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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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sonst so wenig Wünsche hatte, dem es in seinem kleinen Kreise so wohl war, machte jetzt viele weitaussehende Projecte. Diese Lebhaftigkeit stieg nun immer mehr, bis zum 21sten August, wo das Nervenfieber überhand nahm, und er in der Nacht anfing, heftig zu phantasiren. Des Morgens kam er wohl wieder zu sich, aber seine Seele hatte eine ganz andre Stimmung; er empfand alles mit der größten Heftigkeit, keine Jdeen von seinem gewohnten Leben hatte er; dachte er noch zu leben, so waren es Reisen, neue Entwürfe u. dgl., die ihn beschäftigten; oder er unterhielt sich mit der Vorstellung des Himmels, und dachte sich schon im Kreis der Seligen. Diese Jdee war aber doch meistens die bleibendste.

Mit großer Freude hofte er überhaupt auf die Entwickelung seines Schicksals, die nun nicht mehr weit entfernt seyn konnte. Jn solchem Zustande, bald mehr bald weniger bei sich, verlebte er seine letzten Tage.

Sonderbar war es, daß er einst in der Phantasie etwas sehr richtig berechnete, und überhaupt sich in dieser Zeit der arithmetischen Berechnung der Wahrscheinlichkeiten für und wider eine Sache bediente, um über sie zu urtheilen, weil ihm dieß sein Urtheil erleichterte; und hiebei verließ ihn die Richtigkeit der Berechnungen nicht, bis in seine letzten Tage -- offenbar eine Folge davon, daß er sich ehemals so viel mit Mathematik beschäftigt hatte.


sonst so wenig Wuͤnsche hatte, dem es in seinem kleinen Kreise so wohl war, machte jetzt viele weitaussehende Projecte. Diese Lebhaftigkeit stieg nun immer mehr, bis zum 21sten August, wo das Nervenfieber uͤberhand nahm, und er in der Nacht anfing, heftig zu phantasiren. Des Morgens kam er wohl wieder zu sich, aber seine Seele hatte eine ganz andre Stimmung; er empfand alles mit der groͤßten Heftigkeit, keine Jdeen von seinem gewohnten Leben hatte er; dachte er noch zu leben, so waren es Reisen, neue Entwuͤrfe u. dgl., die ihn beschaͤftigten; oder er unterhielt sich mit der Vorstellung des Himmels, und dachte sich schon im Kreis der Seligen. Diese Jdee war aber doch meistens die bleibendste.

Mit großer Freude hofte er uͤberhaupt auf die Entwickelung seines Schicksals, die nun nicht mehr weit entfernt seyn konnte. Jn solchem Zustande, bald mehr bald weniger bei sich, verlebte er seine letzten Tage.

Sonderbar war es, daß er einst in der Phantasie etwas sehr richtig berechnete, und uͤberhaupt sich in dieser Zeit der arithmetischen Berechnung der Wahrscheinlichkeiten fuͤr und wider eine Sache bediente, um uͤber sie zu urtheilen, weil ihm dieß sein Urtheil erleichterte; und hiebei verließ ihn die Richtigkeit der Berechnungen nicht, bis in seine letzten Tage — offenbar eine Folge davon, daß er sich ehemals so viel mit Mathematik beschaͤftigt hatte.

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[69/0069] sonst so wenig Wuͤnsche hatte, dem es in seinem kleinen Kreise so wohl war, machte jetzt viele weitaussehende Projecte. Diese Lebhaftigkeit stieg nun immer mehr, bis zum 21sten August, wo das Nervenfieber uͤberhand nahm, und er in der Nacht anfing, heftig zu phantasiren. Des Morgens kam er wohl wieder zu sich, aber seine Seele hatte eine ganz andre Stimmung; er empfand alles mit der groͤßten Heftigkeit, keine Jdeen von seinem gewohnten Leben hatte er; dachte er noch zu leben, so waren es Reisen, neue Entwuͤrfe u. dgl., die ihn beschaͤftigten; oder er unterhielt sich mit der Vorstellung des Himmels, und dachte sich schon im Kreis der Seligen. Diese Jdee war aber doch meistens die bleibendste. Mit großer Freude hofte er uͤberhaupt auf die Entwickelung seines Schicksals, die nun nicht mehr weit entfernt seyn konnte. Jn solchem Zustande, bald mehr bald weniger bei sich, verlebte er seine letzten Tage. Sonderbar war es, daß er einst in der Phantasie etwas sehr richtig berechnete, und uͤberhaupt sich in dieser Zeit der arithmetischen Berechnung der Wahrscheinlichkeiten fuͤr und wider eine Sache bediente, um uͤber sie zu urtheilen, weil ihm dieß sein Urtheil erleichterte; und hiebei verließ ihn die Richtigkeit der Berechnungen nicht, bis in seine letzten Tage — offenbar eine Folge davon, daß er sich ehemals so viel mit Mathematik beschaͤftigt hatte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/69>, abgerufen am 24.11.2024.