Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Am wahrscheinlichsten war ihr der letzte Fall; den mittelsten konnte sie nicht wohl denken, eben weil ich mich so behaglich fühlte; und vom ersten hatte ich zu wenig Beispiele gegen die Menge der entgegengesetzten gesehen. Eine Sache, deren Nothwendigkeit und Pflichtmäßigkeit ich erkannte, war neben der äußerlichen, die innerliche Ruhe. Abstrahirt also mußte werden von Ueberdenkung aller Folgen der Krankheit auf meine ganze äußerliche Lage, und dieß schwere Vorhaben ist mir noch bis jetzt (den 17ten Jul.) zum Erstaunen geglückt. Jch habe bisher noch an das mancherlei Unangenehme, das nothwendigerweise, wenn es auch am glücklichsten geht, Folge dieses Vorfalls seyn muß, gar nicht oder kalt und ohne Theilnehmung gedacht; und es ist mir noch, Gott sey Dank! nicht schwer geworden, ihm die Lenkung desselben ungeheuchelt anzuvertrauen. Wie aber dieß mir Hypochondristen möglich gewesen ist, kann ich auf keine Weise begreifen, als 1) aus der Leichtigkeit und Sparsamkeit der Nahrungsmittel; 2) dem Mangel dicken Bluts; 3) der Einförmigkeit aller mich umgebenden Gegenstände und Folge der Zeit;
Am wahrscheinlichsten war ihr der letzte Fall; den mittelsten konnte sie nicht wohl denken, eben weil ich mich so behaglich fuͤhlte; und vom ersten hatte ich zu wenig Beispiele gegen die Menge der entgegengesetzten gesehen. Eine Sache, deren Nothwendigkeit und Pflichtmaͤßigkeit ich erkannte, war neben der aͤußerlichen, die innerliche Ruhe. Abstrahirt also mußte werden von Ueberdenkung aller Folgen der Krankheit auf meine ganze aͤußerliche Lage, und dieß schwere Vorhaben ist mir noch bis jetzt (den 17ten Jul.) zum Erstaunen gegluͤckt. Jch habe bisher noch an das mancherlei Unangenehme, das nothwendigerweise, wenn es auch am gluͤcklichsten geht, Folge dieses Vorfalls seyn muß, gar nicht oder kalt und ohne Theilnehmung gedacht; und es ist mir noch, Gott sey Dank! nicht schwer geworden, ihm die Lenkung desselben ungeheuchelt anzuvertrauen. Wie aber dieß mir Hypochondristen moͤglich gewesen ist, kann ich auf keine Weise begreifen, als 1) aus der Leichtigkeit und Sparsamkeit der Nahrungsmittel; 2) dem Mangel dicken Bluts; 3) der Einfoͤrmigkeit aller mich umgebenden Gegenstaͤnde und Folge der Zeit; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0072" n="72"/><lb/> gen <hi rendition="#b">tod;</hi> oder langsam nach verschiedenen Recidiven zum Tode schleichende <hi rendition="#b">Schwindsucht.</hi> Meine Einbildungskraft war vermoͤgend, in jeder dieser Vorstellungen etwas Angenehmes zu finden, und dieses zu <hi rendition="#b">fassen.</hi></p> <p>Am wahrscheinlichsten war ihr der letzte Fall; den mittelsten konnte sie nicht wohl denken, eben weil ich mich so behaglich fuͤhlte; und vom ersten hatte ich zu wenig Beispiele gegen die Menge der entgegengesetzten gesehen. </p> <p>Eine Sache, deren Nothwendigkeit und Pflichtmaͤßigkeit ich erkannte, war neben der aͤußerlichen, die innerliche Ruhe. Abstrahirt also mußte werden von Ueberdenkung aller Folgen der Krankheit auf meine ganze aͤußerliche Lage, und dieß schwere Vorhaben ist mir noch bis jetzt (den 17ten Jul.) zum Erstaunen gegluͤckt. </p> <p>Jch habe bisher noch an das mancherlei Unangenehme, das nothwendigerweise, wenn es auch am gluͤcklichsten geht, Folge dieses Vorfalls seyn muß, gar nicht oder kalt und ohne Theilnehmung gedacht; und es ist mir noch, Gott sey Dank! nicht schwer geworden, ihm die Lenkung desselben ungeheuchelt anzuvertrauen. Wie aber dieß mir Hypochondristen moͤglich gewesen ist, kann ich auf keine Weise begreifen, als 1) aus der Leichtigkeit und Sparsamkeit der Nahrungsmittel; 2) dem Mangel dicken Bluts; 3) der Einfoͤrmigkeit aller mich umgebenden Gegenstaͤnde und Folge der Zeit;<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0072]
gen tod; oder langsam nach verschiedenen Recidiven zum Tode schleichende Schwindsucht. Meine Einbildungskraft war vermoͤgend, in jeder dieser Vorstellungen etwas Angenehmes zu finden, und dieses zu fassen.
Am wahrscheinlichsten war ihr der letzte Fall; den mittelsten konnte sie nicht wohl denken, eben weil ich mich so behaglich fuͤhlte; und vom ersten hatte ich zu wenig Beispiele gegen die Menge der entgegengesetzten gesehen.
Eine Sache, deren Nothwendigkeit und Pflichtmaͤßigkeit ich erkannte, war neben der aͤußerlichen, die innerliche Ruhe. Abstrahirt also mußte werden von Ueberdenkung aller Folgen der Krankheit auf meine ganze aͤußerliche Lage, und dieß schwere Vorhaben ist mir noch bis jetzt (den 17ten Jul.) zum Erstaunen gegluͤckt.
Jch habe bisher noch an das mancherlei Unangenehme, das nothwendigerweise, wenn es auch am gluͤcklichsten geht, Folge dieses Vorfalls seyn muß, gar nicht oder kalt und ohne Theilnehmung gedacht; und es ist mir noch, Gott sey Dank! nicht schwer geworden, ihm die Lenkung desselben ungeheuchelt anzuvertrauen. Wie aber dieß mir Hypochondristen moͤglich gewesen ist, kann ich auf keine Weise begreifen, als 1) aus der Leichtigkeit und Sparsamkeit der Nahrungsmittel; 2) dem Mangel dicken Bluts; 3) der Einfoͤrmigkeit aller mich umgebenden Gegenstaͤnde und Folge der Zeit;
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