Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Meine Tour ging über Rinteln, wo ich meinen alten Freund den Herrn Professor Kümmel besuchte; auch machte ich daselbst einer vornehmen Dame mein Kompliment. Aber Himmel, wie erschrack ich, als mir diese die Nachricht vom Tode der Frau Pastorin S. noch ganz warm mittheilte! Jch weiß fast selbst nicht, wie ich zum Hause herauskam, und wohl ein Paar Stunden ging ich herum, ohne zu bemerken, wo, bis ich wieder zu meinem Freund Kümmel kam. Die unerschöpfliche Beredsamkeit und der muntere Witz dieses gelehrten Mannes konnten nur bei mir ihrer Wirkung verfehlen; seine gütige Bemühung, mich zu erheitern, war umsonst. Es konnte nicht fehlen, daß die heftige Erschütterung meines Gemüths von üblen Folgen auf meine Gesundheit begleitet werden mußte. -- Erst nach ein Paar Tagen, die ich in dem Hause meines gelehrten Freundes, unter der entkräftenden Bemühung, meinen Gram zu verbeissen, zugebracht hatte, befand ich mich wieder im Stande, meine Rückreise von neuem anzutreten. Niemand konnte mich hier besser trösten, als, wer hätte es denken sollen? der Gatte meiner seeligen Freundin. Er versicherte mir, seine seelige Frau habe sich nach meiner Abreise, bis auf die letzte Stunde ihres Lebens, wohlbefunden. Auf ein-
Meine Tour ging uͤber Rinteln, wo ich meinen alten Freund den Herrn Professor Kuͤmmel besuchte; auch machte ich daselbst einer vornehmen Dame mein Kompliment. Aber Himmel, wie erschrack ich, als mir diese die Nachricht vom Tode der Frau Pastorin S. noch ganz warm mittheilte! Jch weiß fast selbst nicht, wie ich zum Hause herauskam, und wohl ein Paar Stunden ging ich herum, ohne zu bemerken, wo, bis ich wieder zu meinem Freund Kuͤmmel kam. Die unerschoͤpfliche Beredsamkeit und der muntere Witz dieses gelehrten Mannes konnten nur bei mir ihrer Wirkung verfehlen; seine guͤtige Bemuͤhung, mich zu erheitern, war umsonst. Es konnte nicht fehlen, daß die heftige Erschuͤtterung meines Gemuͤths von uͤblen Folgen auf meine Gesundheit begleitet werden mußte. — Erst nach ein Paar Tagen, die ich in dem Hause meines gelehrten Freundes, unter der entkraͤftenden Bemuͤhung, meinen Gram zu verbeissen, zugebracht hatte, befand ich mich wieder im Stande, meine Ruͤckreise von neuem anzutreten. Niemand konnte mich hier besser troͤsten, als, wer haͤtte es denken sollen? der Gatte meiner seeligen Freundin. Er versicherte mir, seine seelige Frau habe sich nach meiner Abreise, bis auf die letzte Stunde ihres Lebens, wohlbefunden. Auf ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0084" n="84"/><lb/> te mich eilig auf meine fast zwanzig Meilen weite Ruͤckreise, ohne mich erst ordentlich ausgeruht zu haben. </p> <p>Meine Tour ging uͤber Rinteln, wo ich meinen alten Freund den Herrn Professor <hi rendition="#b">Kuͤmmel </hi>besuchte; auch machte ich daselbst einer vornehmen Dame mein Kompliment. Aber Himmel, wie erschrack ich, als mir diese die Nachricht vom Tode der Frau Pastorin S. noch ganz warm mittheilte! Jch weiß fast selbst nicht, wie ich zum Hause herauskam, und wohl ein Paar Stunden ging ich herum, ohne zu bemerken, wo, bis ich wieder zu meinem Freund <hi rendition="#b">Kuͤmmel</hi> kam. Die unerschoͤpfliche Beredsamkeit und der muntere Witz dieses gelehrten Mannes konnten nur bei mir ihrer Wirkung verfehlen; seine guͤtige Bemuͤhung, mich zu erheitern, war umsonst. Es konnte nicht fehlen, daß die heftige Erschuͤtterung meines Gemuͤths von uͤblen Folgen auf meine Gesundheit begleitet werden mußte. — Erst nach ein Paar Tagen, die ich in dem Hause meines gelehrten Freundes, unter der entkraͤftenden Bemuͤhung, meinen Gram zu verbeissen, zugebracht hatte, befand ich mich wieder im Stande, meine Ruͤckreise von neuem anzutreten. </p> <p>Niemand konnte mich hier besser troͤsten, als, wer haͤtte es denken sollen? der Gatte meiner seeligen Freundin. Er versicherte mir, seine seelige Frau habe sich nach meiner Abreise, bis auf die letzte Stunde ihres Lebens, wohlbefunden. Auf ein-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0084]
te mich eilig auf meine fast zwanzig Meilen weite Ruͤckreise, ohne mich erst ordentlich ausgeruht zu haben.
Meine Tour ging uͤber Rinteln, wo ich meinen alten Freund den Herrn Professor Kuͤmmel besuchte; auch machte ich daselbst einer vornehmen Dame mein Kompliment. Aber Himmel, wie erschrack ich, als mir diese die Nachricht vom Tode der Frau Pastorin S. noch ganz warm mittheilte! Jch weiß fast selbst nicht, wie ich zum Hause herauskam, und wohl ein Paar Stunden ging ich herum, ohne zu bemerken, wo, bis ich wieder zu meinem Freund Kuͤmmel kam. Die unerschoͤpfliche Beredsamkeit und der muntere Witz dieses gelehrten Mannes konnten nur bei mir ihrer Wirkung verfehlen; seine guͤtige Bemuͤhung, mich zu erheitern, war umsonst. Es konnte nicht fehlen, daß die heftige Erschuͤtterung meines Gemuͤths von uͤblen Folgen auf meine Gesundheit begleitet werden mußte. — Erst nach ein Paar Tagen, die ich in dem Hause meines gelehrten Freundes, unter der entkraͤftenden Bemuͤhung, meinen Gram zu verbeissen, zugebracht hatte, befand ich mich wieder im Stande, meine Ruͤckreise von neuem anzutreten.
Niemand konnte mich hier besser troͤsten, als, wer haͤtte es denken sollen? der Gatte meiner seeligen Freundin. Er versicherte mir, seine seelige Frau habe sich nach meiner Abreise, bis auf die letzte Stunde ihres Lebens, wohlbefunden. Auf ein-
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