Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.
Jch kehrte nun zu meinem alten Elende wieder zurück. Meine Bedürfnisse waren zwar wenig; allein auch diese wenigen konnte ich mir nicht verschaffen. Bange Sorgen der Zukunft -- Mangel an Unterhalt, keine Beschäftigung, nichts, das meine Seele in Thätigkeit setzen konnte; mein Leben war sehr einförmig. Es wurde mir eine Jnformation angetragen bei einem hiesigen Bürger, der in einer angenehmen Gegend ein Gasthaus hielt. Jch hielt meine Stunde des Nachmittags, weil da immer Gesellschaft war, und ich das gesellschaftliche Leben liebe. Nach der Stunde unterhielt ich mich denn mit diesem und jenen; um auf eine Zeitlang mein Elend zu vergessen. Jch blieb da gewöhnlich bis 10 Uhr Abends. Jch ließ nicht leicht einen unangeredet weggehen, und da ich von allem möglichen sprechen konnte, so hatte ich immer Stoff zur Unterredung. Meine Lern- und Forschbegierde war beinahe zur Leidenschaft geworden.
Jch kehrte nun zu meinem alten Elende wieder zuruͤck. Meine Beduͤrfnisse waren zwar wenig; allein auch diese wenigen konnte ich mir nicht verschaffen. Bange Sorgen der Zukunft — Mangel an Unterhalt, keine Beschaͤftigung, nichts, das meine Seele in Thaͤtigkeit setzen konnte; mein Leben war sehr einfoͤrmig. Es wurde mir eine Jnformation angetragen bei einem hiesigen Buͤrger, der in einer angenehmen Gegend ein Gasthaus hielt. Jch hielt meine Stunde des Nachmittags, weil da immer Gesellschaft war, und ich das gesellschaftliche Leben liebe. Nach der Stunde unterhielt ich mich denn mit diesem und jenen; um auf eine Zeitlang mein Elend zu vergessen. Jch blieb da gewoͤhnlich bis 10 Uhr Abends. Jch ließ nicht leicht einen unangeredet weggehen, und da ich von allem moͤglichen sprechen konnte, so hatte ich immer Stoff zur Unterredung. Meine Lern- und Forschbegierde war beinahe zur Leidenschaft geworden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0020" n="18"/><lb/> Positiv stehen, welches er nach meinem Tode, da ich nicht musikalisch bin, oder wenn ich Alters wegen den Dienst nicht mehr versehen kann, will in die Kirche setzen lassen. Wenn Sie daher Musik verstuͤnden, so glaubte ichs wohl dahin zu bringen, daß Sie mein Nachfolger wuͤrden. Schon wieder eine neue Hofnung! dachte ich, aber wenig Aussichten dazu, (denn wo sollte ich die Kenntniß des Klaviers hernehmen) und reißte mit meinem Freund wieder ab.</p> <p>Jch kehrte nun zu meinem alten Elende wieder zuruͤck. Meine Beduͤrfnisse waren zwar wenig; allein auch diese wenigen konnte ich mir nicht verschaffen. Bange Sorgen der Zukunft — Mangel an Unterhalt, keine Beschaͤftigung, nichts, das meine Seele in Thaͤtigkeit setzen konnte; mein Leben war sehr einfoͤrmig. Es wurde mir eine Jnformation angetragen bei einem hiesigen Buͤrger, der in einer angenehmen Gegend ein Gasthaus hielt. Jch hielt meine Stunde des Nachmittags, weil da immer Gesellschaft war, und ich das gesellschaftliche Leben liebe. Nach der Stunde unterhielt ich mich denn mit diesem und jenen; um auf eine Zeitlang mein Elend zu vergessen. Jch blieb da gewoͤhnlich bis 10 Uhr Abends. Jch ließ nicht leicht einen unangeredet weggehen, und da ich von allem moͤglichen sprechen konnte, so hatte ich immer Stoff zur Unterredung. Meine Lern- und Forschbegierde war beinahe zur Leidenschaft geworden.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0020]
Positiv stehen, welches er nach meinem Tode, da ich nicht musikalisch bin, oder wenn ich Alters wegen den Dienst nicht mehr versehen kann, will in die Kirche setzen lassen. Wenn Sie daher Musik verstuͤnden, so glaubte ichs wohl dahin zu bringen, daß Sie mein Nachfolger wuͤrden. Schon wieder eine neue Hofnung! dachte ich, aber wenig Aussichten dazu, (denn wo sollte ich die Kenntniß des Klaviers hernehmen) und reißte mit meinem Freund wieder ab.
Jch kehrte nun zu meinem alten Elende wieder zuruͤck. Meine Beduͤrfnisse waren zwar wenig; allein auch diese wenigen konnte ich mir nicht verschaffen. Bange Sorgen der Zukunft — Mangel an Unterhalt, keine Beschaͤftigung, nichts, das meine Seele in Thaͤtigkeit setzen konnte; mein Leben war sehr einfoͤrmig. Es wurde mir eine Jnformation angetragen bei einem hiesigen Buͤrger, der in einer angenehmen Gegend ein Gasthaus hielt. Jch hielt meine Stunde des Nachmittags, weil da immer Gesellschaft war, und ich das gesellschaftliche Leben liebe. Nach der Stunde unterhielt ich mich denn mit diesem und jenen; um auf eine Zeitlang mein Elend zu vergessen. Jch blieb da gewoͤhnlich bis 10 Uhr Abends. Jch ließ nicht leicht einen unangeredet weggehen, und da ich von allem moͤglichen sprechen konnte, so hatte ich immer Stoff zur Unterredung. Meine Lern- und Forschbegierde war beinahe zur Leidenschaft geworden.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/20>, abgerufen am 16.02.2025. |