Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
III. Geschichte eines im frühesten Jünglingsalter intendirten Brudermords. ![]() Als ich, ungefähr im vierzehnten Jahre, mit meinem jüngsten leiblichen Bruder eine Zeitlang in einem Bette schlief, übereilte mich eines Abends, da ich etwas spät in dem Zimmer, wo wir schliefen, mit Schularbeit beschäftiget war, plötzlich der Schlaf; ich legte mich zu ihm nieder, nachdem er schon ziemlich lange sanft geruhet hatte. Aber statt des Schlafs überfiel mich nun eine fürchterliche Angst, ich hörte gleichsam eine Stimme, die mir sagte: nimm das auf dem Tische liegende Federmesser und stoß es ihm in den Hals --
III. Geschichte eines im fruͤhesten Juͤnglingsalter intendirten Brudermords. ![]() Als ich, ungefaͤhr im vierzehnten Jahre, mit meinem juͤngsten leiblichen Bruder eine Zeitlang in einem Bette schlief, uͤbereilte mich eines Abends, da ich etwas spaͤt in dem Zimmer, wo wir schliefen, mit Schularbeit beschaͤftiget war, ploͤtzlich der Schlaf; ich legte mich zu ihm nieder, nachdem er schon ziemlich lange sanft geruhet hatte. Aber statt des Schlafs uͤberfiel mich nun eine fuͤrchterliche Angst, ich hoͤrte gleichsam eine Stimme, die mir sagte: nimm das auf dem Tische liegende Federmesser und stoß es ihm in den Hals — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0058" n="58"/><lb/> wenn der philosophische Physiolog glaubet, daß materielle Dinge durch Mittelursachen etwas uͤber geistige Wirkungen vermoͤgen, und daß mechanische Veraͤnderungen einigen Einfluß auf Denken und Wollen haben. Der koͤrperliche so wie der geistige Theil des Menschen sind beides Theile eines Ganzen, und stehen folglich in der genauesten Verbindung miteinander. </p><lb/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">III</hi>. Geschichte eines im fruͤhesten Juͤnglingsalter intendirten Brudermords.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref68"><note type="editorial"/>V..s</persName> </bibl> </note> <p>Als ich, ungefaͤhr im vierzehnten Jahre, mit meinem juͤngsten leiblichen Bruder eine Zeitlang in einem Bette schlief, uͤbereilte mich eines Abends, da ich etwas spaͤt in dem Zimmer, wo wir schliefen, mit Schularbeit beschaͤftiget war, ploͤtzlich der Schlaf; ich legte mich zu ihm nieder, nachdem er schon ziemlich lange sanft geruhet hatte. Aber statt des Schlafs uͤberfiel mich nun eine fuͤrchterliche Angst, ich hoͤrte gleichsam eine Stimme, die mir sagte: <hi rendition="#b">nimm das auf dem Tische liegende Federmesser und stoß es ihm in den Hals —</hi></p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0058]
wenn der philosophische Physiolog glaubet, daß materielle Dinge durch Mittelursachen etwas uͤber geistige Wirkungen vermoͤgen, und daß mechanische Veraͤnderungen einigen Einfluß auf Denken und Wollen haben. Der koͤrperliche so wie der geistige Theil des Menschen sind beides Theile eines Ganzen, und stehen folglich in der genauesten Verbindung miteinander.
III. Geschichte eines im fruͤhesten Juͤnglingsalter intendirten Brudermords.
Als ich, ungefaͤhr im vierzehnten Jahre, mit meinem juͤngsten leiblichen Bruder eine Zeitlang in einem Bette schlief, uͤbereilte mich eines Abends, da ich etwas spaͤt in dem Zimmer, wo wir schliefen, mit Schularbeit beschaͤftiget war, ploͤtzlich der Schlaf; ich legte mich zu ihm nieder, nachdem er schon ziemlich lange sanft geruhet hatte. Aber statt des Schlafs uͤberfiel mich nun eine fuͤrchterliche Angst, ich hoͤrte gleichsam eine Stimme, die mir sagte: nimm das auf dem Tische liegende Federmesser und stoß es ihm in den Hals —
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/58>, abgerufen am 15.08.2024. |