gelehrten Freundes, unter der entkraͤftenden Bemuͤhung, meinen Gram zu verbeissen, zugebracht hatte, befand ich mich wieder im Stande, meine Ruͤckreise von neuem anzutreten.

Niemand konnte mich hier besser troͤsten, als, wer haͤtte es denken sollen? der Gatte meiner seeligen Freundin. Er versicherte mir, seine seelige Frau habe sich nach meiner Abreise, bis auf die letzte Stunde ihres Lebens, wohlbefunden. Auf ein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0084" n="84"/><lb/>
te                   mich eilig auf meine fast zwanzig Meilen weite Ru&#x0364;ckreise, ohne mich erst                   ordentlich ausgeruht zu haben. </p>
            <p>Meine Tour ging u&#x0364;ber Rinteln, wo ich meinen alten Freund den Herrn Professor <hi rendition="#b">Ku&#x0364;mmel </hi>besuchte; auch machte ich daselbst einer vornehmen                   Dame mein Kompliment. Aber Himmel, wie erschrack ich, als mir diese die Nachricht                   vom Tode der Frau Pastorin S. noch ganz warm mittheilte! Jch weiß fast selbst                   nicht, wie ich zum Hause herauskam, und wohl ein Paar Stunden ging ich herum, ohne                   zu bemerken, wo, bis ich wieder zu meinem Freund <hi rendition="#b">Ku&#x0364;mmel</hi> kam. Die unerscho&#x0364;pfliche Beredsamkeit und der muntere Witz dieses gelehrten Mannes                   konnten nur bei mir ihrer Wirkung verfehlen; seine gu&#x0364;tige Bemu&#x0364;hung, mich zu                   erheitern, war umsonst. Es konnte nicht fehlen, daß die heftige Erschu&#x0364;tterung                   meines Gemu&#x0364;ths von u&#x0364;blen Folgen auf meine Gesundheit begleitet werden mußte. &#x2014;                   Erst nach ein Paar Tagen, die ich in dem Hause meines gelehrten Freundes, unter                   der entkra&#x0364;ftenden Bemu&#x0364;hung, meinen Gram zu verbeissen, zugebracht hatte, befand                   ich mich wieder im Stande, meine Ru&#x0364;ckreise von neuem anzutreten. </p>
            <p>Niemand konnte mich hier besser tro&#x0364;sten, als, wer ha&#x0364;tte es denken sollen? der                   Gatte meiner seeligen Freundin. Er versicherte mir, seine seelige Frau habe sich                   nach meiner Abreise, bis auf die letzte Stunde ihres Lebens, wohlbefunden. Auf                      ein-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0084] te mich eilig auf meine fast zwanzig Meilen weite Ruͤckreise, ohne mich erst ordentlich ausgeruht zu haben. Meine Tour ging uͤber Rinteln, wo ich meinen alten Freund den Herrn Professor Kuͤmmel besuchte; auch machte ich daselbst einer vornehmen Dame mein Kompliment. Aber Himmel, wie erschrack ich, als mir diese die Nachricht vom Tode der Frau Pastorin S. noch ganz warm mittheilte! Jch weiß fast selbst nicht, wie ich zum Hause herauskam, und wohl ein Paar Stunden ging ich herum, ohne zu bemerken, wo, bis ich wieder zu meinem Freund Kuͤmmel kam. Die unerschoͤpfliche Beredsamkeit und der muntere Witz dieses gelehrten Mannes konnten nur bei mir ihrer Wirkung verfehlen; seine guͤtige Bemuͤhung, mich zu erheitern, war umsonst. Es konnte nicht fehlen, daß die heftige Erschuͤtterung meines Gemuͤths von uͤblen Folgen auf meine Gesundheit begleitet werden mußte. — Erst nach ein Paar Tagen, die ich in dem Hause meines gelehrten Freundes, unter der entkraͤftenden Bemuͤhung, meinen Gram zu verbeissen, zugebracht hatte, befand ich mich wieder im Stande, meine Ruͤckreise von neuem anzutreten. Niemand konnte mich hier besser troͤsten, als, wer haͤtte es denken sollen? der Gatte meiner seeligen Freundin. Er versicherte mir, seine seelige Frau habe sich nach meiner Abreise, bis auf die letzte Stunde ihres Lebens, wohlbefunden. Auf ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/84
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/84>, abgerufen am 17.08.2024.