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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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der Fürst nicht (menschlich davon zu reden) edler und gütiger, der seinen Freunden und Unterthanen mit seiner Gnade zuvorkommt, als der, der um jede Kleinigkeit erst einen Fußfall verlangt? Ehre ich daher Gott nicht mehr, wenn ich ihn für denjenigen Herrn halte, der mir ohne mein Gebet alles Gute zuwendet, und mein Gebet nicht verlanget noch erwartet, ausser den Ausbrüchen der Dankbarkeit und des Lobes? denn diese geben wir Menschen, die uns Wohlthaten erwiesen haben; wie viel mehr sind wir sie Gott schuldig, von dem wir alles haben.

Allein hiermit ist ja noch nicht die Verheissung erklärt, die das Evangelium Jesu mit dem Befehl zu beten verbindet. Dieses verspricht eine Erhörung und stellt das Gebet als eine Sache vor, die den Höchsten beweget, uns etwas zu geben, welches er uns sonst nicht würde gegeben haben. Und streitet das nicht geradezu mit der Unveränderlichkeit der göttlichen Rathschlüsse, die er gewiß schon von Ewigkeit her faßte? Denn wenn er seine Rathschlüsse ändert, so kann ihn etwas gereuen; und ist er dann der vollkommene Gott, der keinen menschlichen Leidenschaften unterworfen ist? Sind aber die Rathschlüsse Gottes unveränderlich, so können sie auch durch mein Gebet nicht verändert werden; im Fall es der Ewige nicht von Ewigkeit her beschlossen hat, mir zu einer festgesetzten


der Fuͤrst nicht (menschlich davon zu reden) edler und guͤtiger, der seinen Freunden und Unterthanen mit seiner Gnade zuvorkommt, als der, der um jede Kleinigkeit erst einen Fußfall verlangt? Ehre ich daher Gott nicht mehr, wenn ich ihn fuͤr denjenigen Herrn halte, der mir ohne mein Gebet alles Gute zuwendet, und mein Gebet nicht verlanget noch erwartet, ausser den Ausbruͤchen der Dankbarkeit und des Lobes? denn diese geben wir Menschen, die uns Wohlthaten erwiesen haben; wie viel mehr sind wir sie Gott schuldig, von dem wir alles haben.

Allein hiermit ist ja noch nicht die Verheissung erklaͤrt, die das Evangelium Jesu mit dem Befehl zu beten verbindet. Dieses verspricht eine Erhoͤrung und stellt das Gebet als eine Sache vor, die den Hoͤchsten beweget, uns etwas zu geben, welches er uns sonst nicht wuͤrde gegeben haben. Und streitet das nicht geradezu mit der Unveraͤnderlichkeit der goͤttlichen Rathschluͤsse, die er gewiß schon von Ewigkeit her faßte? Denn wenn er seine Rathschluͤsse aͤndert, so kann ihn etwas gereuen; und ist er dann der vollkommene Gott, der keinen menschlichen Leidenschaften unterworfen ist? Sind aber die Rathschluͤsse Gottes unveraͤnderlich, so koͤnnen sie auch durch mein Gebet nicht veraͤndert werden; im Fall es der Ewige nicht von Ewigkeit her beschlossen hat, mir zu einer festgesetzten

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[36/0038] der Fuͤrst nicht (menschlich davon zu reden) edler und guͤtiger, der seinen Freunden und Unterthanen mit seiner Gnade zuvorkommt, als der, der um jede Kleinigkeit erst einen Fußfall verlangt? Ehre ich daher Gott nicht mehr, wenn ich ihn fuͤr denjenigen Herrn halte, der mir ohne mein Gebet alles Gute zuwendet, und mein Gebet nicht verlanget noch erwartet, ausser den Ausbruͤchen der Dankbarkeit und des Lobes? denn diese geben wir Menschen, die uns Wohlthaten erwiesen haben; wie viel mehr sind wir sie Gott schuldig, von dem wir alles haben. Allein hiermit ist ja noch nicht die Verheissung erklaͤrt, die das Evangelium Jesu mit dem Befehl zu beten verbindet. Dieses verspricht eine Erhoͤrung und stellt das Gebet als eine Sache vor, die den Hoͤchsten beweget, uns etwas zu geben, welches er uns sonst nicht wuͤrde gegeben haben. Und streitet das nicht geradezu mit der Unveraͤnderlichkeit der goͤttlichen Rathschluͤsse, die er gewiß schon von Ewigkeit her faßte? Denn wenn er seine Rathschluͤsse aͤndert, so kann ihn etwas gereuen; und ist er dann der vollkommene Gott, der keinen menschlichen Leidenschaften unterworfen ist? Sind aber die Rathschluͤsse Gottes unveraͤnderlich, so koͤnnen sie auch durch mein Gebet nicht veraͤndert werden; im Fall es der Ewige nicht von Ewigkeit her beschlossen hat, mir zu einer festgesetzten

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/38>, abgerufen am 23.11.2024.