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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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Vorher, ehe das Lavement gesetzt wurde, richtete er sich auf, hielt eine Predigt über die Unsterblichkeit der Seele, vollständig mit Einleitung und richtiger Eintheilung, auch Beobachtung des Gesanges, wie gewöhnlich. Mit philosophischen Gründen fing er den Beweis an, blieb eine Viertelstunde lang in der Ordnung, dann mischte er verwirrte Geschichte darunter, beschloß aber mit einer guten Anwendung.

Die Mutter folgte auf sein Verlangen mir nach, und er begehrte, daß ich ihm Lieder vorlesen sollte, worüber er um eilf Uhr einschlief und früh um sechs Uhr sein vorgeschriebenes Frühstück wohlschmeckend genoß. Um sieben war die Einnehmezeit, welches er von mir annahm, und bis Mittags um eilf Uhr sanft schlief, daß auch der Arzt, ohne ihn zu sprechen, wieder wegging. An diesem 41sten Tage bekam er zum erstenmal Kalbfleischsuppe, beides schmeckte ihm gut. Er schlief gut, nur weigerte er den Arzneigebrauch des Morgens, bis ich dazu kam, und war er diesen Tag über nur wenig mürrisch. Jn dieser Nacht versuchte er wieder -- was schon mehrmalen geschehen war -- die spanischen Fliegen loszubinden, und dieß gelang ihm zuweilen heimlich, so genau auch die Wächter aufpaßten; er hinterging sie oft, denn viele List und Verstellung war überhaupt bei seinem Betragen.

Weil er am 43sten Tage wiederum von den Leuten nicht einnehmen wollte, drang ich darauf, und


Vorher, ehe das Lavement gesetzt wurde, richtete er sich auf, hielt eine Predigt uͤber die Unsterblichkeit der Seele, vollstaͤndig mit Einleitung und richtiger Eintheilung, auch Beobachtung des Gesanges, wie gewoͤhnlich. Mit philosophischen Gruͤnden fing er den Beweis an, blieb eine Viertelstunde lang in der Ordnung, dann mischte er verwirrte Geschichte darunter, beschloß aber mit einer guten Anwendung.

Die Mutter folgte auf sein Verlangen mir nach, und er begehrte, daß ich ihm Lieder vorlesen sollte, woruͤber er um eilf Uhr einschlief und fruͤh um sechs Uhr sein vorgeschriebenes Fruͤhstuͤck wohlschmeckend genoß. Um sieben war die Einnehmezeit, welches er von mir annahm, und bis Mittags um eilf Uhr sanft schlief, daß auch der Arzt, ohne ihn zu sprechen, wieder wegging. An diesem 41sten Tage bekam er zum erstenmal Kalbfleischsuppe, beides schmeckte ihm gut. Er schlief gut, nur weigerte er den Arzneigebrauch des Morgens, bis ich dazu kam, und war er diesen Tag uͤber nur wenig muͤrrisch. Jn dieser Nacht versuchte er wieder — was schon mehrmalen geschehen war — die spanischen Fliegen loszubinden, und dieß gelang ihm zuweilen heimlich, so genau auch die Waͤchter aufpaßten; er hinterging sie oft, denn viele List und Verstellung war uͤberhaupt bei seinem Betragen.

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[42/0042] Vorher, ehe das Lavement gesetzt wurde, richtete er sich auf, hielt eine Predigt uͤber die Unsterblichkeit der Seele, vollstaͤndig mit Einleitung und richtiger Eintheilung, auch Beobachtung des Gesanges, wie gewoͤhnlich. Mit philosophischen Gruͤnden fing er den Beweis an, blieb eine Viertelstunde lang in der Ordnung, dann mischte er verwirrte Geschichte darunter, beschloß aber mit einer guten Anwendung. Die Mutter folgte auf sein Verlangen mir nach, und er begehrte, daß ich ihm Lieder vorlesen sollte, woruͤber er um eilf Uhr einschlief und fruͤh um sechs Uhr sein vorgeschriebenes Fruͤhstuͤck wohlschmeckend genoß. Um sieben war die Einnehmezeit, welches er von mir annahm, und bis Mittags um eilf Uhr sanft schlief, daß auch der Arzt, ohne ihn zu sprechen, wieder wegging. An diesem 41sten Tage bekam er zum erstenmal Kalbfleischsuppe, beides schmeckte ihm gut. Er schlief gut, nur weigerte er den Arzneigebrauch des Morgens, bis ich dazu kam, und war er diesen Tag uͤber nur wenig muͤrrisch. Jn dieser Nacht versuchte er wieder — was schon mehrmalen geschehen war — die spanischen Fliegen loszubinden, und dieß gelang ihm zuweilen heimlich, so genau auch die Waͤchter aufpaßten; er hinterging sie oft, denn viele List und Verstellung war uͤberhaupt bei seinem Betragen. Weil er am 43sten Tage wiederum von den Leuten nicht einnehmen wollte, drang ich darauf, und

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/42>, abgerufen am 24.11.2024.