Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.
Seine häusliche Erziehung mag wohl nicht unter die beste gehören; wenigstens müssen seine Eltern wenig Aufsicht über ihn haben, wenig väterlichen und mütterlichen Ernst bei ihm gebrauchen. Auch sind alle seine Unruhen von der gemeinsten und niedrigsten Art. Wie vermag man ihn also -- unter so Vielen -- zu lenken, zu bessern? Er weiß sein Gesicht auf hunderterlei Art zu verändern, zu verzerren, und stellt überhaupt in seinen possierlichen Anwandlungen einen wahren Harlekin vor. Oft kostet es Mühe, seine Narrheit mit Gleichgültigkeit und ohne Lächeln anzusehn -- wenn nur nicht der Gedanke zu ernsthaft wäre, daß er seine eigne Würde erniedrigt; die er aber freilich zu wenig fühlt und zu schätzen weiß, daß er vielmehr gar nichts für ernsthaft und wichtig hält. Sein Auge verräth Feuer und Lebhaftigkeit, aber seine Minen hat er äusserst in seiner Gewalt, so daß es wirklich schwer fällt, davon irgend etwas Sicheres zu sagen. Jn seinem Taumel ist jede Nerve, jede Muskel, jede Mine Bewegung und Einklang. Sieht man ihn mitten in diesem Tumult an: so ist mit einemmale alles in Ruhe. Er sitzt da, als ob er ein Träumer wäre, zieht den
Seine haͤusliche Erziehung mag wohl nicht unter die beste gehoͤren; wenigstens muͤssen seine Eltern wenig Aufsicht uͤber ihn haben, wenig vaͤterlichen und muͤtterlichen Ernst bei ihm gebrauchen. Auch sind alle seine Unruhen von der gemeinsten und niedrigsten Art. Wie vermag man ihn also — unter so Vielen — zu lenken, zu bessern? Er weiß sein Gesicht auf hunderterlei Art zu veraͤndern, zu verzerren, und stellt uͤberhaupt in seinen possierlichen Anwandlungen einen wahren Harlekin vor. Oft kostet es Muͤhe, seine Narrheit mit Gleichguͤltigkeit und ohne Laͤcheln anzusehn — wenn nur nicht der Gedanke zu ernsthaft waͤre, daß er seine eigne Wuͤrde erniedrigt; die er aber freilich zu wenig fuͤhlt und zu schaͤtzen weiß, daß er vielmehr gar nichts fuͤr ernsthaft und wichtig haͤlt. Sein Auge verraͤth Feuer und Lebhaftigkeit, aber seine Minen hat er aͤusserst in seiner Gewalt, so daß es wirklich schwer faͤllt, davon irgend etwas Sicheres zu sagen. Jn seinem Taumel ist jede Nerve, jede Muskel, jede Mine Bewegung und Einklang. Sieht man ihn mitten in diesem Tumult an: so ist mit einemmale alles in Ruhe. Er sitzt da, als ob er ein Traͤumer waͤre, zieht den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0114" n="112"/><lb/> meisten von andern unterscheiden. Es ist, als wenn eine Legion unruhiger Geister in ihm wohnten und ihn beherrschten. Er kann durchaus nicht still sitzen, durchaus nicht leben, athmen, ohne irgend etwas vorzunehmen. </p> <p>Seine haͤusliche Erziehung mag wohl nicht unter die beste gehoͤren; wenigstens muͤssen seine Eltern wenig Aufsicht uͤber ihn haben, wenig vaͤterlichen und muͤtterlichen Ernst bei ihm gebrauchen. Auch sind alle seine Unruhen von der gemeinsten und niedrigsten Art. Wie vermag man ihn also — unter so Vielen — zu lenken, zu bessern? Er weiß sein Gesicht auf hunderterlei Art zu veraͤndern, zu verzerren, und stellt uͤberhaupt in seinen possierlichen Anwandlungen einen wahren Harlekin vor. Oft kostet es Muͤhe, seine Narrheit mit Gleichguͤltigkeit und ohne Laͤcheln anzusehn — wenn nur nicht der Gedanke zu ernsthaft waͤre, daß er seine eigne Wuͤrde erniedrigt; die er aber freilich zu wenig fuͤhlt und zu schaͤtzen weiß, daß er vielmehr gar nichts fuͤr ernsthaft und wichtig haͤlt. </p> <p>Sein Auge verraͤth Feuer und Lebhaftigkeit, aber seine Minen hat er aͤusserst in seiner Gewalt, so daß es wirklich schwer faͤllt, davon irgend etwas Sicheres zu sagen. Jn seinem Taumel ist jede Nerve, jede Muskel, jede Mine Bewegung und Einklang. Sieht man ihn mitten in diesem Tumult an: so ist mit einemmale alles in Ruhe. Er sitzt da, als ob er ein Traͤumer waͤre, zieht den<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0114]
meisten von andern unterscheiden. Es ist, als wenn eine Legion unruhiger Geister in ihm wohnten und ihn beherrschten. Er kann durchaus nicht still sitzen, durchaus nicht leben, athmen, ohne irgend etwas vorzunehmen.
Seine haͤusliche Erziehung mag wohl nicht unter die beste gehoͤren; wenigstens muͤssen seine Eltern wenig Aufsicht uͤber ihn haben, wenig vaͤterlichen und muͤtterlichen Ernst bei ihm gebrauchen. Auch sind alle seine Unruhen von der gemeinsten und niedrigsten Art. Wie vermag man ihn also — unter so Vielen — zu lenken, zu bessern? Er weiß sein Gesicht auf hunderterlei Art zu veraͤndern, zu verzerren, und stellt uͤberhaupt in seinen possierlichen Anwandlungen einen wahren Harlekin vor. Oft kostet es Muͤhe, seine Narrheit mit Gleichguͤltigkeit und ohne Laͤcheln anzusehn — wenn nur nicht der Gedanke zu ernsthaft waͤre, daß er seine eigne Wuͤrde erniedrigt; die er aber freilich zu wenig fuͤhlt und zu schaͤtzen weiß, daß er vielmehr gar nichts fuͤr ernsthaft und wichtig haͤlt.
Sein Auge verraͤth Feuer und Lebhaftigkeit, aber seine Minen hat er aͤusserst in seiner Gewalt, so daß es wirklich schwer faͤllt, davon irgend etwas Sicheres zu sagen. Jn seinem Taumel ist jede Nerve, jede Muskel, jede Mine Bewegung und Einklang. Sieht man ihn mitten in diesem Tumult an: so ist mit einemmale alles in Ruhe. Er sitzt da, als ob er ein Traͤumer waͤre, zieht den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |