Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.Es blieb indeß dabei, nicht nach R.. zu reisen, und wenn ich mich dazu entschliessen wollte, so überfiel mich jedesmal ein kalter Schauer. Jch reiste nach meinem Filial und predigte. Aber das Bild meines verunglückten Freundes schwebte mir unablässig vor den Augen. Jch kam zurück und predigte auch in hiesiger Kirche, aber noch immer in derselben Unruhe. Meine Frau, der die Gegend, wo wir zu Mittage essen sollten, so schön beschrieben war, und schon lange gewünscht hatte, sie zu sehen, setzte aufs neue an, mich zu bereden, mein mündlich und schriftlich gegebenes Wort -- und noch dazu um eines Traums willen, nicht so leicht zu übersehen -- auch wäre die Küche schlecht besorgt, da sie nicht geglaubt, daß wir zu Hause essen würden. Aber ich war dießmal -- und vielleicht zum erstenmal in meinem Vorsatz unerbittlich und überwand alle die Vorwürfe, die ich mir größtentheils selbst machte, mit einer Art von Hartnäckigkeit, in der ich dießmal nur allein einige Beruhigung fand. Jch wollte einigemal fortschicken, um meinen Freund zu warnen und mich zu entschuldigen, ich wußte aber nicht, wo er anzutreffen seyn würde? Und ausser den schon erwähnten und mir selbst gemachten Vorwürfen hielt mich das Gespötte eines Mannes zurück, von dem ich wußte, daß er mit Es blieb indeß dabei, nicht nach R.. zu reisen, und wenn ich mich dazu entschliessen wollte, so uͤberfiel mich jedesmal ein kalter Schauer. Jch reiste nach meinem Filial und predigte. Aber das Bild meines verungluͤckten Freundes schwebte mir unablaͤssig vor den Augen. Jch kam zuruͤck und predigte auch in hiesiger Kirche, aber noch immer in derselben Unruhe. Meine Frau, der die Gegend, wo wir zu Mittage essen sollten, so schoͤn beschrieben war, und schon lange gewuͤnscht hatte, sie zu sehen, setzte aufs neue an, mich zu bereden, mein muͤndlich und schriftlich gegebenes Wort — und noch dazu um eines Traums willen, nicht so leicht zu uͤbersehen — auch waͤre die Kuͤche schlecht besorgt, da sie nicht geglaubt, daß wir zu Hause essen wuͤrden. Aber ich war dießmal — und vielleicht zum erstenmal in meinem Vorsatz unerbittlich und uͤberwand alle die Vorwuͤrfe, die ich mir groͤßtentheils selbst machte, mit einer Art von Hartnaͤckigkeit, in der ich dießmal nur allein einige Beruhigung fand. Jch wollte einigemal fortschicken, um meinen Freund zu warnen und mich zu entschuldigen, ich wußte aber nicht, wo er anzutreffen seyn wuͤrde? Und ausser den schon erwaͤhnten und mir selbst gemachten Vorwuͤrfen hielt mich das Gespoͤtte eines Mannes zuruͤck, von dem ich wußte, daß er mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0053" n="51"/><lb/> <p>Es blieb indeß dabei, nicht nach R.. zu reisen, und wenn ich mich dazu entschliessen wollte, so uͤberfiel mich jedesmal ein kalter Schauer.</p> <p>Jch reiste nach meinem Filial und predigte. Aber das Bild meines verungluͤckten Freundes schwebte mir unablaͤssig vor den Augen. Jch kam zuruͤck und predigte auch in hiesiger Kirche, aber noch immer in derselben Unruhe.</p> <p>Meine Frau, der die Gegend, wo wir zu Mittage essen sollten, so schoͤn beschrieben war, und schon lange gewuͤnscht hatte, sie zu sehen, setzte aufs neue an, mich zu bereden, mein muͤndlich und schriftlich gegebenes Wort — und noch dazu um eines Traums willen, nicht so leicht zu uͤbersehen — auch waͤre die Kuͤche schlecht besorgt, da sie nicht geglaubt, daß wir zu Hause essen wuͤrden.</p> <p>Aber ich war dießmal — und vielleicht zum erstenmal in meinem Vorsatz unerbittlich und uͤberwand alle die Vorwuͤrfe, die ich mir groͤßtentheils selbst machte, mit einer Art von Hartnaͤckigkeit, in der ich dießmal nur allein einige Beruhigung fand.</p> <p>Jch wollte einigemal fortschicken, um meinen Freund zu warnen und mich zu entschuldigen, ich wußte aber nicht, wo er anzutreffen seyn wuͤrde? Und ausser den schon erwaͤhnten und mir selbst gemachten Vorwuͤrfen hielt mich das Gespoͤtte eines Mannes zuruͤck, von dem ich wußte, daß er mit<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0053]
Es blieb indeß dabei, nicht nach R.. zu reisen, und wenn ich mich dazu entschliessen wollte, so uͤberfiel mich jedesmal ein kalter Schauer.
Jch reiste nach meinem Filial und predigte. Aber das Bild meines verungluͤckten Freundes schwebte mir unablaͤssig vor den Augen. Jch kam zuruͤck und predigte auch in hiesiger Kirche, aber noch immer in derselben Unruhe.
Meine Frau, der die Gegend, wo wir zu Mittage essen sollten, so schoͤn beschrieben war, und schon lange gewuͤnscht hatte, sie zu sehen, setzte aufs neue an, mich zu bereden, mein muͤndlich und schriftlich gegebenes Wort — und noch dazu um eines Traums willen, nicht so leicht zu uͤbersehen — auch waͤre die Kuͤche schlecht besorgt, da sie nicht geglaubt, daß wir zu Hause essen wuͤrden.
Aber ich war dießmal — und vielleicht zum erstenmal in meinem Vorsatz unerbittlich und uͤberwand alle die Vorwuͤrfe, die ich mir groͤßtentheils selbst machte, mit einer Art von Hartnaͤckigkeit, in der ich dießmal nur allein einige Beruhigung fand.
Jch wollte einigemal fortschicken, um meinen Freund zu warnen und mich zu entschuldigen, ich wußte aber nicht, wo er anzutreffen seyn wuͤrde? Und ausser den schon erwaͤhnten und mir selbst gemachten Vorwuͤrfen hielt mich das Gespoͤtte eines Mannes zuruͤck, von dem ich wußte, daß er mit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |