Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
"Es giebt ein zweifelhaftes Licht, worin die Grenzen der Tugend und der Untugend schwimmen; worin Schönheit und Grazien dem Laster einen Glanz mittheilen, der seine Häslichkeit übergoldet, der ihm sogar die Farbe und Anmuth der
»Es giebt ein zweifelhaftes Licht, worin die Grenzen der Tugend und der Untugend schwimmen; worin Schoͤnheit und Grazien dem Laster einen Glanz mittheilen, der seine Haͤslichkeit uͤbergoldet, der ihm sogar die Farbe und Anmuth der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0104" n="104"/><lb/> Freilich giebts dabei manche mislungene Versuche, und gewissenhaftes Studium der menschlichen Seele ist darum das erste Erforderniß eines Erziehers. Erfahrung auch; denn es gehoͤret ein scharfes Auge dazu, wahre Empfindungen von geheuchelten und scheinbaren, die vom Eigensinn, der Laune, der Disposition des Koͤrpers oder von einem andern zufaͤlligen Umstande abhaͤngen, zu unterscheiden. Jndessen darf man die Natur doch schlechterdings nicht in allen Faͤllen sich selbst uͤberlassen. Soll der Juͤngling seine Jdeen und Empfindungen, selbst, so gut er kann, bilden, entwickeln und berichtigen, so ist die Gefahr unvermeidlich. Eigene Erfahrung ist zwar unterrichtend, aber sie koͤmmt in den mehrsten Faͤllen auch theuer zu stehen. Man wird oͤfters das traurige Opfer seines empfindungsvollen, jeder Leidenschaft entgegen gluͤhenden Herzens, und macht sich ungluͤcklich, ehe man sich einen Spruch der Weisheit daraus abstrahirt hat. — Zur Bestaͤtigung dieser Wahrheit schließ' ich mit den Worten eines großen Dichters, den man hoffentlich an der Sprache erkennen wird: </p> <p>»Es giebt ein zweifelhaftes Licht, worin die Grenzen der Tugend und der Untugend schwimmen; worin Schoͤnheit und Grazien dem Laster einen Glanz mittheilen, der seine Haͤslichkeit uͤbergoldet, der ihm sogar die Farbe und Anmuth der<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0104]
Freilich giebts dabei manche mislungene Versuche, und gewissenhaftes Studium der menschlichen Seele ist darum das erste Erforderniß eines Erziehers. Erfahrung auch; denn es gehoͤret ein scharfes Auge dazu, wahre Empfindungen von geheuchelten und scheinbaren, die vom Eigensinn, der Laune, der Disposition des Koͤrpers oder von einem andern zufaͤlligen Umstande abhaͤngen, zu unterscheiden. Jndessen darf man die Natur doch schlechterdings nicht in allen Faͤllen sich selbst uͤberlassen. Soll der Juͤngling seine Jdeen und Empfindungen, selbst, so gut er kann, bilden, entwickeln und berichtigen, so ist die Gefahr unvermeidlich. Eigene Erfahrung ist zwar unterrichtend, aber sie koͤmmt in den mehrsten Faͤllen auch theuer zu stehen. Man wird oͤfters das traurige Opfer seines empfindungsvollen, jeder Leidenschaft entgegen gluͤhenden Herzens, und macht sich ungluͤcklich, ehe man sich einen Spruch der Weisheit daraus abstrahirt hat. — Zur Bestaͤtigung dieser Wahrheit schließ' ich mit den Worten eines großen Dichters, den man hoffentlich an der Sprache erkennen wird:
»Es giebt ein zweifelhaftes Licht, worin die Grenzen der Tugend und der Untugend schwimmen; worin Schoͤnheit und Grazien dem Laster einen Glanz mittheilen, der seine Haͤslichkeit uͤbergoldet, der ihm sogar die Farbe und Anmuth der
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